Risse in der SAP-Wachstumsstory
SAP
Risse in der Wachstumsstory
Von Sebastian Schmid
Wolkige Geschichten über eine Verdopplung der Marktchancen dank KI irritieren, statt zu inspirieren. Denn die Clouderlöse wachsen langsamer als gedacht.
Eines vorab: Das Kerngeschäft von SAP läuft rund. Die Clouderlöse der ERP-Software S/4Hana sind im zweiten Quartal währungsbereinigt um fast 80% gewachsen. Da kann Rivale Oracle nicht mithalten. Insgesamt hat das Geschäft mit Software aus der Datenwolke aber einen Dämpfer erhalten. Der Cloudumsatz hat um 22% zugelegt und damit weniger als die 23%, die im mittelfristigen Ausblick bis 2025 angepeilt werden. Der Ausblick für das Gesamtjahr wurde hier sogar leicht gestutzt. Eine Enttäuschung, auch wenn die Walldorfer ihre Ergebnisprognose leicht anheben konnten.
Doch worauf hat sich SAP in der zweiten Zahlenvorlage mit Finanzvorstand Dominik Asam fokussiert? Wolkige Wachstumsfantasien! Der adressierbare Markt werde sich bis 2028 auf 1 Bill. Dollar verdoppeln, sagte Konzernchef Christian Klein – dank generativer künstlicher Intelligenz. SAP will weltweit führend bei KI-basierter Geschäftsprozess-Optimierung sein. Dass die Kundennachfrage danach derzeit enorm ist, dürfen die Investoren Klein getrost glauben. Das gilt für SAP wie für jedes andere Softwarehaus. Wie bereit SAP ist, die Nachfrage zu bedienen, steht auf einem anderen Blatt.
SAP Business AI werde „relevante, verlässliche und verantwortungsvolle Ergebnisse liefern“, verspricht der Konzernchef. Relevant, verlässlich und verantwortungsvoll sind indes Adjektive, die ohnehin zu SAPs Markenkern zählen. Schnell und innovativ sind die Walldorfer derweil nicht immer. Zweifel sind angebracht, dass sie es in diesem Fall sein können. Die Partnerschaft mit Microsoft in generativer KI wurde erst im Mai geschlossen. Die Nachricht über Investitionen in drei Start-ups aus dem Bereich ist wenige Tage alt. Dennoch will SAP bereits im Herbst erste Produkte vorstellen. Die sollen auf bestehende Angebote aufsetzen und laut Klein einen 30-prozentigen Aufpreis rechtfertigen. Der Preis steht also schon fest, ehe der Nutzen nachgewiesen werden konnte?
Es steht außer Frage, dass generative KI bei Geschäftsanwendungen enorm hilfreich sein kann. Wenn Lieferkettenprobleme in der Entstehung erkannt und eine Umgehung ausgelöst würde, wäre das vielen Unternehmen sicher einiges wert. Die umfangreiche Kommunikation kurz vor und zur Zahlenvorlage legt indes nahe, dass SAP die KI-Blase absichtlich etwas stärker aufgepumpt hat. Vielleicht, damit sie erste Risse verdeckt, die sich in der Wachstumsstory an anderer Stelle auftun?