Aukus

Little Britain ganz groß

Großbritannien hat darauf reagiert, dass die Pazifik-Region zum Zentrum der Weltwirtschaft geworden ist. Aukus ist weit mehr als ein U-Boot-Deal.

Little Britain ganz groß

Großbritannien hat sich mit einem Paukenschlag auf der Weltbühne zurückgemeldet. Das Sicherheitsbündnis Aukus, das von Australien, dem Vereinigten Königreich und den USA geschmiedet wurde, ist weit mehr als ein U-Boot-Deal. Darin haben sich drei gleichgesinnte Demokratien zusammengeschlossen, um dem Expansionsstreben der Volksrepublik China in der Pazifik-Region Paroli zu bieten. Anders als man mit Blick auf den Truppenabzug aus Afghanistan vielleicht erwarten würde, startet die Anglosphäre gerade eine Renaissance. Der Westen ist wieder da – und zwar da, wo es darauf ankommt. Aukus wurde von nahezu allen Anrainerstaaten des Reichs der Mitte begrüßt.

Natürlich handelt London nicht ganz uneigennützig: Es ruft sich dadurch als Beitrittskandidat für das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership in Erinnerung. Aus dem Freihandelsabkommen dürfte die größte Freihandelszone der Welt hervorgehen, sobald US-Präsident Joe Biden die Entscheidung seines Vorgängers Donald Trump revidiert, sich aus der Transpazifischen Partnerschaft zurückzuziehen. Geht die Rechnung auf, wiegt der Verlust des reibungslosen Marktzugangs zur EU durch den Brexit nicht mehr ganz so schwer. Ausgehandelt wurde der U-Boot-Deal dem Vernehmen nach auf dem G7-Gipfel in Cornwall. Offenbar wurde doch nicht alle Zeit auf die Feinheiten des Nordirland-Pro­tokolls der EU-Austrittsvereinbarung verschwendet.

Aukus ergänzt die Geheimdienstzusammenarbeit Five Eyes, an der die Briten ebenfalls beteiligt sind, und den unter dem Kürzel Quad bekannten Sicherheitsdialog zwischen Australien, Indien, Japan und den Vereinigten Staaten. Der Ehrgeiz von Global Britain, weltpolitisch über der eigenen Gewichtsklasse zu boxen, könnte allerdings einen hohen Preis fordern. Theresa May, die Vorgängerin von Premierminister Boris Johnson, wies im Unterhaus darauf hin, dass das Land in einen Krieg um Taiwan hineingezogen werden könnte. Das könnte ein Grund dafür sein, dass die EU in den erwähnten informellen Allianzen keine Rolle spielt. Sie wäre zu einem ernsthaften militärischen Engagement auf der anderen Seite der Welt schlichtweg nicht in der Lage. Zudem pflegen viele Mitgliedstaaten ein ambivalentes Verhältnis zum ihrem Handelspartner China.

Für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist der Deal eine Demütigung. Großbritannien und die USA bieten Canberra eine deutlich leistungsfähigere Technologie für die australische U-Boot-Flotte als der halbstaatliche französische Rüstungskonzern Naval. Aber nach all den Anstrengungen Macrons, den Brexit für die Briten so schmerzhaft wie möglich zu machen, ist es eigentlich keine Überraschung, dass er von ihnen nicht vorab informiert wurde. Das bilaterale Verhältnis zwischen Paris und London war selten so schlecht wie unter seiner Präsidentschaft. Wenn der französische Europaminister Clément Beaune den Briten nun vorwirft, in den Schoß Amerikas zurückzukehren und den Status von Vasallen zu akzeptieren, während Außenminister Jean-Yves Le Drian behauptet, man habe Frankreich ein Messer in den Rücken gerammt, deutet das auf ebenso vergiftete Be­ziehungen zu Washington hin. Man sollte trotz der großen Aufregung nicht vergessen: Hier wurden keine Bündnispflichten ver­letzt, sondern allenfalls der französische Nationalstolz. Es geht am Ende um nichts weiter als ein geplatztes Geschäft. An der mangelhaf­ten Kommunikation der Beteiligten kann man Kritik üben, aber normalerweise ist so etwas ein Thema für Anwälte, Schlichter und Handelsrichter. In Canberra wird man diesbezüg­­lich seine Hausaufgaben gemacht haben. Will man in Paris nun eine Weile beleidigt tun, ist das kein Problem. Die EU wäre allerdings schlecht beraten, sich in den Disput einzuschalten, will sie im Verhältnis zu Großbritannien und den USA nicht noch mehr Porzellan zerschlagen.

Aukus zeugt davon, wie schnell sich das politische und wirtschaftliche Zentrum der Welt in die Pazifik-Region verlagert. Selbst die Nato verliert vor diesem Hintergrund an Bedeutung. Das von Brexit-Gegnern oft als Little Britain geschmähte Großbritannien hat sich nicht hinter die Klippen von Dover zurückgezogen, sondern in bemerkenswerter Weise auf die tiefgreifenden Veränderungen reagiert. Auf dem europäischen Kontinent hoffen dagegen immer noch viele auf eine Rückkehr in die Welt vor Trump und Covid-19. Doch die wird es nicht geben.

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