LeitartikelStrafzölle

Von der Leyen auf Offroad-Trip

Die EU-Kommission kündigt Strafzölle auf in China produzierte E-Autos an. Ein unbedachter Schritt mit Nebenwirkungen.

Von der Leyen auf Offroad-Trip

Autozölle

Von der Leyen auf Offroad-Trip

Von Sebastian Schmid

Die EU-Kommission kündigt Strafzölle auf in China produzierte E-Autos an. Ein unbedachter Schritt mit Nebenwirkungen.

Die Europawahl ist erst wenige Tage Geschichte, da kommt die EU-Kommission schon mit einer Entscheidung um die Ecke, die nicht einmal von der betroffenen Branche gefordert wurde. E-Autos aus chinesischer Produktion werden künftig mit Strafzöllen von bis zu 38% belegt. Zusammen mit dem bisherigen Importzoll von 10% werden in der Spitze also 48% fällig. Das ist noch einmal mehr, als zuletzt im Gespräch war. Wen treffen die ab 4. Juli geltenden Zölle am härtesten? Den staatlichen Autobauer SAIC, der mit seiner Marke MG vergangenes Jahr auf 1,6% der europäischen Pkw-Verkäufe kam – mehr als jeder andere chinesische Hersteller. In absoluten Zahlen wäre derweil vor allem Tesla gekniffen. Die Amerikaner verschiffen mit ihrem Model 3 die höchsten Stückzahlen aus dem Reich der Mitte nach Europa. Allerdings will die EU sich die Situation von Tesla gesondert ansehen und womöglich einen niedrigeren Zoll für den US-Hersteller ansetzen.

Angesichts der individuellen Strafzölle, die verschiedene Autobauer unterschiedlich stark treffen, steht zu befürchten, dass es die EU bei der WTO schwer haben könnte, ihr Vorgehen zu verteidigen. Hingegen dürfte es den Chinesen ein Leichtes sein, die bereits angedrohte Zollanhebung für großmotorige Verbrenner als Klimaschutzmaßnahme zu deklarieren. Letztere würde insbesondere die deutsche Autoindustrie ins Mark treffen. So muss Porsche mangels Fertigung in China jedes dort verkaufte Auto importieren. Aber auch bei Mercedes ist jedes fünfte Auto, das in der Volksrepublik verkauft wird, nicht dort hergestellt worden. BMW fertigt derweil den in München entwickelten und designten iX3 ausschließlich in China und müsste damit auch Importzölle bei Verkäufen in der EU zahlen.

Die Entrüstung des Automobilverbands VDA und der hiesigen Hersteller fällt entsprechend aus. Doch der Appell für einen offenen Welthandel verhallt in Brüssel ebenso ungehört wie die Kritik deutscher Politiker, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz und Oppositionsführer Friedrich Merz. Dass die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hier der Linie des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gefolgt ist, ist wohl auch politisches Kalkül angesichts des katastrophalen Abschneidens der Regierungspartei Renaissance und der anstehenden Neuwahlen in Frankreich am 30. Juni. Eine so weitreichende Entscheidung aus politischen Erwägungen und offenbar gegen die ausdrücklichen Bedenken einer Schlüsselindustrie zu fällen, ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker der EU-Industriepolitik. Und wenn es eines derzeit nicht braucht, ist das eine weitere Zunahme der Europaskepsis.

Ebenso schwer wiegt indes, dass der durch die Transformation bereits unter Druck stehenden Branche mit dem verschärften China-Kurs absolut nicht geholfen ist. Denn China sitzt bei der Elektromobilität längst am längeren Hebel. Die beiden Batteriehersteller CATL und BYD hatten im ersten Quartal zusammen einen Weltmarktanteil von mehr als 52%. Auch auf der Rohstoffseite hat sich das Reich der Mitte über das vergangene Jahrzehnt in die Pole-Position gebracht. Hinzu kommt, dass China mit Abstand der größte Absatzmarkt für E-Autos ist. Die chinesischen Autohersteller haben zudem zahlreiche Kostenvorteile – etwa bei Energie und Personal. Analysten haben bereits ausgerechnet, dass die meisten Anbieter die höheren Importzölle in der EU aufgrund ihrer satten Margen womöglich ohne größere Preisanpassungen einfach schlucken können.

Derweil sind die deutschen Autobauer mit ihrer Premium-Strategie auf den chinesischen Markt angewiesen. Verlieren sie dort aufgrund des Handelsstreits noch schneller Marktanteile, belastet das die aufwendige Transformation zusätzlich. Dass die Kommissionspräsidentin, die derzeit in Europa um Stimmen für eine zweite Amtsperiode buhlt, gleich nach der Wahl mit einem industriepolitischen Eigentor startet, sollte sie eigentlich für eine Weiterbeschäftigung disqualifizieren. Selbst der Bundesregierung dürfte es zunehmend schwerfallen, von der Leyen offensiv zu unterstützen, wenn diese zugleich den hiesigen industriepolitischen Interessen derart in den Rücken fällt.

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