ABB trommelt für europäische Industriepolitik
„Die EU tut gut daran, nervös zu sein.“ Das sagte ABB-Chef Björn Rosengren während der Präsentation der Jahresergebnisse des Schweizer Elektrotechnikkonzerns mit Blick auf den „Inflation Reduction Act“ (IRA) der USA. Mit 400 Mrd. Dollar will die US-Regierung in den nächsten zehn Jahren Investitionen in erneuerbare Energien und in die Elektromobilität fördern. „Für ABB ist das eine gute Sache. Wir sind in den USA groß im Geschäft“, sagte Rosengren. Doch als Chef einer europäischen Firma und Bürger eines europäischen Landes hoffe er sehr darauf, dass die EU auf Bidens Vorstoß eine starke Antwort finde, fügte der Schwede hinzu. „Der IRA wird viele Investitionen nach Amerika ziehen. Es ist deshalb extrem wichtig, dass auch Europa ein attraktives Investitionsprogramm anbietet.“
Bemerkenswert ist der neue globale Subventionswettbewerb auch vor dem Hintergrund, dass sich die OECD-Staaten unter Führung der USA erst im Frühjahr 2021 auf die Einführung einer Mindestgewinnsteuer von 15% für Unternehmen geeinigt hatten, um den weltweiten Steuerwettbewerb einzudämmen.
ABB profitiert als Hersteller von Ladestationen für E-Fahrzeuge schon jetzt indirekt von großen Investitionsprogrammen, die nicht nur in den USA den Betreibern von Ladestationen zugutekommen und einen raschen Ausbau der Ladeinfrastruktur zum Ziel haben.
E-Mobility, wie ABB ihre für das Geschäft mit Ladestationen zuständige Tochtergesellschaft nennt, übt offensichtlich eine besondere Anziehungskraft auf große Investoren aus. Erst im November hatten sich Interogo, der Investment-Arm der Möbelhauskette Ikea, und Eva Maria Bucher-Haefner, milliardenschwere Erbin des Schweizer Autoimporteurs Walter Haefner, im Rahmen einer Privatplatzierung mit 200 Mill. sfr an E-Mobility beteiligt.
Am Donnerstag meldete ABB mit dem Investment-Arm von Porsche, dem Staatsfonds GIC aus Singapur und der britischen Technologiefirma Just Climate drei weitere prominente Drittinvestoren in E-Mobility, die zusammen 325 Mill. sfr einbringen. Die fünf Drittinvestoren halten zusammen nun ein Fünftel aller E-Mobility-Anteile.
ABB wolle die Firma unter der Bedingung günstiger Marktverhältnisse weiter mit bis zu 50% der Anteile an die Börse bringen. Man sehe sich nach den beiden Finanzierungsrunden aber unter keinerlei Zeitdruck mehr, sagte Rosengren.
Derweil blickte der Manager auf ein turbulentes, nach eigener Lesart aber erfolgreiches Jahr zurück, in dem der Konzern offensichtlich eine gewisse Preismacht ausspielen und das Ziel einer Steigerung der Betriebsgewinn-Marge auf mindestens 15% vorzeitig erreichen konnte.
Der Gewinnrückgang um rund 2 Mrd. Dollar ist dem Wegfall der Desinvestitionserlöse aus dem Vorjahr geschuldet, weshalb der Konzern eine weitere Erhöhung der Dividende vornehmen kann. Um auch ein potenziell neues Aktienrückkaufprogramm schuldenfrei finanzieren zu können, muss der Konzern im laufenden Jahr eine kräftige Verbesserung des Cashflows erreichen, der im Berichtsjahr um 60% auf 1,3 Mrd. Dollar gesunken ist.
Zentrale Voraussetzung dafür ist ein rascher Abbau des pandemiebedingt weit über ein gesundes Maß hinaus angeschwollenen Auftragsbestands. Das könnte sich als schwieriges Unterfangen erweisen, wenn die Kundennachfrage nach einem verhaltenen Schlussquartal wieder kräftig anziehen sollte.