ESG-Regulierung

Wie Firmen sich vor Greenwashing-Risiken schützen

Greenwashing stellt ein zunehmendes Risiko dar. Unternehmen sollten ihr Compliance-Management-System entsprechend ausrichten und Werbeaussagen stets auch unter dem ESG-Blickwinkel prüfen und bewerten.

Wie Firmen sich vor Greenwashing-Risiken schützen

Von Christian Ritz und Sebastian Gräler *)

Unbedachte Werbung mit ESG-Konformität und Nachhaltigkeit stellt ein zunehmendes Risiko dar. Unternehmen sollten dem durch die Integration eines ESG-Compliance-Bausteins in ihr bestehendes Compliance-Management-System und einen prozessseitig abgesicherten Umgang mit entsprechenden Aussagen begegnen.

Mit den zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Bemühungen um Klimaschutz und Nachhaltigkeit steigt auch der Druck auf Unternehmen, sich dieser Themen anzunehmen und dies konkret in ihrem Produkt- und Serviceangebot abzubilden. „Klimaneutral“, „umweltfreundlich“, „nachhaltig“ oder „ESG-konform“ – diese oder ähnliche Schlagworte finden sich immer häufiger auf Produkten, in Werbekampagnen oder in Anlageprospekten. Werden die zugrundeliegenden Umstände nicht hinreichend erklärt oder die vorgeblichen Eigenschaften nicht eingehalten, drohen zivilrechtliche und – insbesondere im Finanzsektor – auch strafrechtliche Risiken.

Greenwashing (Grünfärberei) ge­rät zunehmend in den Fokus und beschäftigt Politik, Behörden und Gerichte in Europa und den USA. Diesen Risiken sollten Unternehmen durch die Einführung von ESG-Compliance-Prozessen und einer sorgfältigen Dokumentation in diesem Bereich vorbeugen.

Im Fokus von Behörden

Insbesondere im Finanzsektor gehen aktuell Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden sowohl in Deutschland als auch in den USA verstärkt gegen den Verdacht des Greenwashings vor – einschließlich der Durchsuchung von Geschäftsräumen. Im Fokus der Ermittlungen stehen dabei bisher vor allem Unternehmen und Fonds, die ihren Anlegern gegenüber mit nachhaltigen oder ESG-konformen Investments werben. Sofern diese Angaben nicht der Wahrheit entsprechen oder zumindest irreführend sein können, bestehen erhebliche Haftungs- und Compliance-Risiken bis hin zum Vorwurf des Kapitalanlagebetrugs.

Aber auch in anderen Industriesektoren gibt es mittlerweile mehrere öffentlich bekannt gewordene behördliche und gerichtliche Verfahren wegen des Vorwurfs des Greenwashings. So gehen z. B. in den Niederlanden aktuell Umweltorganisationen gerichtlich gegen eine Fluggesellschaft mit dem Vorwurf angeblichen Greenwashings in ihren Werbekampagnen vor.

Die verstärkte behördliche und gerichtliche Untersuchungsaktivität geht einher mit einer zunehmenden Regulierung durch die Aufsichtsbehörden im Bereich von nachhaltigen Investments und ESG-Compliance. Auf europäischer Ebene sind mit der Offenlegungs-VO aus dem Jahr 2019 und der Taxonomie-VO aus 2020 bereits zwei Regularien zur Einordnung und Information über die Nachhaltigkeit von Investments auf den Weg gebracht worden.

Die Taxonomie-VO führte ein einheitliches Klassifikationssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten ein. Die Offenlegungs-VO hingegen soll durch die Verpflichtung von Finanzmarktteilnehmern zu vorvertraglichen Informationen und laufenden Offenlegungen gegenüber den Anlegern Informationsasymmetrien zwischen Ersteren und Letzteren mit Blick auf Nachhaltigkeitsaspekte verringern.

Hinzu kommt die EU Richtlinie über Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD). Diese Richtlinie soll die Lücken in den bisherigen Vorschriften über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen schließen und ist ein weiterer Schritt zur Sustainable Finance. Sie verlangt von Unternehmen die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten, wobei diese Pflicht zeitlich gestaffelt nach Größe der Unternehmen eintritt.

Durch das Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) zum 1. Januar 2023 werden zudem Aussagen über die LkSG-Konformität und die Nachhaltigkeit von internationalen Lieferketten an Bedeutung gewinnen. Neben den bußgeldbewährten Verpflichtungen des LkSG werden Behörden und mögliche Kläger auch unfundierte Werbeaussagen hierzu in den Blick nehmen.

