LeitartikelHandelsstreit China-USA

Sanfter Einstieg in die Leidenstour

China weiß die ersten Schläge von Donald Trump sanft zu parieren. Noch ist die Schadensbilanz gering. Die Tour der Leiden droht allerdings rasch Fahrt aufzunehmen.

Sanfter Einstieg in die Leidenstour

China-USA

Sanfter Einstieg in die Leidenstour

China weiß die ersten Schläge im Handelsstreit mit den USA sanft zu parieren. Noch ist die Schadensbilanz gering. Die Tour der Leiden droht allerdings rasch Fahrt aufzunehmen.

Von Norbert Hellmann

Es kann losgehen. Die unvermeidlich gewordene Neuauflage eines strafzollbewehrten Handelskonflikts zwischen den beiden weltweit größten Volkswirtschaften ist scharf gestellt. Seit Wochenbeginn greifen Chinas Gegenmaßnahmen auf die Anfang Februar von der neuen Trump-Administration verhängten Strafzölle in Höhe von 10% auf die gesamte Bandbreite chinesischer Exporte in die USA. Die Pekinger Riposte ist nach einhelliger Auffassung maßvoll ausgefallen. Man verzichtet auf eine kategorische Zollerhöhung für Einfuhren aus Amerika und setzt nur ein paar wohlkalkulierte Nadelstiche.

Vorsichtiger Umgang

Auf US-Lieferungen von Kohle und Flüssiggas fallen nun Strafzölle in Höhe von 15% an. Rohöl, Agrarmaschinen und teure Pkw werden mit 10% belegt. Die wesentlich stärker ins Gewicht fallenden US-Sojaexporte bleiben jedoch zunächst unbehelligt. Das lässt einiges zur Pekinger Denke im Umgang mit „Mr. Unberechenbar“ für die neue Staffel der handelspolitischen Soap Opera erkennen. Ein völliger Verzicht auf Zollmaßnahmen als Retourkutsche kommt aus Gründen der nationalen Gesichtswahrung nicht infrage. Mit den niedrigschwelligen Gegenzöllen versucht man Steilvorlagen zu verhindern, die Trump dazu animieren, die Strafzölle schon in der Anfangsphase des Handelsstreits 2.0 hochzuschaukeln.

Blickrichtung Volkskongress

Mit Blick auf Chinas politische Agenda ist der Zeitgewinn durch einen sanften Einstieg von großer Bedeutung. In wenigen Wochen beginnt der jährliche Volkskongress, dem neben allem parteipolitischen Pomp auch wirtschaftspolitisch eine Schlüsselbedeutung beizumessen ist. Schließlich gilt es, ein belastbares Drehbuch für die Konjunkturplanung 2025 zu verabschieden samt Festlegung des Wachstumsziels und anderer Wunschgrößen sowie den budgetären Weichenstellungen.

Chinas Wachstumsziel von 5% wurde 2024 entgegen den Prognosen doch noch punktgenau erreicht. Trotz nochmals verschlechterter Voraussetzungen ist bereits klar, dass für 2025 erneut die 5-Prozent-Marke vorgegeben wird. Das gebietet allein schon der politische Ehrgeiz. Peking will jedoch vermeiden, dass das neue Wachstumsziel vom Start weg als unrealistisch gilt oder nur durch Stimulierungsorgien annähernd erfüllt werden kann. Und es gilt, den Eindruck zu vermeiden, dass Wirtschaftsplanung und Stimulierungsagenda weniger vom Willen der Parteiführung als von der Willkür des US-Präsidenten abhängen.

Noch alles in Butter?

Auf den ersten Blick fällt Chinas Bilanz nach den ersten Wochen unter Trump denn auch einigermaßen befriedigend aus. Der erste Keulenschlag mit kategorischen Strafzöllen ist ein verhältnismäßig sanfter. Ökonomen errechnen eine Verringerung der diesjährigen Wachstumsrate von lediglich 0,1 Prozentpunkten. Das lässt sich gut abfedern. Trump hält sich von beleidigender China-Rhetorik fern und streut Beschimpfungen in andere Länder. Auch das heikle Börsenklima ist überraschend intakt, was vor allem dem Überraschungserfolg des heimischen KI-Modells DeepSeek geschuldet ist. Er zündete eine Rally bei Tech-Werten, die sich auch auf das breitere Marktsentiment positiv überträgt.

Neue Gefahren

Der Schein trügt jedoch. In schnellem Rhythmus blitzen neue Gefahren auf. Just hat Trump Strafzölle von 25% auf Stahlimporte verhängt. China ist ein bedeutender Lieferant. Antwortet Peking mit konkreten Gegenmaßnahmen, bietet man Trump eine Vorlage für die nächste Eskalationsstufe. Und dann ist da noch Washingtons geplante Abschaffung der „De-minimis-Regel“ mit Zollbefreiung für kleinere Warensendungen. Sie hat den chinesischen Online-Händlern Aliexpress, Shein und Temu bisher ein Turbogeschäft in den USA ermöglicht, das nun zerzaust werden dürfte.

Es läppert sich

Nur eine Petitesse? Eher nicht. Das Problem liegt nicht in Gewinneinbußen von E-Commerce-Betreibern. Wichtiger ist die Existenzsicherung einer ganzen Armada chinesischer Kleinbetriebe, die für die Warenproduktion aufkommt. Die De-minimis-Entscheidung könnte der chinesischen Wachstumsrate weitere 0,2 Prozentpunkte abknabbern, heißt es. Man sieht also, die Dinge läppern sich, bevor die Schlacht richtig losgeht.

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