US-Sanktionen erweisen sich als Eigentor
China
Sanktionen als Eigentor
Mit strengen Auflagen haben die USA den Technologiekonzern Huawei in die Enge getrieben. Der kommt umso stärker zurück.
Von Sebastian Schmid
Die US-Sanktionen gegen Huawei sind offenbar nur ein temporärer Erfolg gewesen. Der Anteil des Technologiekonzerns am chinesischen Smartphone-Markt ist zwar binnen drei Jahren von knapp einem Drittel auf 7% gefallen. Damit dürfte die Talsohle aber erreicht sein. Bereits im zweiten Quartal ging es wieder bergauf. Nun hat Huawei noch einen technologischen Sprung geschafft, der den Chinesen in den USA so schnell nicht zugetraut wurde. Das Smartphone Mate 60 Pro verfügt über einen 5G-Mobilfunkchip der neuesten Generation – ohne US-Technologie-Know-how.
Für Außenstehende mag das unbedeutend erscheinen. Doch das ist ein epochaler Erfolg nur vier Jahre nach Beginn des Sanktionsregimes. Der US-Rivale Apple versucht seit 2017 selbst einen entsprechenden Chip zu designen. Ziel ist es, sich von Weltmarktführer Qualcomm unabhängig zu machen. Dafür wurde unter anderem 2019 die Mobilfunkchip-Sparte von Intel für rund 1 Mrd. Dollar übernommen. Doch selbst den Apple-Ingenieuren, die Wettbewerber wie Intel oder AMD bei Computerchips abgehängt haben, ist es bis heute nicht gelungen, ein konkurrenzfähiges 5G-Modem an den Start zu bringen. Im Gegenteil. Gerade erst wurde bekannt, dass der Vertrag mit Qualcomm zur Lieferung der 5G-Mobilfunkchips bis 2026 verlängert worden ist.
Die Folgen des Erfolgs von Huawei gehen indes weit darüber hinaus. Die Chinesen dürften nicht nur voraussichtlich Marktanteile von Samsung und Apple im Heimatmarkt zurückgewinnen. Die Sanktionen bedeuteten zugleich, dass anderen europäischen und amerikanischen Hochtechnologieanbietern Chancen in China flöten gehen. Schon heute muss etwa Nvidia einigen Umsatz im Reich der Mitte liegen lassen. Und jeder nicht von westlichen Konzernen verkaufte Halbleiter ist eine Entwicklungschance für heimische Anbieter. Auf die Androhung noch strengerer Restriktionen durch die US-Regierung hat Nvidia bereits reagiert und davor gewarnt, die Chancen von US-Unternehmen in dem riesigen Markt zu beschneiden. Finanzchefin Colette Kress zufolge würde das die langfristigen Geschäftsaussichten des Unternehmens und anderer US-Halbleiterproduzenten deutlich eintrüben.
Bislang zeigt sich die US-Regierung indes wenig überzeugt. Sie argumentiert, dass nationale Interessen gewahrt werden müssten und der militärische Fortschritt Chinas gebremst werden müsse. Auch in Europa werden protektionistische Töne lauter. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ein Anti-Dumping-Verfahren gegen Chinas Elektroautobauer eingeleitet hat, wird damit den technologischen Fortschritt im Reich der Mitte genauso wenig aufhalten, wie die US-Regierung es im Chipsektor geschafft hat. Stattdessen drohen Europas Autobauern die Umsätze in China noch schneller wegzubrechen. Das ist auch die Interpretation der Anleger, die Europas Autobauer am Donnerstag an der Börse abgestraft haben. In einem insgesamt positiven Marktumfeld ging es für BMW, Mercedes, Porsche und VW nach unten.
Biden und von der Leyen laufen in die gleiche Falle. Beim Versuch, ein Problem zu beheben, schaffen sie zugleich ein größeres. Ein Sanktionsregime kann funktionieren, wenn die Allianz der Sanktionierer groß und der Sanktionierte klein ist. Im Umgang mit China braucht es einen kreativeren Ansatz. Denn es geht eben nicht nur ein großer Markt und damit Erlöse flöten. Technologische Fortschritte finden auch immer mehr ohne westliche Beteiligung statt. Wo wären etwa die deutschen Autobauer in der Elektromobilität ohne Batterietechnologie von CATL? Welchen Erfolg hätte Apple, wenn nicht mehr hunderttausende Chinesen für Auftragsfertiger Foxconn zig Millionen iPhones pro Woche produzieren würden? Und das sind nur zwei von unzähligen Beispielen.
Noch irritierender als der scheinbare Mangel an Verständnis für die wechselseitigen Abhängigkeiten von politischer Seite ist die Taubheit für Argumente aus der Industrie. Weder scheint die Halbleiterbranche in Washington mit ihren Argumenten durchzudringen noch die Autobauer in Brüssel. Stattdessen beobachten wir eine sich immer weiter drehende Sanktionsspirale, die mit jeder Drehung neue Kollateralschäden fordert.