renditeIm Fragebogen: Erhard Radatz, Invesco

„Ich möchte gewisse Themen in meinem Portfolio nicht sehen: Ich kaufe ESG-Fonds“

Im rendite-Fragebogen erläutert Erhard Radatz, Global Head of Portfolio Management bei Invesco Quantitative Strategies, seine Anlagestrategie. Er setzt auf systematisches, faktorbasiertes Investieren und kauft nur ESG-Fonds.

„Ich möchte gewisse Themen in meinem Portfolio nicht sehen: Ich kaufe ESG-Fonds“

Wann und womit haben Sie Ihr erstes eigenes Geld verdient?

Mit 14 Zeitungsaustragen, dann auch Nachhilfe und während meines Studiums ein Werkstudentenjob bei Siemens als Programmierer.

Wofür haben Sie es ausgegeben?

Ich bin schon immer gern gereist und finde, dass Erinnerungen immer die beste Investition sind: „collect moments, not things“.

Was war ihr erstes Investment an den Märkten?

Ich habe ganz klassisch mit einem MSCI World ETF angefangen, den ich bis heute halte.

Was war ihr erfolgreichstes Investment?

Langfristige diversifizierte Investitionen in Aktien, ohne da groß einzugreifen. Mittlerweile habe ich fast mein gesamtes liquides Vermögen in Faktorstrategien, natürlich aus unserem Hause, der Beweis ist da, dass es funktioniert.

An welches Fehlinvestment erinnern Sie sich?

Generell verfolge ich einen Portfolioansatz, bei dem natürlich auch mal negative Phasen der Performance vorkommen dürfen. Als Mahnung sich nicht selbst zu überschätzen, besitze ich umgeschuldete argentinische Staatsanleihen: hier habe ich mal die sonst so zielsicheren Routen des Factor Investings verlassen.

Treffen Sie Ihre private Anlageentscheidungen allein, oder beraten Sie sich mit jemandem?

Ich mache das allein – oder eigentlich doch nicht. Denn indirekt lasse ich unsere exzellenten Researcher und Portfoliomanager für mich arbeiten – indem ich in unsere Faktorstrategien investiere.

Gibt es eine bestimmte Anlagestrategie, die Sie verfolgen?

Langfristiger Vermögensaufbau mit Aktien und das unter Nutzung der Faktorprämien – aus meiner Sicht unschlagbar und natürlich wissenschaftlich fundiert.

Welche Kennzahlen sind für Sie wichtig, wenn Sie sich ein Wertpapier näher anschauen?

Ich bin nicht überzeugt, dass ich eine Aktie besser researchen kann als andere Marktteilnehmer, und die Wissenschaft bestätigt, dass das keiner kann. Deswegen versuche ich es gar nicht erst und fokussiere mich auf eine langfristige Aktienallokation über Multi-Faktor-Strategien. Die eingesparte Zeit nutze ich dann lieber, ein schönes Whitepaper zu lesen.

Wie wichtig ist für Sie das Thema Nachhaltigkeit beim Investieren?

Ich habe meine persönlichen Werte und möchte gewisse Themen in meinem Portfolio nicht sehen: Ich kaufe ESG Fonds.

Haben Sie bei der Geldanlage ein Vorbild?

Na ja, eigentlich alle Wissenschaftler, die sich mit faktorbasiertem Investieren auseinandersetzen, und das sind viele. Und dann natürlich all die smarten Staatsfonds, die nicht etwa versuchen, dem nächsten heißen Thema nachzurennen, sondern sich lieber auf etablierte, fundierte Strategien verlassen.

Ihr Motto beim Investieren lautet?

Gier ist völlig fehl am Platz. Geduld und Evidenzbasierung sind nicht zu schlagen. Und natürlich immer auf die Kosten achten: Performance darf etwas kosten, aber ein Großteil des Mehrertrags sollte bei den Investoren verbleiben.

Welches Buch sollten Anleger gelesen haben?

Vielleicht mal etwas anderes, ein Whitepaper: “Evaluation of Active Management of the Norwegian Government Pension Fund – Global“, von Ang, Goetzmann und Schäfer. Die Autoren untersuchen die Mehrerträge der aktiven Manager des Norwegischen Staatsfonds. Und das Ergebnis ist schockierend: der Mehrertrag kommt über Faktoren, nicht über die Einzeltitelselektion. Heißt auch: darauf sollten Investoren ihre Aufmerksamkeit richten.

Welches Wertpapier oder welche Assetklasse würden Sie auf Jahressicht empfehlen?

Na ja, das ist ja sehr taktisch. Ich persönlich glaube langfristig an Aktien. Auf diese Sicht finde ich aber auch Unternehmensanleihen aus dem Investmentgrade-Bereich sehr spannend.

Sie haben eine Million Euro und müssen diese mit einem Anlagehorizont von zehn Jahren investieren. Wie würden Sie das Geld anlegen bzw. aufteilen?

Zehn Jahre – da hat die Aktie deutlich höheres Potential als Renten. Also würde ich mit 80% Aktienallokation starten und das dann stückweise Richtung Investmentgrade-Rentenpapiere, am liebsten laufzeitkongruent, umschichten.