Bankmanager hinterlassen Scherbenhaufen
Von Alex Wehnert, New York
Mit halsbrecherischem Tempo hat Greg Becker das Wachstum der Silicon Valley Bank in den vergangenen Jahren vorangetrieben, nun hinterlässt er einen Scherbenhaufen. Der 55-Jährige amtierte seit 2011 als CEO und führte das Geldhaus unter die 20 größten Finanzinstitute der USA. Ihren Aufstieg hatte die Silicon Valley Bank (SVB Financial) laut Insidern und Analysten vor allem der Risikofreude Beckers und seiner Führungsmannschaft zu verdanken.
Kurz nach den Verwerfungen der Finanzkrise gewann SVB Financial zahlreiche illiquide aufgestellte Start-ups als Kunden. Mitunter bot sie in den Folgejahren höhere Zinsen auf Einlagen als größere Konkurrenten und lockte finanzierungsbedürftige Unternehmen mit loseren Kreditvergabestandards. Die Manager sollen junge Tech-Firmen zudem angehalten haben, SVB Financial als exklusiven Banking-Anbieter zu nutzen.
Lange ohne Risikomanager
Somit entstand ein Konzentrationsrisiko. Auch nachdem die Federal Reserve im Frühjahr 2022 auf eine restriktivere Geldpolitik einschränkte, sollen Becker, CFO Daniel Beck und Präsident Michael Descheneaux unbeirrt an ihrer Strategie festgehalten haben. Einen hochrangigen, auf die Risikokontrolle spezialisierten Manager gab es bei SVB Financial über lange Strecken des vergangenen Jahres nicht mehr: Chief Risk Officer Laura Izurieta trat im April zurück und war formell noch bis Oktober bei der Bank beschäftigt, ihre Nachfolgerin Kim Olson wurde erst im Januar ernannt. Bekannt wurde die lange Vakanz erst durch Anfang März bei den Behörden eingereichte Dokumente.
Unterdessen löste SVB Financial laut Finanzbericht im vergangenen Jahr Zins-Hedges auf Wertpapiere im Volumen von 14 Mrd. Dollar auf oder ließ diese auslaufen. Gerade die restriktive Geldpolitik und die damit einhergehende Liquiditätsverknappung im Markt führten aber dazu, dass zahlreiche SVB-Kunden ihre Einlagen abzogen. Um dies auszugleichen, musste die Bank Treasuries und andere Regierungsanleihen abstoßen, die infolge der Zinsanstiege inzwischen aber stark an Wert verloren hatten. Die verlustreichen Verkäufe alarmierten Kunden, es kam zu einem Bank Run – schließlich musste Ende der vergangenen Woche der staatliche Einlagensicherungsfonds FDIC eingreifen, womit der größte Bankenzusammenbruch in den USA seit 2008 feststand.
Für besonderen Ärger sorgt bei Investoren, dass Becker zwei Wochen bevor die SVB-Krise ihren Lauf nahm, ein Aktienpaket im Volumen von 3,6 Mill. Dollar verkaufte. Auch zahlte die Bank kurz vor ihrem Zusammenbruch wohl noch Leistungsprämien an Mitarbeiter aus.
Die ebenfalls kollabierte Signature Bank trieb unter dem langjährigen CEO und Mitgründer Joseph DePaolo, dessen Ablösung das Institut Mitte Februar verkündete, ebenfalls eine Expansion in einem vermeintlichen Wachstumsfeld voran: dem Kryptomarkt. Das Finanzinstitut lancierte ein Blockchain-basiertes Payment-System und startete ein Verwahrangebot für Stablecoin-Dienstleister. Auch die im November zusammengebrochene Digital-Assets-Börse FTX unterhielt bei Signature Konten.
Nach Überzeugung von Verwaltungsratsmitglied Barney Frank nahmen US-Regulatoren die Bank aufgrund ihres Krypto-Angebots ins Visier. Als die FDIC bei Signature die Kontrolle übernommen habe, sei die Lage bereits wieder stabil gewesen. Die New Yorker Finanzdienstleistungsaufsicht widersprach: Die Bank habe keine verlässlichen und einheitlichen Daten bereitgestellt, wodurch „eine signifikante Vertrauenskrise in die Führung“ entstanden sei. Pikant: Signature-Direktor Frank war als Mitglied des US-Repräsentantenhauses Co-Autor des Dodd-Frank Act – der eine Marktstabilisierung und stärkere Bankenregulierung nach der Finanzkrise 2008 zum Ziel hatte.