Jetzt kassiert der Fiskus beim Luxemburger Amundi-ETF
Jetzt kassiert der Fiskus
Die Verschmelzung des Luxemburger Amundi MSCI World ETF auf den irischen ETF wird steuerlich wie ein Verkauf gewertet
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Die Fusion eines luxemburgischen mit einem irischen Amundi-ETF wird vom deutschen Fiskus als Verkauf gewertet. Folglich sind Veräußerungsgewinne zu versteuern, selbst wenn ein betroffener Anleger überhaupt nichts macht. Irland ist als Fondsstandort durch eine niedrigere US-Quellensteuer bei US-Aktien im Vorteil.
Manch ein Anleger hat vor wenigen Tagen völlig überraschend eine Mitteilung von seiner Bank erhalten. Darin steht dann, dass der ETF Amundi MSCI World V Ucits ETF Acc (ISIN: LU1781541179) mit dem Amundi MSCI World Ucits ETF Acc (ISIN: IE000BI8OT95) zusammengelegt wird. „Konkret bedeutet das für Sie: Haben Sie die Anteile zum 21.02.2025 noch im Depot, werden sie automatisch in Anteile des neuen Fonds umgetauscht“, teilt zum Beispiel die ING ihren Kunden mit. „Die Fondsgesellschaft hat uns noch nicht mitgeteilt, welche steuerliche Auswirkungen die Verschmelzung hat. Wir wissen also noch nicht, ob dabei Steuern berechnet werden oder das steuerfrei abgerechnet wird.“
Total gängiges Produkt
Da erwirbt ein Privatanleger in Form eines ETF auf den MSCI World ein total gängiges Produkt, und dann so etwas. Denn die steuerlichen Auswirkungen dieser Verschmelzung sind beträchtlich. Amundi legt nämlich ihren rund 7 Mrd. Dollar schweren Luxemburger ETF auf den MSCI World (bei diesem ETF steht zu Beginn der ISIN LU für Luxemburg) mit dem rund 3,7 Mrd. Dollar schweren irischen ETF auf den MSCI World (mit IE zu Beginn der ISIN) zusammen, wobei der irische ETF das aufnehmende Produkt ist. Beide ETFs sind übrigens auf denselben Index und weisen mit 12 Basispunkten gleich hohe laufende Kosten auf.
Doch handelt es sich dabei um eine grenzüberschreitende Fondsfusion. Und diese wird vom deutschen Fiskus steuerlich wie ein Verkauf gewertet. Folglich muss ein deutscher Privatanleger die Gewinne aus seinem ETF versteuern, ohne dass er etwas unternimmt, allein weil sein Luxemburger ETF auf einen nahezu identischen irischen ETF übertragen wird. Und größere Gewinne dürften durchaus bei einigen Anlegern angefallen sein, hat doch der Luxemburger MSCI World ETF seit seiner Auflegung 2018 um rund 140% zugelegt.
Auch Bankberater und Steuerberater können in diesem Fall dem Anleger nicht helfen. Denn der Steuerpflicht kann er nicht entrinnen. Würde der Anleger jetzt seinen Luxemburger ETF verkaufen, müsste er auch seine aufgelaufenen Gewinne versteuern. Darüber hinaus würden bei einem Verkauf und neuerlichen Ankauf Transaktionskosten fällig. Hingegen werden bei der Fondsfusion für den Anleger keine Kosten fällig, denn die Kosten der Fusion trägt Amundi.
Da ein Aktienfonds vorliegt, muss ein Anleger allerdings nur 70% seiner Veräußerungsgewinne versteuern. Zudem kann er seinen Sparerfreibetrag von 1.000 Euro bei Alleinstehenden und 2.000 Euro bei zusammen veranlagten Ehepaaren nutzen und einen entsprechenden Freistellungsauftrag erteilen. Auf Gewinne, die unter Einberechnung der Vorabpauschale auf Fonds den Freistellungsauftrag übersteigen, wird dann aber die Abgeltungsteuer fällig. Diese beträgt 25% plus 5,5% Soli, also 26,375%. Wer der Kirche angehört, muss dank Kirchensteuer noch eine höhere Abgeltungsteuer zahlen.