Auch in den USA reagieren Behörden durch unterschiedliche Maßnahmen verstärkt auf die Thematik des Greenwashings. In den letzten Jahren gab es in den USA einen gestiegenen Kapitalfluss in ESG-bezogene Produkte und Dienstleistungen. Dies hat zur Entstehung einer entsprechenden ESG-orientierten Produktpalette geführt, der jedoch bislang keine detaillierten Trans­parenzanforderungen gegenübergestellt waren. Aus Sicht von Behörden und Klägern besteht das Risiko, dass die von Anbietern publizierten Informationen hinsichtlich ihrer ESG-Konformität von den tatsächlichen Umständen divergieren.

Die US-Börsenaufsicht (SEC) hat bereits im März 2021 eine eigene „Klima und ESG Task Force“ gebildet. Im Juli 2021 wurden die ESG-Empfehlungen zur Best Practice publiziert, im November dann eine Anleitung zu ESG-bezogenen Aktionärsanträgen veröffentlicht. Im März 2022 hat die SEC signalisiert, dass sie Greenwashing zu einer ihrer Prioritäten machen werde. Tatsächlich hat die SEC in diesem Jahr bereits mehrere Verfahren mit dem Vorwurf von angeblichem Greenwashing angestrengt.

Dies zeigt die Notwendigkeit, das Risiko von ESG-bezogenen Offenlegungsverstößen durch interne Kon­trollen und eine sorgfältige Prüfung öffentlicher Aussagen über ESG-bezogene Inhalte zu mindern. Insofern ist der jüngste Fall der SEC als paradigmatisch hervorzuheben.

In diesem Fall erhob die SEC Vorwürfe gegenüber einem US-Finanzdienstleister mit der Begründung, dass dieser angeblich in verschiedenen Erklärungen angegeben habe, dass alle Investitionen eines Fonds einer ESG-Qualitätsprüfung unterzogen worden seien, obwohl dies nicht immer der Fall gewesen sei. Eine bloß fahrlässige Irreführung wurde hier als ausreichend erachtet, um eine Verletzung der maßgeblichen Vorschriften zu begründen.

Klagen zu erwarten

Für Unternehmen ergeben sich aus den neuen oder geplanten Regularien Anhaltspunkte, welche Transparenzanforderungen Behörden an die Werbung mit nachhaltigen Investments/Produkten stellen. Sie bedeuten zudem ein steigendes Risiko, dass mit einer strengeren Regulierung weitere Durchsetzungsmaßnahmen folgen werden.

Dabei besteht das Risiko, dass sich Untersuchungen und Verfahren auch auf Branchen außerhalb des Finanzsektors ausweiten könnten. Die EU-Kommission hat bereits Pläne verlautbaren lassen, durch eine Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) verstärkt gegen Greenwashing als unlautere Geschäftspraktik vorgehen zu wollen.

Bereits jetzt gehen Umwelt- und Verbraucherverbände wie die Deutsche Umwelthilfe in zivilgerichtlichen Verfahren mit dem Vorwurf des Greenwashings gegen Unternehmen vor. Allein das Bekanntwerden solcher Klagen ist oft mit erheblichen Reputationsschäden für die betroffenen Unternehmen verbunden.

Integrierter Ansatz

Unternehmen sollten sich des zunehmenden Risikos bewusst sein, das bei der leichtfertigen Werbung mit ESG- und Nachhaltigkeitsaus­sagen besteht. Zur Abwendung solcher Haftungs- und Reputationsrisiken sollten Unternehmen in ihr Compliance-Management-System einen Baustein zur ESG-Compliance integrieren. Dabei bietet sich ein integrierter Ansatz an, der die ESG-Prozesse in die bestehenden Compliance-Prozesse einfügt.

Zudem sollten entsprechende Geschäftsentscheidungen und Werbeaussagen prozessseitig stets auch unter dem ESG-Blickwinkel geprüft und bewertet werden. Für eine erfolgreiche Verteidigung und den Schutz der Entscheidungsträger ist dabei v. a. auch eine sorgfältige Do­kumentation zu den Hintergründen der beworbenen ESG- und Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens erforderlich. Allein auf dieser Grundlage sollten dann derartige Aussagen gegenüber Kunden oder Investoren getroffen werden.

Unternehmen sollten zudem die aktuellen regulatorischen Entwicklungen weltweit eng im Blick behalten. Es ist zu erwarten, dass weitere Maßstäbe entstehen, nach denen sich Unternehmen bei der Vermarktung ihrer Produkte dann richten sollten.

*) Christian Ritz ist Partner von Hogan Lovells und Dr. Sebastian Gräler Counsel der Sozietät sowie Lehrbeauftragter an der Bergischen Universität Wuppertal.