Im BlickfeldErste Enttäuschungen bei Börsengängen

Kaltstart am IPO-Markt

Der neue US-Präsident will mittels Deregulierung das Umfeld für Börsengänge aufhellen. Doch erste große Transaktionen wie das IPO des Erdgasexporteurs Venture Global enttäuschen.

Kaltstart am IPO-Markt

Trump bietet unsichere IPO-Perspektiven

Der neue US-Präsident will mittels Deregulierung das Umfeld für Börsengänge aufhellen. Doch erste große Transaktionen enttäuschen. Denn Investoren sind noch nicht bereit, fundamentale Bedenken in den Wind zu schlagen – zumal auch die Fed bei Donald Trumps Plänen nicht mitspielt.

Von Alex Wehnert, New York

An der Wall Street macht sich alles bereit für ein heißes IPO-Jahr. Eine marktfreundlichere Regulierung unter dem frisch ins Amt zurückgekehrten US-Präsidenten Donald Trump, gaben Dealmaker zuletzt selbstbewusst zu Protokoll, werde die Nachfrage von Unternehmen nach Finanzierungen und den Hunger auf Börsengänge noch zusätzlich antreiben – während die gelockerte Geldpolitik der Federal Reserve die etwas zögerliche Erholung des Markts nach dem Krisenjahr 2022 ohnehin beschleunige. Doch mitten in die Euphorie von Investmentbankern und Private-Equity-Gesellschaften platzen bereits die ersten größeren Enttäuschungen.

Anlage von Venture Global in Louisiana: Der Erdgasexporteur will von gelockerten Regulierungen unter US-Präsident Donald Trump profitieren. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Martha Irvine.

So unterminiert das Marktdebüt von Venture Global in New York das Narrativ vom Aufschwung. Das Unternehmen, das Terminals für den Export von Flüssigerdgas (LNG) an der Küste des Golfs von Mexiko betreibt, bepreiste sein Initial Public Offering in der vergangenen Woche mit lediglich 25 Dollar pro Aktie und sammelte 1,75 Mrd. Dollar ein – die Bewertung von rund 60,5 Mrd. Dollar lag damit weit unter den zuvor angepeilten bis zu 116 Mrd. Dollar.

Der erste Handelstag verlief ebenfalls ernüchternd: Der Titel eröffnete deutlich unter Ausgabepreis und schloss mit einem Minus von 4%. Die Saga um den größten US-Börsengang eines LNG-Unternehmens aller Zeiten zeigt laut Analysten damit eindrücklich, dass nicht nur die Wirkung von Trumps angekündigtem Deregulierungskurs auf den IPO-Markt Grenzen hat, sondern auch die Effekte seiner Unterstützung für fossile Energien limitiert sind.

Energiepolitik als Treiber

Der neue Präsident hob in einer seiner ersten Amtshandlungen einen von Vorgänger Joe Biden verhängten Stopp für die Freigabe von Genehmigungsanträgen zu neuen LNG-Exportprojekten auf. Der gerade aus dem Amt geschiedene Demokrat hatte die Aussetzung beschlossen, um von der US-Regierung beauftragten Forschern Zeit zu geben, die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen des Booms der Flüssigerdgas-Industrie zu untersuchen. Unter Trump spielen Umwelt- und Klimaschutzbedenken hingegen kaum noch eine Rolle: Der Republikaner hat den Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen beschlossen sowie einen nationalen Energienotstand und will somit die heimische Förderung fossiler Brennstoffe maximieren.

US-Präsident Donald Trump will die Förderung fossiler Brennstoffe maximieren. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon.

Damit fallen zwar Barrieren für das Wachstum von Firmen wie Venture Global weg. Das Unternehmen aus Arlington im Bundesstaat Virginia hat aus Washington nun auch grünes Licht für den Ausbau eines zentralen Produktionsstandorts in Louisiana erhalten. Für die avisierten Output-Steigerungen und damit verbundenen Investitionsausgaben braucht das Unternehmen, das sich wegen mutmaßlicher Verstöße gegen langfristige Liefervereinbarungen in Schlichtungsverfahren mit Energie-Multis wie BP, Shell und Repsol befindet, allerdings Cash – eine entscheidende Motivation für den Börsengang. Das verpatzte Debüt macht aber deutlich, dass Investoren trotz eines aufgehellten Umfelds nicht bereit sind, alle fundamentalen Bedenken in den Wind zu schlagen.