Die Krux daran ist, dass die Steuer nach der Zusammenlegung der ETFs direkt dem Verrechnungskonto belastet wird. Wer keine entsprechende Deckung auf dem Konto hat, muss überziehen und hohe Sollzinsen zahlen.
Wie Thomas Wiedenmann, Leiter ETF, Indexing & Smart Beta Sales Deutschland, Österreich und Osteuropa bei Amundi erläutert, stellt die US-Quellensteuer den Grund für die Fusion der beiden physisch abbildenden Aktienfonds dar. Denn Irland habe ein vorteilhafteres Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA als Luxemburg oder Deutschland. Folglich müssen in Irland aufgelegte Fonds nur 15% Quellensteuer auf Dividenden von US-Aktien entrichten und nicht 30% wie Luxemburger Fonds. Und der MSCI World setzt sich nun einmal aktuell zu 74% aus US-Titeln zusammen.
„Wettbewerbsintensives Umfeld“
„Bei ETFs haben wir ein sehr wettbewerbsintensives Umfeld. Über Irland aufgelegte physische ETFs auf den MSCI World erzielen für deren Anleger eine um mehrere Basispunkte höhere Performance als in Luxemburg oder in Deutschland aufgelegte Produkte. Das ist längerfristig schon signifikant“, erklärt Wiedenmann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Derzeit planen wir keine großvolumigen länderüberschreitenden Zusammenlegungen in Richtung Irland. Aber die Welt dreht sich, und wir wollen unsere Kunden immer den besten ETF anbieten.“ Auch sei der MSCI World ETF der einzige ETF, den Amundi aktuell grenzüberschreitend fusioniert.
Aufgrund des Vorteils der niedrigen US-Quellensteuer legen inzwischen alle großen ETF-Anbieter ihre physisch replizierenden Aktien-ETFs über Irland auf, sofern diese US-Aktien enthalten. Bei europäischen Aktien gilt der Standort der Auflegung des ETFs als unerheblich. Ein Sprecher von Xtrackers, der ETF-Marke der DWS, erklärte auf Anfrage, dass Xtrackers aufgrund der US-Quellensteuer immer schon ETFs mit einem hohen Anteil von US-Aktien über Irland aufgelegt habe. Vor diesem Hintergrund seien bei Xtrackers keine steuerlich nachteiligen grenzüberschreitenden Fondsfusionen geplant. Auch Blackrock legt inzwischen ETFs mit hohem Anteil an US-Aktien über Irland auf.
Anleger können über die ISIN leicht erkennen, ob ein auch in US-Aktien investierender ETF in Irland aufgelegt ist oder nicht. Die Gefahr einer grenzüberschreitenden Fondsfusion dürfte bei irländischen Aktien-ETFs eher gering sein. Bei Luxemburger-Aktien-ETFs, wenn sie denn in US-Titel investieren, ist diese Gefahr durchaus gegeben.
Grenzüberschreitende Fondsfusionen sind nicht allzu häufig, aber es gibt sie. „Zur Zahl der grenzüberschreitenden Fondsfusionen haben wir kein vollständiges Datenbild, da nicht alle Fondsgesellschaften entsprechende Fälle melden“, erklärt ein Sprecher des deutschen Fondsverbands BVI. „Nach unseren Daten sind rund 10% der Fondsfusionen grenzüberschreitend; also etwa 40 der 400 Zusammenlegungen von Fonds im Zeitraum von 2018 bis 2024 – und das angesichts von schätzungsweise 13.000 Publikumsfonds, die in Deutschland zum Vertrieb zugelassen sind.“