LeitartikelFederal Reserve

Unabhängigkeit der Fed im Wanken

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat schon während seiner ersten Amtsperiode versucht, die Geldpolitik zu manipulieren. Ein zweiter Wahlsieg Trumps würde die politische Unabhängigkeit der Fed gefährden.

Unabhängigkeit der Fed im Wanken

Federal Reserve

Unabhängigkeit der Fed im Wanken

Ein Wahlsieg Donald Trumps würde eine akute Gefahr für die Unabhängigkeit der Fed heraufbeschwören.

Von Peter De Thier

So ungewiss der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl ist, ist eines in Stein gemeißelt: Notenbankchef Jerome Powell und seine Kollegen bei der Federal Reserve werden am Abend des 5. November aufmerksamer als je zuvor die Stimmauszählung verfolgen. Erstmals seit dem 111-jährigen Bestehen der Zentralbank müssen die Währungshüter nämlich um die politische Unabhängigkeit der Institution bangen. In einigen Fällen womöglich auch um ihren eigenen Job.  

Ein Trump-Sieg würde bedeutende Gefahren für die Zukunft der Fed heraufbeschwören. So macht er keinen Hehl aus der Absicht, bei der Geldpolitik ein kräftiges Wort mitzureden. Dabei könnte der Kontrast zur Position der Vizepräsidentin kaum größer sein. Kamala Harris hat betont, dass sie die traditionelle Unabhängigkeit der Zentralbank respektieren und unterstützen würde. Ihre Rolle würde sich wie auch bei anderen Präsidenten darauf beschränken, Mitglieder des Fed-Vorstands zu ernennen, die der Senat dann anschließend bestätigen muss.  

Wie weit Trump gehen könnte, hat er schon während seiner ersten Amtszeit unter Beweis gestellt. Gegen Ende 2019, also mehrere Monate vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, setzte der 45. Präsident Powell unter Druck, die Zinsen weiter zu senken. Trump erhoffte sich davon eine Aktienhausse und somit politischen Rückenwind für das anstehende Wahljahr. Der Fed-Boss aber wollte davon nichts wissen. Und als die Notenbank im Oktober nach drei Lockerungen signalisierte, dass es Zeit für eine Zinspause sei, geißelte der Präsident jenen Mann, den er selbst ernannt hatte. Powell sei „dumm“ und „inkompetent“, schimpfte Trump. 

Zwar hat der Republikaner gesagt, dass Powell, wenn er wieder Präsident wird, bis Mai 2026 seinen Job behalten dürfte. Dann läuft seine zweite Amtsperiode ab. Was aber käme danach? Vorstellbar wäre, dass Trump eine Serie von Entscheidungen trifft, die unterstreichen, warum Zentralbanken ihre politische Unabhängigkeit behalten müssen. So könnte er Handlanger für den Fed-Vorsitz sowie andere Vakanzen im Vorstand nominieren. Kandidaten, die ein republikanisch beherrschter Senat bestätigen würde und die allesamt nach Trumps Pfeife tanzen würden. 

Sie könnten dann geldpolitische Entscheidungen, die sich ausschließlich an dem dualen Mandat der Preisstabilität und Vollbeschäftigung orientieren sollten, an den politischen Wünschen des Weißen Hauses ausrichten. Vorstellbar wäre auch, dass Trump im Vorfeld von Wahlen die Fed „anweist“, den Geldhahn aufzudrehen. So wie er es vor fünf Jahren vergeblich bei Powell versuchte.

Die Irritation bei Trump und den Republikanern ist heute umso größer, weil sie die ökonomisch völlig berechtigte Zinssenkung vom vergangenen Mittwoch als Wahlkampfhilfe für Harris auslegen. Richtig ist, dass die wirtschaftspolitischen Pläne der Vizepräsidentin sozialliberal, teilweise idealistisch und nicht alle gegenfinanziert sind. Auch wäre anzunehmen, dass sie Vakanzen im Fed-Vorstand mit Demokraten besetzen würde, die auf ihrer Linie liegen. Der entscheidende Unterschied besteht aber darin, dass Harris von direkten Eingriffen Abstand nehmen würde.

Die Folgen, die eine Politisierung der Fed entfalten könnte, illustrieren, warum deren Unabhängigkeit unverzichtbar bleibt. Schließlich hat Trump in der Vergangenheit seine Bewunderung für Nicolás Maduro ausgedrückt. Maduro instrumentalisierte aber die Banco Central de Venezuela als Notenpresse und trat damit eine Hyperinflation los, die in dem südamerikanischen Land zu dreistelligen Preissteigerungsraten führte. Bräuchte Trump Geld, um seine Steuererleichterungen zu finanzieren, dann wäre nicht auszuschließen, dass auch er versuchen würde, einfach Dollar in Billionenhöhe drucken zu lassen. Erfolge im Kampf gegen die Inflation könnten dann in das Gegenteil umschlagen. Es steht viel auf dem Spiel. Leider verstehen nur wenige Wähler, dass die Folgen einer Trump-Präsidentschaft für die Fed auch sie hart treffen könnten. 

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