Vielmehr werden Vorwürfe laut, dass sich die von Venture Global beauftragten Banken J.P. Morgan und Goldman Sachs, die infolge eines Aufschwungs im Kapitalmarktgeschäft zuletzt eine Gewinnexplosion feierten, bei der Transaktion massiv verschätzt haben. Inklusive der Schuldenlast strebten sie für den Erdgasexporteur einen Enterprise Value von nahezu 140 Mrd. Dollar an.

Überzogene Bewertung

Selbst bei einer in Aussicht gestellten Ausfuhrkapazität von 100 Millionen Tonnen würde das eine Bewertung von 1,4 Mrd. Dollar pro Tonne bedeuten – für Branchenführer Cheniere, dessen Aktie infolge eines starken Preisanstiegs am US-Erdgasmarkt im laufenden Jahr immerhin um 7% zugelegt hat, setzen Investoren bei 55 Millionen Tonnen Kapazität eine Bewertung von 1,5 Mrd. Dollar je Tonne an. Allerdings sind die zwei Terminals des Konzerns aus Houston bereits so fortschrittlich, dass sie mehrere Milliarden Dollar an Cash-flow und damit Wertschöpfung für Investoren generieren, während die Investitionsausgaben von Venture Global die Erlöse zuletzt noch übertrafen.

Das Spektakel um die LNG-Firma beeinflusst auch die Stimmung für andere Energieunternehmen wie US Energy Corp, die sich derzeit neue Mittel über den Kapitalmarkt zu beschaffen suchten. Zugleich sendet der Fall Venture Global Signale in andere Branchen. Mit dem schwedischen Zahlungsdienstleister Klarna, dem Fintech Chime und dem auf künstliche Intelligenz fokussierten Chipdesigner Cerebras sind mehrere prominente Namen unter den potenziellen IPO-Kandidaten für 2025, einige von ihnen haben bereits vertrauliche Anträge auf Börsengänge gestellt. Analysten gehen davon aus, dass die Performance anderer junger Firmen nach dem Gang aufs Parkett entscheidenden Einfluss auf ihr Timing haben wird. Laut der Beratungsgesellschaft EY erzielten Unternehmen nach einem US-Börsengang im Volumen von mindestens 50 Mill. Dollar 2024 durchschnittliche Wertzuwächse von 30%.

Der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna zählt zu den aussichtsreichsten Kandidaten für ein US-IPO. Foto: picture alliance / NurPhoto | Jaque Silva.

Im vergangenen Jahr führten Technologie- und Healthcare-Unternehmen die vorsichtige Erholung am IPO-Markt an. Auf die beiden Sektoren entfielen laut EY kombiniert 61% der Börsengänge in den Vereinigten Staaten sowie 49% der Erlöse. Gerade im Medizintechnik-Sektor bringen sich aussichtsreiche Kandidaten in Stellung: Die beiden von Bain Capital gestützten US-Branchenvertreter Kestra Medical Technologies und Heartflow haben laut der „Financial Times“ Bank of America respektive J.P. Morgan als Konsortialführer für Börsengänge beauftragt. Auch um den Equipment-Hersteller Medline halten sich schon länger Spekulationen, angeblich peilt das Unternehmen aus Northfield, Illinois bei einem IPO im zweiten Quartal des laufenden Jahres eine Bewertung von rund 50 Mrd. Dollar an.

Fed fährt im Nebel

Als entscheidenden Treiber der erhöhten Aktivität haben Beobachter um die Analysten von EY oder der Kanzlei White & Case schon länger entspanntere finanzielle Konditionen durch die Zinssenkungen der Federal Reserve ausgemacht. Allerdings werden weitere geldpolitische Lockerungen zunehmend angezweifelt. So beließ die Federal Reserve den Leitzins auf ihrer ersten Sitzung 2025 am Mittwoch in der Spanne von 4,25 bis 4,5%, die „Fahrt im Nebel“ gehe für die Märkte damit weiter, wie auch Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, betont.

Die hartnäckige Inflation bremst die Währungshüter dabei entscheidend – sehr zum Unmut Trumps, der die Fed für ihre Zinspause scharf kritisierte. Derweil fürchten Investoren eine Explosion der ohnehin schon hohen US-Haushaltsdefizite in der Regierungszeit des Republikaners. Dies hat zuletzt dazu geführt, dass die Zinskurve deutlich steiler geworden ist, die Anleiherenditen am langen Ende also wieder klar über jene am kurzen geklettert sind. Dies verschärft die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen wieder und trübt die IPO-Perspektiven unter Trump laut Analysten stärker ein als unter Dealmakern erhofft. Die erhitzte Stimmung an der Wall Street droht sich damit schnell wieder abzukühlen.

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