Bank of England

Offenbarungseid einer Notenbank

Der Pensionsfonds der Bank of England nutzte offenbar selbst die Hebelprodukte, die vergangene Woche für Turbulenzen am Bondmarkt sorgten. Nun hält sie nur zaghaft mit Anleihenkäufen dagegen.

Offenbarungseid einer Notenbank

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, doch die Vorgänge sind dramatisch: Wie die „Times“ enthüllte, hat der Pensionsfonds der Bank of England selbst von Hebelprodukten Gebrauch gemacht, die in der vergangenen Woche eine Intervention der Notenbank am Markt für Staatsanleihen (Gilts) mit Restlaufzeiten von mehr als 20 Jahren erforderlich machten. Altersvorsorgeversprechen stellen sowohl für Pensionskassen als auch für Versicherer ein Problem dar, weil die Märkte für entsprechend langfristige Obligationen in der Regel nicht tief genug sind. Man kann sich mit Swaps behelfen, um die Dauer von Anlagen zu verlängern. Solange solche Derivate nicht gehebelt werden, halten sich die damit eingegangen Risiken in Grenzen. Das sogenannte Leveraged Liability-Driven Investment ermöglicht aber noch mehr: Man kann damit seinen Finanzierungsstatus besser aussehen lassen. Man kann damit auch Mittel für riskante Anlagen wie Private Equity oder Hedgefonds freisetzen, um mehr Rendite zu machen als mit inflationsgeschützten Staats­anleihen.

Der rasante Anstieg der Gilt-Renditen nach Vorstellung des Wachstumsplans der neuen britischen Regierung führte zu erheblichen Nachschussforderungen der Gegenparteien solcher Derivate. Mangels ausreichender Barmittel warfen Pensionsfonds Staatsanleihen auf den Markt, was die Renditen weiter nach oben trieb. Die Bank of England sah sich zu der Ankündigung genötigt, Gilts in unbegrenztem Umfang aufzukaufen, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Das Schatzamt machte dafür eilends 65 Mrd. Pfund frei. Aus dem Geschäftsbericht des Fonds der Notenbank geht zwar nicht hervor, welche Art von Derivaten zum Einsatz kamen. Die Reaktion auf die Enthüllungen zeigt allerdings, dass es wohl nicht die vergleichsweise risikoarme Variante war. Der Finanzierungsstatus des Pensionsfonds sei von den Turbulenzen am Gilt-Markt nicht beeinträchtigt worden, bemühte sich eine Sprecherin der Notenbank dem Blatt zu versichern. Zudem entschieden die Treuhänder des Pensionsfonds über die Anlagestrategie, nicht die Führung der Bank of England.

Zunächst stellt sich die Frage, warum es britischen Pensionskassen überhaupt erlaubt war, den Hebel anzusetzen. Denn seit dem Zusammenbruch von Northern Rock und den Problemen des Hedgefonds LTCM sollte der Aufsicht eigentlich bekannt sein, dass Schönwettergeschäftsmodelle dieser Art enorme Risiken für die Finanzstabilität in sich bergen. Die zuständige Aufsicht, The Pensions Regulator, hat sich dazu bislang nicht geäußert. Doch handelt es sich hierbei eigentlich um einen Fall für die bei der Notenbank angesiedelte Prudential Regulation Authority. Ihr obliegt es, Anbietern solcher Strategien wie Legal & General, Insight Investment und Blackrock auf die Finger zu sehen. Ganz offensichtlich ist das nicht passiert. Der Skandal schadet lediglich ihrer Reputation. Das Risiko tragen nicht die Investmentmanager, sondern die Gegenparteien der Derivategeschäfte. Man darf gespannt sein, wo demnächst größere Abschreibungen fällig werden.

Der amtierende Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, verkörpert das Versagen der britischen Aufsicht wie kein anderer. Schließlich führte er zuvor die Financial Conduct Authority, die Skandal um Skandal verpennte und deren Aufarbeitung in die Länge zog. Seine Gegner warfen ihm vor, am Steuer eingeschlafen zu sein, konnten ihn aber als Nachfolger des flamboyanten Mark Carney nicht verhindern. Die Regierung hatte damals offenbar die Hoffnung, dass nach der Ernennung des unauffälligen Technokraten wieder etwas Ruhe einkehren würde. Stattdessen leistete die Notenbank unter seiner Führung den Offenbarungseid: Statt, wie zuletzt angekündigt, den seit der Finanzkrise zusammengekauften Berg von Staatsanleihen endlich abzutragen, bleibt ihr vorerst nichts anderes übrig, als weitere Papiere zuzukaufen, um das Funktionieren des Marktes zu gewährleisten.

Doch der Kauf der Staatsanleihen wird mit einer Lust­losigkeit erledigt, die ihresgleichen sucht. Obwohl die Notenbank die finanzielle Feuerkraft hat, all denen, die mit gehebelten Wetten und Leerverkäufen das Pfund und die Anleihenrenditen unter Druck setzten, durch den Kauf weiterer Anleihen schmerzhafte Verluste beizubringen, setzte sie am Montag gerade einmal 22 Mill. Pfund dafür ein. Dabei wurden ihr Papiere für 1,9 Mrd. Pfund angedient. Alles in allem kaufte sie bislang Gilts für 3,7 Mrd. Pfund. Möglich gewesen wären 20 Mrd. Pfund. Vielleicht will sich die Bank of England nicht dem Vorwurf aussetzen, monetäre Staatsfinanzierung zu betreiben. Geht es mit der Glaubwürdigkeit von Notenbank und Aufsicht weiter bergab, muss sie sich darüber am wenigsten Sorgen machen.

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