Ottobock verschiebt Börsengang und sucht CEO
Von Carsten Steevens, Hamburg
Der Prothesenhersteller Ottobock schiebt vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der Schwankungen am Kapitalmarkt den zuletzt für das zweite Halbjahr im Raum stehenden Börsengang auf und richtet sich mit Umbesetzungen im Management verstärkt auf die operative Entwicklung des Unternehmens aus. Wenige Stunden nach Bekanntgabe des Abschieds von der erst seit September vorigen Jahres amtierenden Finanzchefin Kathrin Dahnke (61) informierte das familiendominierte Medizintechnikunternehmen aus Duderstadt am späten Mittwochabend auch über die Trennung von Philipp Schulte-Noelle (45). Der Sohn des früheren Allianz-Chefs Henning Schulte-Noelle war im August 2018 als Finanzchef zu Ottobock gekommen und hatte wenige Monate später den Posten des CEO übernommen.
„Nicht erstrebenswert“
Das Ausscheiden der beiden Geschäftsleitungsmitglieder steht im Zusammenhang mit einer Refokussierung von Ottobock infolge verschlechterter Aussichten für einen erfolgreichen Börsengang in den kommenden Monaten. Grundsätzlich halte man am Ziel eines möglichen Börsengangs fest, erklärte Prof. Hans Georg Näder, Mehrheitseigentümer und Verwaltungsratsvorsitzender des Unternehmens, in einer Mitteilung. „Aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage und des davon beeinflussten Kapitalmarktumfeldes ist ein Börsengang aber für uns bis auf Weiteres nicht erstrebenswert“, hieß es weiter. Die Kursentwicklung bei anderen Medizintechnikunternehmen ließ zuletzt darauf schließen, dass Ottobock eine anvisierte Bewertung von 5 Mrd. Euro bis 6 Mrd. Euro unter den aktuellen Umständen absehbar nicht erreichen wird.
Man werde den Fokus „noch konsequenter auf das operative Geschäft, die starke Kundennachfrage und die nachhaltige Steigerung unseres erfolgreichen Wachstums setzen“, erklärte Näder. Ein Nachfolger für Schulte-Noelle als CEO wird noch gesucht. Bis dahin übernimmt Vertriebschef Oliver Jakobi (53), seit drei Jahrzehnten bei Ottobock und seit 2020 Chief Sales Officer, auch die Aufgaben an der Spitze der vierköpfigen Geschäftsleitung. Zum neuen Finanzchef hatte das Unternehmen zuvor Arne Kreitz berufen. Der 42-Jährige gehört seit 2018 der erweiterten Geschäftsführung an, verantwortlich für die Strategie und für Transaktionen (M&A).
Die Trennung von Schulte-Noelle wurde „im Einvernehmen“ vereinbart. Unter seiner Führung habe Ottobock „entscheidende Schritte vom Hidden Champion hin zum kapitalmarktfähigen Unternehmen erfolgreich umgesetzt“, so Näder. Der frühere Finanzvorstand von Fresenius Kabi sowie die bisherige Ottobock-Finanzchefin Dahnke, die vor ihrem Antritt im vorigen Sommer für den nach einer Übernahme von der Börse genommenen Münchner Lichtspezialisten Osram tätig war, hatten zuletzt an der Börsenreife von Ottobock gearbeitet. Noch in der vergangenen Woche war Dahnke im „Handelsblatt“ mit der Aussage zitiert worden, mit den Planungen für einen Börsengang „auf Kurs“ zu sein. Erstmals hatte das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2021 einen Jahresabschluss auf Basis des internationalen IFRS-Bilanzierungsstandards erstellt und damit eine wesentliche Voraussetzung für den Gang an den Kapitalmarkt erfüllt.
Der schwedische Finanzinvestor EQT, der 2017 einen Anteil von 20% an dem 1919 gegründeten Prothesenhersteller übernommen hatte, muss mit der Aufschiebung des Börsengangs länger auf seinen Ausstieg warten, steht aber auch hinter der aktuellen Ausrichtung von Ottobock. „Mit den personellen Veränderungen schaffen wir jetzt die Voraussetzungen, um auch für die nächste Phase bei Wachstum und Operational Excellence optimal aufgestellt zu sein“, erklärte Marcus Brennecke, Global Co-Head Private Equity bei EQT und Mitglied im Ottobock-Verwaltungsrat.