Stabilitätspakt als Bumerang
EU-Fiskalregeln
Stabilitätspakt als Bumerang
Von Angela Wefers
Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt ist für Überraschungen gut. Nach der jüngsten Reform, die auf eine Zeit ausufernder Verschuldung in der Coronakrise folgte, war es eigentlich herrschende Meinung, dass die europäischen Fiskalregeln weiter gelockert worden sind. Hoch verschuldete Länder wie Italien, Frankreich oder Belgien könnten sich nun umso leichter der Haushaltsdisziplin entziehen, so die Sorge. Diese Prognose ist nun erst einmal widerlegt. Das Bundesfinanzministerium hat intern gerechnet und kommt hierzulande schon 2026 zu deutlich engeren Ausgabenlimits für den Gesamtstaat, als es in der nationalen Planung vorgesehen ist. Die EU-Fiskalregeln entpuppen sich als strenger als die Schuldenbremse.
Dies wird viele enttäuschen, die in der Schuldenbremse das Übel für die marode staatliche Infrastruktur sehen und sie aushebeln – zumindest lockern – wollen. Dies betrifft größeren prozentualen Schuldenspielraum ebenso wie die Schattenhaushalte von Sondervermögen. Selbst wenn es hierzulande Mehrheiten für eine lockerere Schuldenbremse geben sollte, an den europäischen Regeln kommt Berlin nicht vorbei. Überdies: Würde die Bundesregierung die neuen EU-Fiskalregeln brechen, noch bevor sie etabliert sind, fiele sie der Kommission in den Rücken. Zumal Berlin in den Reformverhandlungen Extrapflichten für Länder mit hohen Defiziten oder hoher Verschuldung durchgesetzt hatte. Der Stabilitätspakt wäre sonst wirklich tot.
Die Kommission ihrerseits zeigt Zähne. Im ersten Schritt unter neuem Regelwerk hat sie sieben Ländern Defizitverfahren angedroht – ungeachtet mancher starken Rolle in der EU wie der Frankreichs oder Italiens. Für die Glaubwürdigkeit Brüssels und des reformierten Pakts ist dies ein wichtiger Schritt. Weitere müssen folgen. Zum Schwur kommt es im Herbst, wenn die Kommission ihre Empfehlungen mit Zahlen und Vorgaben unterlegt. Wirksam werden diese erst, wenn der Rat zugestimmt hat. Berlin kann dann zeigen, dass die harte Position in den Verhandlungen auch dann gilt, wenn es zu Hause wehtut.