IR-Chef Woller tritt beim Investor-Relations-Verband ab
VW-IR-Chef tritt beim Investor-Relations-Verband ab
Von Carsten Steevens, Hamburg
Die Stimmung in der Autoindustrie ist düster, gerade auch in Wolfsburg. Der Fahrzeugabsatz lahmt, die Umsatzerlöse bröckeln. Volkswagen tritt zur Stabilisierung und Verbesserung der Profitabilität auf die Kostenbremse. Nach Gewinnwarnungen in diesem Jahr stehen inzwischen auch betriebsbedingte Kündigungen im Raum, ebenso die erstmalige Schließung von Werken in Deutschland. Bereits beschlossene Sparmaßnahmen betreffen auch die Kapitalmarktkommunikation.
„Wir vollziehen im Rahmen des Kostenprogramms in der Zentrale eine interne Umstrukturierung“, sagt Rolf Woller, Leiter Treasury und Investor Relations (IR), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Treasury-Bereich inklusive IR wird sich demnach bis 2026 von 150 auf etwa 120 Mitarbeiter verkleinern. Dass das IR-Team einen zusätzlichen Aufgabenbereich erhalten hat und künftig anstelle des Bereichs Finanzpublizität für die Hauptversammlungen des Konzerns zuständig ist, hat nur einen optischen Effekt. Es sind fünf Mitarbeiter zum IR-Bereich gewechselt. Woller unterstreicht die Logik hinter der Verschiebung: „Hauptversammlungen mit dem Austausch zwischen Management und Anteilseignern sind ureigenes IR-Metier.“ Sein IR-Team mit sechs Sprechern sieht er im Vergleich mit anderen Dax-Unternehmen “gut aufgestellt".
Rückzug aus DIRK-Vorstand
Die schwierige Lage für die Autoindustrie und für VW mitten im technologischen Umbruch hat auch für den 51-Jährigen Konsequenzen. Sein Mandat als Mitglied im Vorstand und als Vizepräsident des Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK) gibt Woller anlässlich der am Donnerstag und Freitag anstehenden Mitgliederversammlung in Frankfurt und Seeheim-Jugenheim ab. „Ich stelle mich nicht zur Wiederwahl in den DIRK-Vorstand, weil ich auf dem Standpunkt stehe, Sachen lieber ganz oder gar nicht zu machen." Die Aufgaben im Treasury- und IR-Bereich bei Volkswagen ließen gegenwärtig zeitlich kaum Raum, um ein Vorstandsmandat wie das beim DIRK weiterhin voll auszufüllen. „Ich stoße da an Kapazitätsgrenzen.“
Auf dem Posten in Wolfsburg ist der gebürtige Mainzer seit Dezember 2021. Damals bündelte Volkswagen die Konzernbereiche Treasury und IR mit dem Ziel, die Bank- und Kapitalmarktbeziehungen durch die Steuerung aus einer Hand zu stärken. Bei seiner vorherigen Station Traton war Woller bereits für beide Bereiche zuständig. Bei der VW-Nutzfahrzeugholding musste der Treasury-Bereich im Zuge des Börsengangs im Juni 2019 neu aufgebaut werden. "Der damalige Traton-Chef Andreas Rentschler, Finanzvorstand Christian Schulz und ich waren uns relativ schnell einig, die Leitung von IR und Treasury in eine Hand zu legen, wenn es die Gelegenheit dazu gibt.“
Gebündelte Aufgaben
Die Bündelung sei sinnvoll, weil man in den Bereichen unterschiedlichen Marktakteuren wie Aktien- und Anleiheinvestoren, Analysten sowie Banken und Ratingagenturen mit Informationen und Botschaften begegne, die für alle inhaltlich konsistent sein müssen, sagt Woller, der von 2007 bis 2018 für den Autozulieferer Continental in verschiedenen Funktionen des IR-Bereichs tätig war. Volkswagen begleiten bei Banken und Analysehäusern etwa 40 auf den Automobilsektor spezialisierte Sell-Side-Analysten sowie − auf der Investorenseite gespiegelt − Buy-Side-Analysten. Zudem steht der Fahrzeugbauer mit im Schnitt mindestens 75 Investorengruppen in Kontakt, mit mehr als 40 Banken, die in den syndizierten Kreditlinien des Dax-Unternehmens engagiert sind, sowie mit etwa 80 Banken weltweit. Regelmäßige Gespräche, fügt Woller hinzu, führe man auch mit den drei großen Kredit-Ratingagenturen sowie Nachhaltigkeitsratingagenturen.
