Klimapolitik

Welterwärmung macht britischen Bankern Stress

Die britische Notenbank hat den von ihr beaufsichtigten Firmen einen Klimastresstest verordnet. Es ist zwar begrüßenswert, wenn das Thema in den Fokus rückt. Doch die Methodik wirft Fragen auf.

Welterwärmung macht britischen Bankern Stress

Von Andreas Hippin, London

Die britische Notenbank hat einen umfassenden Klimastresstest vorgestellt, mit dem sie prüfen will, ob das britische Finanzsystem die Herausforderungen durch den Klimawandel bewältigen kann. „Die Bank of England darf nicht zum Werkzeug von Extinction Rebellion werden“, kommentierte das der konservative „Daily Telegraph“. Die Weltuntergangssekte nahm bereits des Öfteren die Finanzbranche ins Visier, der sie vorwirft, die Zerstörung der Welt zu finanzieren. Bei den Firmenzentralen von Barclays und HSBC im Londoner Bankenviertel Canary Wharf wurden theatralisch Fensterscheiben im Eingangsbereich beschädigt. Die Bank of England kam mit Graffiti davon. Die Zentralbank droht jedoch in den Richtungsstreit darüber, wie die Weltwirtschaft nach der Pandemie wieder aufgebaut werden soll, hineingezogen zu werden.

Wachstumskritik im Aufwind

Wachstumskritiker aller Art halten ihre Stunde für gekommen. Extinction Rebellion ist lediglich eine besonders lautstarke Variante dieser Strömung, die das Wirtschaftswachstum für keinen geeigneten Indikator von Lebensqualität und Wohlstand hält. Allerdings dürfte diese Debatte nicht von Notenbankern, sondern an den Wahlurnen entschieden werden. Dass der Klimawandel eine reale Bedrohung darstellt, ist weitgehend Konsens, wie schnell er voranschreitet und was dagegen getan werden sollte, dagegen nicht. Die Bank of England hätte gut daran getan, nicht nur den wissenschaftlichen Mainstream, sondern unterschiedliche Grundannahmen für ihre Szenarien zu verwenden, wenn sie die von ihr regulierten Firmen schon 30 Jahre in die Zukunft blicken lassen will. Stattdessen hat sie für ihren Klimastresstest lediglich unterschiedliche Handlungsoptionen auf Grundlage der gleichen Grundannahmen entwickelt: frühes Handeln, spätes Handeln und Nichthandeln im Angesicht einer im Sauseschritt nahenden Katastrophe. Im Rahmen ihres Climate Biennial Exploratory Scenario (CBES) definiert sie zwei Schlüsselrisiken: Das „Übergangsrisiko“ umfasst die Risiken, die sich aus dem wesentlichen Strukturwandel ergeben, der für den Wechsel zu einer Nullemissionswirtschaft erforderlich ist. Was würde etwa aus den Assets der Zementbranche? Werden Ölkonzerne ihre Anlagen überhaupt noch betreiben dürfen?

Unter „physische Risiken“ werden im CBES die Risiken zusammengefasst, die sich aus dem weltweiten Temperaturanstieg ergeben – steigende Meeresspiegel, höhere Niederschlagsmengen und die Gefahr von Extremwetterlagen. Wie immer bei Computermodellen ist zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse stark von der Qualität der Grundannahmen und der eingegebenen Daten abhängen. Bei der Zusammenführung von Klimawissenschaft und Ökonomie hakt es am meisten. Einen Anstieg des Preises für CO2-Verschmutzungsrechte auf bis zu 900 Dollar die Tonne zu unterstellen, selbst wenn frühe Maßnahmen für den Übergang zur Nullemissionswirtschaft ergriffen werden, ist fragwürdig. Derzeit liegt er im europäischen Emissionshandel bei um die 60 Euro, in den Vereinigten Staaten bei ein paar Dollar. Es gibt wohl kaum eine Regierung, die tatenlos zusehen würde, wenn der von ihr verordnete Emissionshandel zu einem derartigen Angebotsschock führen würde, wie ihn ein rasanter Anstieg des CO2-Preises nach sich zöge. Ebenso zweifelhaft ist die Annahme, dass die Preise für fossile Brennstoffe sinken werden, wenn aufgrund von Fortschritten auf dem Weg zur Nullemissionswirtschaft die Nachfrage sinkt, denn es ist auch eine Frage des Angebots – und die großen Öl- und Gasgesellschaften hatten zuletzt wenig Anreiz, neue Vorhaben zu entwickeln.

„Wenn es das Ziel war, den Leuten in der Branche, die sich mit solchen Szenarien auseinandersetzen müssen, den Eindruck zu vermitteln, dass es richtig schlimm werden kann, dann hat man es erreicht“, sagte der Chef einer britischen Bank der Börsen-Zeitung. „Es wird dazu beitragen, dass man sich auf das Thema konzentriert.“

Auf die Kapitalanforderungen wird sich das Ergebnis des Stresstests zum Glück nicht auswirken. Allerdings könnten sich Finanzstabilitätskomitee und Bankenaufsicht künftig daran orientieren. Sollte es dazu kommen, stellt sich die Frage, ob es Aufgabe von Notenbank und Bankenaufsicht ist, die Welt zu retten. Maßnahmen gegen den Klimawandel bedürfen breiter Zustimmung in der Bevölkerung, denn die Kosten müssen von ihr getragen werden.