LeitartikelSiemens

Mutiger Schritt

Siemens steckt viel Geld in den Zukauf Altair. Die Konzentration auf das Kerngeschäft ist vielversprechend.

Mutiger Schritt

Siemens steuert auf die Jahrespressekonferenz zu. Diesmal steht nicht die Bilanz allein im Mittelpunkt. Der Konzern hat soeben den teuersten Zukauf angekündigt, den er im aktuellen Kerngeschäft jemals getätigt hat. 10 Mrd. Dollar will er für das US-Softwareunternehmen Altair Engineering ausgegeben. Vorstandschef Roland Busch wird also am kommenden Donnerstag auch über dieses Projekt reden.

Wobei: Eigentlich könnte er sich seine Worte sparen. Denn die Investoren haben ein Urteil gesprochen, das positiv ausfällt. Der Aktienkurs, den die Abteilung Investor Relations seit vielen Monaten auf der eigenen Homepage nicht mehr zeigt, liegt fast auf dem Niveau jenes Zeitpunkts im Oktober, als die Pläne durchsickerten. Der Dax dagegen ist gesunken. Die Aktie hat den Xetra-Handel am 7. November sogar nur knapp unter dem Allzeithoch aus dem Mai dieses Jahres geschlossen.

Richtig teuer

Die wohlwollende Aufnahme der Milliardenübernahme überrascht. Denn die M&A-Zahlen geben ein klares Signal: Der Deal ist richtig teuer. Dies gilt schon aus der Vogelperspektive. Wenn der größte Kauf der Firmengeschichte vollzogen ist, wird im Umsatz kaum ein Zucken zu beobachten sein. 600 Mill. Dollar Mehreinnahmen sind für einen 82-Mrd.-Euro-Koloss keine große Sache.

Dies illustriert: Die Multiples, die Siemens auf den Tisch legt, sind schwindelerregend. Klar, der Konzern erfüllt die eigenen Vorgaben für M&A. Aber dort wird halt auch die Kaufpreisallokation herausgerechnet. Außerdem sind die anvisierten Synergien auf der Kostenseite erstaunlich, auf der Umsatzseite zudem teilweise langfristig gerechnet. Der Konzern nimmt sie dann gleich mal in die selbst errechneten Multiples mit hinein.

Papier ist geduldig. Stattdessen kann man auch errechnen, dass Siemens das 95-Fache des erwarteten Altair-Gewinns 2024 bezahlt. Zudem wird der Goodwill enorm sein, wie es bei der Übernahme von Softwarefirmen üblich ist. Die Zunahme der immateriellen Vermögenswerte dürfte die Rendite auf das eingesetzte Kapital stark belasten.

Kompetenz in KI

So weit, so egal – das zumindest sind die Signale des Kapitalmarktes. Die Strategie zählt, und die stimmt nach allgemeiner Einschätzung. Siemens verstärkt das Kerngeschäftsfeld Fabrikautomatisierung, das zur Sparte Digital Industries gehört. Altair ist stark im Automobilbau, in der Verteidigungsindustrie und im Finanzsektor. Siemens kann mithilfe von Altair den Ansatz der Simulation von Fertigung in mehr Branchen hineintragen. So wird der Softwareumsatz viel schneller wachsen, als organisch möglich gewesen wäre. Aus diesem Blickwinkel sind 600 Mill. Dollar doch ein ansehnlicher Umsatz, denn mit Software erlöst Siemens bisher „nur“ rund 8 Mrd. Euro. Die Tools können zudem über das Netzwerk der Münchner skaliert werden. Die Amerikaner bringen darüber hinaus Kompetenz in künstlicher Intelligenz mit, immerhin 15% ihres Geschäfts stammen schon aus diesem Bereich. Es wird bisher nur unzureichend verstanden, wie stark diese Technologie auch die Fertigungsplanung umwälzen wird. Künftig werden nicht nur Spezialisten an Simulationen sitzen.

Siemens besitzt viel Erfahrung in der Integration von Softwareunternehmen. Insofern sollte auch die Altair-Einbeziehung gelingen. Allerdings sind Besonderheiten zu beachten. Altair ist aus Dutzenden Zukäufen entstanden. Wer so schnell mit M&A wächst, der investiert zu wenig Zeit, um ein kohärentes Ganzes zu schaffen. Dies ist gerade in der Software-Welt riskant, die besonders abhängig von der Kompetenz ihrer Beschäftigten ist.

Aufbruchssignal

Die Altair-Transaktion bringt eine Veränderung mit sich, die aus strategischer Sicht ebenso bedeutsam ist. Zur Finanzierung will sich Siemens von einem kleinen Teil der Healthineers-Anteile trennen. Dies ist ein Aufbruchssignal, wenngleich die Mehrheit noch längere Zeit bei Siemens liegen soll.

Die Akquisition ist ein mutiger Schritt. Derart großvolumige Zukäufe werden gerade in der hoch bewerteten Softwarebranche auch für Siemens die Ausnahme bleiben. Ebenso wichtig ist, den digitalen Umsatz organisch voranzutreiben, möglichst mit einem noch höheren Tempo als bisher.  

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Siemens steckt viel Geld in den Zukauf Altair. Die Konzentration auf das Kerngeschäft ist vielversprechend.

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