Zur aktuellen Lage sagt Woller, es sei für VW ungewöhnlich, drei Änderungen des Ausblicks innerhalb eines Geschäftsjahres bekanntzugeben und Investoren und Analysten „bei der Stange zu halten“. Es komme in schwierigen Phasen schnell zu dem Reflex, in der Kommunikation mit dem Kapitalmarkt zu warten, bis man etwas Besseres zu verkünden könne. „Mein Grundsatz ist aber: Eine schlechte Nachricht wird nicht dadurch besser, dass sie nicht erzählt wird.“ IR erfordere kontinuierliche, zeitnahe Kommunikation. „Investoren sollen darauf vertrauen können, dass das, was man als Unternehmen macht, Hand und Fuß hat.“ Im letzten halben Jahr sei es zu so vielen Investorenkontakten wie lange nicht gekommen.
Solide Basis
„Gerade in schwierigeren Zeiten ist Kommunikation mit den wichtigsten Stakeholdern unabdingbar“, unterstreicht Woller, der sich zuversichtlich gibt. „Das Gute ist ja, wir wissen, was zu tun ist.“ Volkswagen befinde sich in der komfortablen Situation, auf einer soliden finanziellen Basis aufsetzen zu können und bereits viele wichtige strategische Entscheidungen getroffen zu haben, die sich in zwei bis drei Jahren auszahlen würden. "Wir haben das Heft des Handelns nach wie vor selber in der Hand, das ist motivierend.“
Zugleich weiß Woller, dass es, um Marktakteuren nützliche Informationen zu bieten, unangenehme Fragen mit dem Managament zu diskutieren gilt. „Unternehmensmeinungen sind nicht immer Investorenmeinungen.“
Werben um Verständnis
Zum Aufgabenspektrum im IR-Bereich, das sich in den vergangenen Jahr gewandelt habe, sagt er, früher habe es „vereinfacht gesagt“ gereicht, nur die Equity-Story zu erzählen. Dabei sei es noch nicht mal darauf angekommen, ob es eine gute ist. Heute sei die IR-Arbeit, bei der es auch darum gehe, das Management bei der Positionierung des Unternehmens am Kapitalmarkt zu beraten, viel strategischer. „Wir müssen als ein großer börsennotierter Autohersteller heute viel stärker um Verständnis dafür werben, dass sich Effekte aus Strategiewechseln, aus größeren Modellprojekten, aus der Umstellung von Produktlinien oder aus großen Investitionen in Softwarearchitekturen möglicherweise erst nach einigen Jahren in Finanzzahlen oder Dividenden zeigen werden“, erklärt Woller.
Anlagehorizonte von Investoren hätten sich verkürzt, von früher drei bis fünf Jahren auf inzwischen 12 bis 18 Monate. Zugleich werde auf neue Informationen von Unternehmen infolge des technischen Fortschritts viel schneller reagiert. „Trading Bots etwa springen sofort auf jede veröffentlichte Meldung auf und lösen Kursschwankungen aus.“ Diese Schwankungen, so Woller, könnten „schon einmal bis zu 10% Intraday ausmachen, was den Verlust eines Milliardenwerts an der Börse bewirken kann“. Seit Ende vergangenen Jahres hat sich die Marktkapitalisierung von Volkswagen um fast ein Fünftel reduziert.
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