Porsche ist aus der Spur geraten
Porsche ist aus der Spur geraten
Parallel-Krisen des Sportwagenbauers und
der VW-Kernmarke zeigen, dass Oliver Blume
mit seiner CEO-Doppelrolle überfordert ist.
Von Stefan Kroneck, München
Für die Porsche AG rückt der Tag der Wahrheit näher. Wenn am kommenden Dienstag der Sportwagenbauer seine vorläufigen Finanzeckdaten für das vergangene Jahr veröffentlicht, werden diese ernüchternd ausfallen. Die Edelmarke aus Stuttgart-Zuffenhausen dürfte in Bezug auf das operative Konzernergebnis mit einer voraussichtlichen Spanne von 5,5 Mrd. bis 6 Mrd. Euro auf das Niveau von 2021 zurückgefallen sein. Damals erwirtschaftete die mehrheitlich zu Volkswagen gehörende Traditionsfirma 5,3 Mrd. Euro.
Einen Vorgeschmack auf die schwache Erfolgsrechnung für 2024 lieferten die Schwaben bereits dieser Tage mit ihren bekannt gegebenen Auslieferungszahlen. Diese gingen weltweit um 3% auf exakt 310.718 Pkw zurück. Hauptgrund dafür ist der Absatzeinbruch in China. Im zweitgrößten Einzelmarkt büßte Porsche 28% auf 56.887 Einheiten ein.
Empfindlicher Rückschlag für CEO
Für Vorstandschef Oliver Blume, der zugleich seit September 2022 den Wolfsburger Mutterkonzern in gleicher Funktion führt, ist das ein empfindlicher Rückschlag bei seinem Bemühen, die immer noch profitabelste Konzerneinheit im weit verästelten VW-Reich in das Zeitalter der Elektromobilität zu überführen. 2024 ist Porsche aus der Spur geraten. 2025 muss Blume beweisen, dass er mit seinen neuen batteriebetriebenen Modellen auf dem richtigen Weg ist, verlorengegangenes Terrain zurückzugewinnen.
Von China hängt alles ab
Das wird kein leichtes Unterfangen sein. In China wird sich dieses Jahr entscheiden, ob Porsche mit einem modernisierten Produktportfolio auf die Erfolgsspur zurückkommt oder scheitert. Blume steht unter Erwartungsdruck. Die anhaltende Wirtschaftsflaute im Reich der Mitte und der dort wachsende Wettbewerbsdruck infolge des Vormarsches lokaler Anbieter werden es der Unternehmensführung schwer machen, ihr Versprechen einzulösen. Als Erfolgsrezept preist der Vorstand von Porsche seinen „wertorientierten Absatz“.
Tabuthema Preisnachlässe
Das impliziert, dass der Sportwagenhersteller sich an den teils mörderischen Rabattschlachten in China nicht beteiligt. Porsche nimmt mit diesem strategischen Konzept in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt Marktanteilsverluste in Kauf. Blume ist nicht bereit, die Position von Porsche auf Kosten der Rentabilität zu halten oder gar auszubauen. Die Furcht vor einer Markenverwässerung sitzt beim CEO tief.
Das verärgert die Porsche-Händler in China, denen es lieber wäre, den Absatz mit Preisnachlässen anzukurbeln. Dieser Interessenkonflikt dämpft die Stimmung. Das Verhältnis zwischen dem OEM aus Deutschland und den Händlern vor Ort ist angespannt. Das dämpft das ehrgeizige Vorhaben des Porsche-Vorstands zusätzlich.
Luxusgüter-Konzept stößt an Grenzen
Offensichtlich geht aber in China der Ansatz für Porsche nicht mehr auf, dass Luxusgüter bei steigendem Preis immer begehrter werden. Das beweist die drastisch rückläufige Nachfrage, die Blume allerdings auch auf die Modellwechsel bei Porsche zurückführt. Letzteres ist aber nur die halbe Wahrheit. Fakt ist, dass mit einem steigenden Angebot im Markt aufgrund der aufstrebenden chinesischen Hersteller die Nachfrage sich automatisch verschiebt bzw. sich auf mehrere Adressen verteilt.
Diese strukturelle Veränderung spürt nun Porsche wie die deutschen Premium- und Volumenmarken. BMW und Mercedes-Benz sowie die Verantwortlichen der VW-Marke können davon ein Lied singen.
Reizthema Personalunion
Letzteres ist auch Blumes Baustelle. Zur Bilanzvorlage der Porsche AG am 12. März werden die Investoren mit Spannung darauf blicken, wie die Umsatz- und Ergebnisprognose des CEO und seiner Mannschaft für 2025 ausfällt. Unter den Analysten macht sich Pessimismus breit. Goldman Sachs senkte jüngst ihr Kursziel für die Aktie deutlich von 86 Euro auf 69 Euro. Die Analysten der US-Investmentbank rechnen damit, dass für die europäische Autoindustrie im Allgemeinen und für die Zuffenhausener im Besonderen auch das laufende Jahr herausfordernd sein wird. Die Skepsis der Anleger spiegelt sich im Kursverlauf wider. Der Titel des Dax-Mitglieds, der Ende September 2022 zu 82,50 Euro an die Börse kam, notiert derzeit bei unter 60 Euro Euro. Seit dem Hoch von Mitte 2023 (120 Euro) hat das Papier rund die Hälfte an Wert eingebüßt.
Die Zweifel werden auch von den Mängeln in der Corporate Governance im VW-Konglomerat genährt. Die Personalunion von Blume, der gleichzeitig CEO von Porsche und von VW ist, bleibt ein Reizthema. Je länger die Profitabilitätskrisen von VW und Porsche andauern, desto stärker zeigen sich die Schwächen dieser Doppelfunktion, die immer noch von den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch uneingeschränkt gedeckt wird. Blume läuft Gefahr, sich mit den automatisch wachsenden Aufgaben zwischen Wolfsburg und Stuttgart in schwierigen Zeiten wie diesen zu verzetteln. Das schadet schlussendlich dem gesamten Konzern. Eine komplexe Doppelrolle dieser Art ist etwas für Schönwetterperioden, aber ungeeignet in schlechten Zeiten.
Wertvolle Zeit geht verloren
Der nach Stimmrechten größte Einzelaktionär von VW, die Beteiligungsholding Porsche SE (zugleich zweitgrößer Einzelaktionär der Porsche AG), hinter der die beiden Familienzweige stehen, scheint beratungsresistent zu sein in Bezug auf die immer stärker zutage tretenden Defizite in der guten Unternehmensführung. Ein Umdenken bei dieser Problematik hat augenscheinlich auch nicht der absehbare Jahresverlust in Milliardenumfang der Porsche SE infolge von Wertabschreibungen auf ihre beiden strategischen Kernbeteiligungen bewirkt. Angesichts des wachsenden Handlungsdrucks geht dadurch wertvolle Zeit verloren, strukturelle Missstände auf der obersten Führungsebene zu beheben.