GastbeitragHandelspolitik

Handelsministerium errichtet neue Hürden für den US-Automarkt

Das US-Handelsministerium treibt die Abkoppelung von Russland und China voran. Neue Vorgaben führen dazu, dass Einfuhr und Verkauf von Autohardware und -software aus den beiden Ländern quasi verboten ist.

Handelsministerium errichtet neue Hürden für den US-Automarkt

US-Handelsministerium errichtet
weitere Hürden für den Automarkt

Quasi-Verbot der Einfuhr von Fahrzeug-Hardware und -Software aus China und Russland

Von Daniel Wuhrmann *)

Eine am 16. Januar 2025 im „Federal Register“ der US-Regierung veröffentliche Regelung des zum Handelsministerium gehörenden „Bureau of Industry and Security“ (BIS), die voraussichtlich am 17. März 2025 in Kraft treten wird, hat es in sich. Sie führt zu einem Quasi-Verbot der Einfuhr und des Verkaufs von aus China oder Russland stammender oder mit diesen Ländern in Verbindung stehender Automobilhardware und -software.

Konkret geht es um die Einfuhr von Vehicle Connectivity System Hardware (VCS) und von Fahrzeugen, die solche Hardware enthalten, sowie um die Einfuhr und den Verkauf von vernetzten Fahrzeugen, die von den Regelungen abgedeckte VCS- und/oder Automated Driving Systems (ADS)-Software enthalten.

Veränderung der Lieferketten

Die Verbote für Softwaresysteme treten für das Modelljahr 2027 in Kraft, die Verbote für Hardware erst für das Modelljahr 2030 bzw. den 1. Januar 2029, sofern kein Modelljahr angegeben ist. Dieses neue Regelwerk hat das Potenzial, weltweit Automobil- und Fahrzeugtechnologien als solche sowie die Lieferketten erheblich zu verändern und die Abkopplung des US-Automobilsektors von China und Russland zu fördern. Zudem kann sie Automobilhersteller und die damit verbundenen Industrien – auch in Deutschland – vor erhebliche Hürden stellen, was die Einhaltung der neu geschaffenen Vorschriften angeht.

Hintergrund und Ziele

Hintergrund der neuen Regulierung ist die Umsetzung des amerikanischen Information and Communications Technology and Services Program (ICTS), das auf mehreren präsidialen Anweisungen, sogenannten Executive Orders beruht. Diese haben zum Ziel, Strukturen zu schaffen, die die US-Infrastruktur in relevanten, kritischen Bereichen vor ungewollten Ein- und Angriffen schützen. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde beispielsweise im Juni 2024 der Einsatz der Virensoftware Kaspersky in den USA verboten.

Im Automotive-Bereich hat dies in erster Linie mit dem Voranschreiten komplexer Fahrerassistenzsystemen und (teil-)autonomer Fahrzeuge zu tun. Als deren elementare Komponenten kontrollieren VCS und ADS grundlegende mechanische Funktionen von der Zündung bis zur Bremse, aber auch die fahrzeuginterne und -externe Kommunikation sowie die Sensorik. Laut BIS kann die Anfälligkeit von VCS und ADS für ausländische Eingriffe eine latente Bedrohung der Integrität und Sicherheit der US-Verkehrsinfrastruktur sowie der US-Bürger darstellen. Das (angebliche) Ziel der Regelung ist es also, vernetzte Fahrzeuge aus Gründen der nationalen Sicherheit vor einer möglichen chinesischen oder russischen Einflussnahme zu schützen.

Definitionen als Schlüsselfaktor

Wie immer bei rechtlichen Vorschriften ist die Definition der Kernbegriffe von zentraler Bedeutung. Definierte das BIS den Begriff „vernetztes Fahrzeug“ im ursprünglich vorgeschlagenen Regelungstext von September 2024 noch derart weit, dass die meisten Fahrzeugtypen darunterfielen, gilt die endgültige Fassung nun ausschließlich für Personenkraftwagen und Motorräder, die nicht schwerer als 10.000 Pfund sind.

Für Nutzfahrzeuge wie Busse oder Lastkraftwagen kündigte das BIS zukünftige separate Regelungen an. Ausgeschlossen sind (derzeit) Schienenfahrzeuge, unbemannte Luftfahrzeuge und landwirtschaftliche Fahrzeuge.

Als „Hersteller von vernetzten Fahrzeugen“ meint die Vorschrift US-Personen und -Unternehmen, die fertige vernetzte Fahrzeuge in den USA montieren oder herstellen, die diese zum Verkauf in die USA importieren oder die ADS-Software in ein fertiges vernetztes Fahrzeug zum Verkauf in den USA integrieren. Auch ein VCS-Hardware-Importeur kann unter diese Definition fallen, wenn die Hardware bereits in einem vernetzten Fahrzeug installiert ist.

Mikrocontroller und Satellitennavigationsmodule

Die Definition der Personen und Einrichtungen, die die neuen Beschränkungen auslösen können, ist mit „Personen, die im Eigentum, unter der Kontrolle oder der Gerichtsbarkeit oder Weisung eines ausländischen Gegners stehen“ sehr weit gefasst. Man darf insoweit gespannt sein, wie es sich mit (Minderheits-)Beteiligungen von Investoren aus China und Russland verhält. De facto führt diese Definition dazu, dass nahezu alle chinesischen und russischen Fahrzeuge, Fahrzeugteile und Software in den relevanten Bereichen vom US-Markt ferngehalten werden.

Die von der Regelung betroffene VCS-Hardware umfasst (Unter-)Komponenten, die die Funktion von Fahrzeugkonnektivitätssystemen direkt ermöglichen, also z.B. Mikrocontroller oder Satellitennavigationsmodule. Bezeichnenderweise soll die genannte Aufzählung nicht als abschließend verstanden werden. ADS sind in der Vorschrift ausschließlich auf Software ausgerichtet und konzentrieren sich auf fortgeschrittenere Systeme mit autonomen Fähigkeiten, die über simple Fahrassistenzsysteme hinausgehen. „Software für maschinelles Lernen“ ist eingeschlossen, wenn sie Teil des ADS ist, Open-Source-Software jedoch grundsätzlich ausgeschlossen.

Risikoanalysen notwendig

Die europäische Industrie sollte sich umfassend über die neuen Regulierungen informieren und erste Risikoanalysen als Basis für etwaige Folgeentscheidungen durchführen. Allen Marktteilnehmern muss klar sein: Sobald diese Regelung Wirkung entfaltet, wird es zu erheblichen Änderungen in den Lieferketten kommen – und sei es nur durch die nächste Welle an Prüf- und Bewertungsabfragen.

*) Daniel Wuhrmann ist Rechtsanwalt und Head of Mobility von Reuschlaw Legal Consultants.

*) Daniel Wuhrmann ist Rechtsanwalt und Head of Mobility von Reuschlaw Legal Consultants.