Krypto darf beim Big Game nur zuschauen
Im Burgerrestaurant unweit des One World Trade Centers ruft der Sieg der Kansas City Chiefs im diesjährigen Super Bowl großen Jubel hervor. Dies liegt weniger daran, dass die neuen Champions der American-Football-Liga NFL bei den New Yorkern besonders beliebt wären – sondern eher an der Missgunst gegenüber dem unterlegenen Team, den Philadelphia Eagles. Denn diese schlugen die New York Giants in der abgelaufenen Saison gleich dreimal, was nicht eben zu einer Entspannung im Verhältnis der rivalisierenden Ostküstenmetropolen beigetragen hat.
Die interessanteste Entwicklung beim Super Bowl besteht aber wohl nicht im finalen Spielstand von 35 zu 38, obwohl nur beim Endspiel im Jahr 1995 mehr Punkte erzielt wurden. Auch die Halbzeitshow von Rihanna und der Babybauch der barbadischen R&B-Sängerin – wenngleich an den Nebentischen im Burgerrestaurant mit Faszination aufgenommen und von staunenden Rufen begleitet – tritt beim Blick auf die Werbepausen des Spiels in den Hintergrund.
Denn dabei fällt vor allem auf, dass Krypto-Dienstleister dem „Big Game“ in diesem Jahr fast vollständig ferngeblieben sind. Eine bedeutende Zahl an Amerikanern schaltet beim Super Bowl nicht vorrangig aus Sportinteresse ein, sondern aus Vorfreude auf besonders kreative Werbeclips, in denen sich populäre Schauspieler, Musiker und Sportler die Klinke in die Hand geben. Noch im vergangenen Jahr suchte die Digital-Assets-Branche das hohe Interesse in einem derart starken Ausmaß zu nutzen, dass sich das NFL-Finale als „Crypto Bowl“ bezeichnen lassen musste. Basketballstar LeBron James warb beispielsweise für die Handelsplattform Crypto.com, Comedian Larry David trat für die inzwischen insolvente Konkurrentin FTX vor die Kamera.
Die Anbieter ließen sich dies einiges kosten: Für einen 30-sekündigen Spot während des Super Bowls werden bis zu 7 Mill. Dollar fällig. Angesichts solcher Summen ist es kein Wunder, dass für das diesjährige Event geschlossene Werbedeals nach dem FTX-Crash noch zusammengebrochen sind und mit dem Token-basierten Spiel Digi Daigaku in den Spielpausen nur ein einziges Krypto-Angebot auf sich aufmerksam machte.
Einerseits werden die Kontoauszüge der Branchenvertreter derzeit wohl auf dem gleichen zwiebelähnlichen Material gedruckt wie die Rechnungen im Burgerladen unweit des One World Trade Centers – jedenfalls kommen dem Betrachter beim Blick auf beide die Tränen. Andererseits dürften es viele Krypto-Dienstleister nach den Skandalen der vergangenen Monate für klüger gehalten haben, keine zusätzliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Zu groß dürfte die Wut der Anleger sein, die nicht an ihre auf diversen Plattformen gestrandeten Assets herankommen.
Den Zorn bekommen derzeit auch Prominente wie Supermodel Gisele Bündchen und Football-Star Tom Brady zu spüren, die in der Vergangenheit für FTX warben – und sich nun mit Sammelklagen auseinandersetzen müssen. Die Bereitschaft weiterer Stars, sich mit Empfehlungen für Krypto-Plattformen in ein PR-Desaster zu stürzen, dürfte deshalb ohnehin gering ausgefallen sein.
Der in Ungnade gefallene Sam Bankman-Fried wollte sich den Super Bowl nach eigenen Angaben trotzdem ansehen. Problematisch ist nur, dass der FTX-Gründer dabei wohl einen VPN-Zugang genutzt hat, um aus dem gerichtlich angeordneten Hausarrest bei seinen Eltern in Kalifornien heraus auf ein internationales NFL-Streamingabo zugreifen zu können. Der für den Betrugsprozess um Bankman-Fried zuständige New Yorker Richter zeigt sich besorgt darüber, dass der Ex-Milliardär via VPN im Internet unterwegs ist – schließlich kann die US-Regierung seine Aktivitäten dann nicht überwachen. Eine diesbezüglich für Donnerstag angesetzte Anhörung lenkt negative Aufmerksamkeit auf die Digital-Assets-Branche, die sich über einen Mangel an Bad Publicity wirklich nicht beschweren kann. Geht es so weiter, darf Krypto auch beim nächsten „Big Game“ nur zuschauen.