M&A

Wiederkehr des Nationalen

Nationale Sicherheitsinteressen werden bei Übernahmen in Großbritannien zunehmend zum Thema, zuletzt bei der Offerte von Advent für Ultra Electronics. Finanzinvestoren müssen sich warm anziehen.

Wiederkehr des Nationalen

Nadine Cobham hat sich lange gegen den Erwerb des von ihrem Schwiegervater, dem britischen Luftfahrtpionier Alan Cobham, gegründeten Unternehmens durch den US-Finanzinvestor Advent International gestemmt. Die 4 Mrd. Pfund schwere Transaktion wurde im Januar 2020 abgeschlossen. Seitdem hat sich die Welt grundlegend verändert. War man zu den Hochzeiten des Globalismus der Meinung, sich nur noch gegen nichtstaatliche Akteure wie Al Kaida verteidigen zu müssen, ist heute bei Übernahmen wieder häufiger von nationalen Sicherheitsinteressen die Rede. Das gilt auch für das vergleichsweise liberale Großbritannien. Advent streckt derzeit erneut die Hand nach einem Unternehmen aus, das für das Militär von Bedeutung ist: Ultra Electronics. Die Private-Equity-Gesellschaft will es mit den Überresten von Cobham zusammenrühren.

Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng hat die Wettbewerbsbehörde CMA angewiesen, die Auswirkungen des 2,6 Mrd. Pfund schweren Deals auf die Landessicherheit zu prüfen. Offenbar setzt sich die Einsicht durch, dass die Betankung von strategischen Bombern in der Luft oder die Sicherheit der Atom-U-Bootflotte einen anderen Stellenwert haben als die Angebotsvielfalt bei Handyverträgen oder die Joghurt-Auswahl in den Kühlregalen des Einzelhandels. Die Technologie von Cobham verschaffte der Royal Air Force im Falkland-Krieg die nötige Reichweite. Solche Dinge überlässt man ungern dem Markt, auch wenn etwas mehr Wettbewerb bei der Beschaffung von Rüstungsgütern nicht schaden könnte. Interessant ist die Rhetorik. Heutzutage werden nicht mehr nur Kommunisten und Sozialisten als vaterlandslose Gesellen verunglimpft. Boris Johnsons Vorgängerin Theresa May machte den Anfang, als sie den Mitgliedern der globalen Finanzelite vorwarf, „Bürger von Nirgendwo“ zu sein. Mittlerweile ist es en vogue, nationale Interessen geltend zu machen. Wer für seine Geschäfte Briefkastenfirmen in gleich mehreren Steueroasen dieser Welt benötigt, wird sich warm anziehen müssen.

Aber was geschah eigentlich nach der Übernahme von Cobham durch Advent, außer dass dem Unternehmen hohe Schulden aufgeladen wurden? Die Familie und führende Manager hatten vor der Zerschlagung der Firma gewarnt, doch die Aktionäre segneten die Übernahme ab. Die Regierung winkte den Deal durch. Und Advent tat genau das, was man von einem Finanzinvestor erwartet, der nicht für unbegrenzte Zeit an seinen Portfoliounternehmen festhalten will. Die Geschäfte eines Unternehmens sind bekanntermaßen für sich allein betrachtet oft mehr wert als das Ganze. Cobhams breit gefächertes Angebot reichte von Antennensystemen bis zur Pilotenausbildung. Interessenten für so eine Firma zu finden, ist ungleich schwieriger, als sie in Einzelteilen zu veräußern. Binnen weniger Monate verkaufte Advent große Teile des Unternehmens. Axell Wireless ging an den Sanierer Rcapital, das Pilotentraining an Draken International. Der US-Luftfahrtzulieferer Transdigm nahm sich des Antennengeschäfts an. Eaton Corp. erwarb die Technologie zur Betankung von Flugzeugen in der Luft. Was von Cobham übrig blieb, hat in Großbritannien keine Produktionsstandorte mehr. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet, war das alles sinnvoll. Advent investierte auch ins Geschäft. Aus der Perspektive des Finanzinvestors ist es nun attraktiv, aus der verbliebenen Cobham Advanced Electronic Solutions und dem 2015 von Ultra erworbenen Rivalen Herley Industries einen Militärelektronikchampion zu schmieden. Auch Ultra verfügt über ein relativ breites Angebot. Man sollte also nicht erwarten, dass das Unternehmen in dieser Form erhalten bleibt.

Die Cobham-Sparten gingen in die Vereinigten Staaten, also an einen Verbündeten. Dort wurde ohnehin das meiste Geschäft gemacht. Schwieriger wird es, wenn M&A-Transaktionen möglichen Gegnern Zugang zu kritischen Technologien verschaffen, insbesondere wenn sie nicht ausschließlich militärischen Zwecken dienen. Kwarteng schritt diese Woche bei der möglichen Übernahme des Graphen-Herstellers Perpetuus durch einen chinesischen Mitarbeiter ein. Johnsons Nationaler Sicherheitsberater prüft derzeit, ob die Tochter eines chinesischen Smartphone-Auftragsherstellers die Kontrolle über ein ehemaliges Infineon-Werk in Südwales erhalten sollte. Finanzinvestoren sind für Politiker vergleichsweise weiche Ziele. Multinationale Konzerne werden schwerer davon zu überzeugen sein, sich nicht über nationale Interessen hinwegzusetzen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.