US-Bankenaufsicht

Fed-Vize Michael Barr wirft vor regulatorischem Umbruch hin

Michael Barr hat seinen Rücktritt vom Posten des Fed-Vizechefs angekündigt. Der Notenbanker geht damit einem Konflikt mit der Trump-Regierung aus dem Weg.

Fed-Vize Michael Barr wirft vor regulatorischem Umbruch hin

Fed-Vize Barr wirft vor regulatorischem Umbruch hin

Von Alex Wehnert, New York

Amerikas führender Bankenkontrolleur nimmt vor Rechtsstreitigkeiten mit der neuen US-Regierung Reißaus. Der für Aufsicht zuständige stellvertretende Vorsitzende der Federal Reserve, Michael Barr, hat angekündigt, sich Ende Februar von seinem Posten zurückziehen und lediglich noch einen Sitz im Gouverneursrat der Notenbank einnehmen zu wollen. Zuletzt spekulierten Beobachter in Washington bereits, dass der designierte US-Präsident Donald Trump versuchen könnte, Barr seines Amtes zu entheben, und der Regulator klagen würde, um seine Entlassung zu verhindern.

Bankenkollaps weckt Zweifel

Barr war im Zuge der Regionalbankenkrise in den Vereinigten Staaten 2023 in die Kritik geraten. Damals kam es mit dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB), der Signature Bank und der First Republic Bank in kurzer Folge zu drei der vier größten Zusammenbrüche von Finanzinstituten in der amerikanischen Geschichte. Das Finanzdienstleistungskomitee im US-Repräsentantenhaus äußerte damals erhebliche Zweifel daran, dass die Fed, der Einlagensicherungsfonds FDIC und das Finanzministerium ausreichend für einen Bank Run vorausgeplant hätten.

Barr räumte zwar ein, dass „wir nicht genug getan haben“, verteidigte zugleich aber das Vorgehen im Zuge des Zusammenbruchs der SVB. Das Geldhaus war nach einem Einlagenrückgang zu verlustreichen Wertpapierverkäufen gezwungen, die Ankündigung einer Kapitalerhöhung löste bei Kunden Panik aus. Das Finanzministerium, die Fed und die FDIC versuchten die Lage durch Garantien von Bankeinlagen und die Schaffung neuer Notfallkreditprogramme zu beruhigen. Dennoch gerieten die Aktienkurse einiger weiterer Geldhäuser unter Druck.

Scharfe Kritik aus der Branche

Barr setzte sich daraufhin für eine härtere Regulierung im Sektor ein. Im Rahmen der Umsetzung des globalen Bankenpakets Basel III in den Vereinigten Staaten wollte er die Mindestanforderungen für das harte Kernkapital (Common Equity Tier 1, CET1) globaler, systemisch wichtiger US-Institute um 20% erhöhen. Damit wären die Aufschläge deutlich höher ausgefallen, als es zum Beispiel die Aufsichtsbehörde EBA für europäische Institute vorsieht. Stimmen aus der Branche warfen Barr und Vertretern der FDIC deshalb vor, sie hätten sich durch die Regionalbankenkrise unter Druck setzen lassen und bereits auf den Weg gebrachte Regeländerungen noch ausgeweitet.

„Die Wettbewerbsfähigkeit des US-Kapitalmarkts wird leiden“, warnte David Solomon, CEO von Goldman Sachs, beispielsweise bei einer Senatsanhörung im vergangenen Dezember. Unternehmen würden sich für Finanzierungen künftig wohl verstärkt an europäische Banken wenden. Und das Bank Policy Institute, der Interessenverband der größten US-Geldhäuser, wütete indes, Barrs Pläne seien dazu angetan, die Kreditvergabe einzudämmen und damit die Gesamtkonjunktur zu belasten. Der Fed-Vize ruderte daraufhin im September 2024 zurück: Es seien „umfangreiche und tiefgreifende Änderungen“ an den Entwürfen geboten.

Goldman-Sachs-CEO David Solomon hat sich klar gegen die Pläne der Fed zu höheren Kapitalvorgaben ausgesprochen. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jose Luis Magana.

Nach Barrs jüngsten Ankündigungen sollen die Mindestanforderungen für die CET1-Quoten globaler, systemisch wichtiger US-Institute um 9% steigen. Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 250 Mrd. Dollar könnten nach Barrs Änderungsvorschlägen indes fast aus dem Schneider sein. Auf sie käme lediglich die Verpflichtung zu, nicht realisierte Gewinne und Verluste aus ihren Wertpapierportfolios in die Berechnung ihrer Eigenkapitalquoten einzubeziehen.

Der neuen Regierung in Washington sind auch diese Vorgaben noch zu aggressiv. Bereits in den vergangenen Monaten waren deshalb Fragen aufgekommen, ob Trump die rechtlichen Befugnisse besitzt, Barr und den Fed-Vorsitzenden Jerome Powell zu entlassen – beide verneinten dies. Nun schafft der Vize-Chef der Notenbank mit seinem Rücktritt Tatsachen. Dass Powell ihm folgen wird, gilt indes als unwahrscheinlich. „Es wäre nicht das erste Mal, dass der Prinz für den König geopfert wird“, sagte ein Wall-Street-Insider zuletzt gegenüber der Börsen-Zeitung und bezog sich dabei darauf, dass sich die öffentliche Kritik stark auf Barr eingeschossen habe.

Regulierung in der Schwebe

Der Posten des Fed-Vizevorsitzenden für Bankenaufsicht wurde nach der Finanzkrise 2008 geschaffen. Ein Streit um seinen Posten „könnte von unserer Mission ablenken“, teilte Barr nun mit. „Im aktuellen Umfeld kann ich dem amerikanischen Volk in meiner Rolle als Gouverneur besser dienen“, betonte der Jurist, der an der University of Michigan Recht und Staatswissenschaft lehrt und in der Regierungszeit Barack Obamas Untersekretär im US-Finanzministerium war.

Die Fed will nun keine tiefgreifenden Entscheidungen zur Bankregulierung treffen, bis ein Nachfolger für Barr gefunden ist. Diesen kann Trump nur aus dem Kreis der aktuellen Fed-Gouverneure nominieren. Für den neuen Präsidenten öffnet sich die nächste Gelegenheit, einen eigenen Kandidaten für den elitären Notenbankzirkel zu nominieren, laut Plan erst im Januar 2026. Dann läuft die Amtszeit von Gouverneurin Adriana Kugler aus.

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