Italiens Großbanken geraten in Verruf
Rekordausschüttungen
Italiens Großbanken geraten in Verruf
Während die Institute Milliarden ausschütten, kürzen sie Filialnetz und Personalbestand. Schon wird der Ruf laut, die Branche stärker in die Pflicht zu nehmen.
Von Gerhard Bläske, Mailand
Italiens Banken haben ihre Gewinne 2023 massiv gesteigert. Allein die fünf größten Institute Intesa Sanpaolo, Unicredit, BPM, BPER und Monte dei Paschi di Siena (MPS) kamen kumuliert auf 21,1 Mrd. Euro, 64% mehr als im Jahr zuvor. Sogar die berüchtigte Volksbank von Bari schreibt wieder schwarze Zahlen. Die Nettogewinne des gesamten italienischen Bankensektors erreichen 28 Mrd. Euro. Und die Aussichten für 2024 sind rosig: Die Vorhersagen der Institute gehen typischerweise von einem weiteren Anstieg der Gewinne aus.
Die Banken profitierten generell von den höheren Zinsen. Gleichzeitig haben sie vielfach ihre Kreditrisikovorsorge reduziert. Das Provisionsergebnis ging zwar leicht zurück, dürfte 2024 aber tendenziell wieder wachsen, weil die Institute ihr Versicherungsgeschäft und ihre Vermögensverwaltung ausbauen, um für schlechtere Zeiten vorbereitet zu sein. Auch senken die Institute die Kosten, indem sie Filialen schließen und Personal abbauen.
Aktienkurse steigen
Die Gewinne fließen vor allem an die Aktionäre. Sie erhalten für 2023 mehr als 20 Mrd. Euro in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen. Die Banken schütten also den größten Teil aus, allen voran Unicredit, die in diesem Jahr insgesamt mehr als 10 Mrd. Euro an die Anteilseigner zahlen will, wobei in dieser Summe eine Zwischendividende für dieses Jahr enthalten ist. Die gute Performance schlägt sich auch in den Aktienkursen der Institute nieder, die sehr deutlich gestiegen sind.
Doch was für die Banken des Landes Grund zur Freude ist, sorgt in der Öffentlichkeit für Kritik. Vielfach ist zu hören, die Kreditwirtschaft gebe zu wenig an die Gesellschaft zurück.
Die guten Ergebnisse sind nicht allein Frucht eines guten Wirtschaftens. Dass die Banken von hohen Zinsen profitieren, haben sie wie auch anderswo vor allem der Europäischen Zentralbank zu verdanken. Gleichzeitig gibt es Sonderfaktoren wie eine großzügige Förderung der ökologischen Sanierung von Wohngebäuden: Die Institute haben ihre Steuerlast massiv reduziert, indem sie Steuergutschriften von Immobilieneigentümern in großem Umfang aufgekauft haben.
Hohe Staatshilfen
Die Zahl der Geldhäuser ist im Laufe der Jahre nach mehreren Bankkrisen auf etwa 100 gefallen. Viele Banken haben ferner in der Vergangenheit von sehr hohen Staatshilfen profitiert. Allein die Rettung der Monte dei Paschi 2017 und ihre Rekapitalisierung Ende 2022 kosteten den Steuerzahler viele Milliarden. Jetzt soll sie privatisiert werden, aber der Verlust für den Staat bleibt hoch.
Auch die Volksbank von Bari musste verstaatlicht werden. Eine Reihe von Volksbanken landete bei Banken wie Intesa Sanpaolo, Ubi Banca (inzwischen auch Intesa Sanpaolo) oder dem Crédit Agricole. Rom übernahm die schlechten Risiken, die an die staatliche Bad Bank Amco übertragen wurden, die heute noch Darlehen im Umfang von 34,7 Mrd. Euro hält und defizitär ist. Der Staat versüßte den Banken die Übernahmen noch mit Milliardenzuschüssen.
Rom zielt auf „Übergewinne“
Vor diesem Hintergrund ist die Verärgerung etwa von Gewerkschaften verständlich, dass der Staat zwar für das Fehlverhalten und die Verluste geradestehen musste, die jetzt hohen Gewinne aber den Aktionären und dem Management zufließen. Zudem haben die Banken zwar die Kreditzinsen deutlich angehoben. Doch die Guthabenzinsen sind nur in geringem Maße gestiegen.
Premierministerin Giorgia Meloni kam deshalb im vergangenen Sommer auf die Idee, die „Übergewinne“ der Banken teilweise abzuschöpfen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Das aber kam an den Märkten gar nicht gut an. Außerdem stand die schlecht geplante Regel rechtlich auf tönernen Füßen. Die rechtsgerichtete Regierungschefin musste zurückrudern. Statt die Sondersteuer zu zahlen, haben die italienischen Banken von der Alternative Gebrauch gemacht, ihre Kapitalreserven aufzustocken. Die harte Kernkapitalquote der Branche ist mit durchschnittlich 15,8% komfortabel.
Die Freude über den Erfolg der italienischen Banken bleibt getrübt. Zwar kann die Regierung mit etwas höheren Erlösen aus dem Verkauf weiterer Anteile an der Monte dei Paschi rechnen. Aber die gestiegenen Zinsen haben zu einer geringeren Kreditnachfrage geführt, was die Wirtschaft bremst.
Filialsterben auf dem Land
Außerdem schließen die Banken Geschäftsstellen. Allein in den vergangenen beiden Jahren wurden 1.500 Filialen zugemacht. Die Entwicklung dürfte sich beschleunigen, zumal die Banken ihre Digitalangebote deutlich ausbauen. Die Ausdünnung des Netzes geht einher mit einem raschen Personalabbau: Rund 50.000 Stellen sind seit 2013 weggefallen.
Das hat auch strukturpolitische Folgen für das Land. 4,4 Millionen Italiener leben in Gemeinden, in denen es keine einzige Bankfiliale mehr gibt. Dabei nutzen erst 52% der Italiener digitale Bankfunktionen, während dieser Anteil in der Europäischen Union bei rund 64% liegt. Vor allem ältere Personen auf dem Land drohen abgehängt zu werden.
Nur ein Finanzkonzern steuert gegen: Die noch mehrheitlich staatliche Post (Poste Italiane), die den Großteil ihrer Einnahmen im Bank- und Versicherungsgeschäft erzielt, setzt auf den Erhalt ihrer rund 13.000 Filialen. Das Institut, das demnächst weiter privatisiert werden soll, stärkt die ländlichen Geschäftsstellen. Dort werden zusätzliche Dienstleistungen wie die Vergabe von staatlichen Dokumenten und der Verkauf von Strom- und Gaslieferungen angeboten.
Auch die Digitalisierung der Branche gerät in den Blick. Fabio Panetta, Gouverneur der Banca d’Italia, bezeichnet die Rekordgewinne von 2023 als „außergewöhnlich“ und mahnte Investitionen an. Zwar stellen die Institute junge Leute ein, um die Digitalisierung voranzutreiben, doch die Zugänge zum digitalen Banking sind oft kompliziert.
Nach der Konsolidierung ist vor der Konsolidierung
Einstweilen prallt die Kritik weitgehend an den Banken ab. Die Resilienz der Branche zeigt sich allerdings erst in Krisenzeiten. Beobachter wie Stefano Caselli, Dekan der SDA Bocconi School of Management, rechnen mit einer Fortsetzung der Konsolidierung. Der nächste Schritt dürfte eine Übernahme der Monte dei Paschi durch BPM, BPER, Unicredit oder ein anderes Institut sein. Die Konsolidierung ist noch lange nicht vorbei.