Kapitalmarkt

Aktionärsschützer warnen vor StaRUG-Missbrauch

Im Schwarzbuch Börse thematisiert die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger Missstände am Kapitalmarkt. In diesem Jahr stehen das StaRUG, konzerninterne Darlehn, Kommunikationsdesaster und wieder einmal Wirecard im Fokus.

Aktionärsschützer warnen vor StaRUG-Missbrauch

SdK warnt vor StaRUG-Missbrauch

„Gut gedacht, schlecht gemacht“ – Aktionärsschützer stellen Schwarzbuch Börse vor

hek Frankfurt

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) will mit einer erweiterten Verfassungsbeschwerde gegen die Bestätigung des Varta-Restrukturierungsplans durch das Amtsgericht Stuttgart vorgehen. Ein erster Anlauf war gescheitert, weil das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde nicht annahm. Dabei habe offenbar eine Rolle gespielt, dass sie noch vor dem gerichtlichen Beschluss über den Plan eingereicht worden sei, glaubt SdK-Vorstand Markus Kienle. Auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz will sich weiter gegen „die Enteignung der freien Aktionäre“ von Varta wehren.

„Gut gedacht, schlecht gemacht“

Nach Überzeugung der Aktionärsschützer verstößt das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gegen §14 Grundgesetz (Gewährleistung des Eigentums). „Das StaRUG bietet massives Missbrauchspotenzial“, gibt Kienle bei der Vorstellung des diesjährigen Schwarzbuchs Börse zu bedenken. Denn bei drohender Zahlungsunfähigkeit, die Voraussetzung für ein StaRUG-Verfahren ist, gebe es große Gestaltungsspielräume. Für die freien Aktionäre sei ein StaRUG-Verfahren in der Regel mit Totalverlust verbunden, da kein Anspruch auf ein Bezugsrecht bestehe. „Gut gedacht, schlecht gemacht“, lautet das Fazit der Schutzgemeinschaft.

Auch gegen Gläubiger gebe es Missbrauchspotenzial. So erhielten die Anleihe-Inhaber der Immobiliengesellschaft ESPG nur 15% des Eigenkapitals der sanierten Gesellschaft, obwohl sie rechnerisch 28% bekommen müssten. Das StaRUG sehe lediglich eine Besserstellung gegenüber einem Insolvenzszenario vor, sagt Kienle. Dieses beruhe aber auf Gutachten und lasse Haftungsansprüche außen vor.

Keine schnelle Änderung

Im Fall des Batterieherstellers Varta dürfen allein Großaktionär Michael Tojner und der Sportwagenbauer Porsche die Kapitalerhöhung zeichnen, nicht aber die freien Aktionäre. Wie beim Autozulieferer Leoni habe kein M&A-Prozess stattgefunden, um den bestmöglichen Eigentümer zu finden, sagt Kienle. Der Investor Stefan Pierer habe seinen Einsatz bei Leoni in kürzester Zeit vervielfacht durch Weiterverkauf von 50,1% der AG und 100% der Kabelsparte an Luxshare aus China.

Die Schutzgemeinschaft ist sich im Klaren, dass zeitnah keine Gesetzesänderung zu erwarten ist. „Das mit dem Bezugsrecht ist nicht so einfach, weil für Aktien im regulierten Markt eine Prospektpflicht bei Kapitalerhöhungen besteht“, sagt Kienle. Das sei eine EU-Vorgabe, die nicht auf nationaler Ebene geändert werden könne. Zudem laufe der Evaluierungszeitraum für das Gesetz noch.

Tochter-Darlehn mit Risiken

Als gefährlich stuft die SdK manche Darlehn von Tochterfirmen an die Obergesellschaft ein. Sie könnten das Risikoprofil der Tochter signifikant verändern. Als Beispiele nennt der SdK-Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer die Immobiliengesellschaften Deutsche Konsum-Reit und Agrob. Deutsche Konsum habe Großaktionär Obotritia ein Darlehn in zweistelliger Mill.-Euro-Höhe gewährt, doch die Rückzahlung sei nicht wie geplant erfolgt mit der Folge, dass eigene Anleihen nicht wie vereinbart getilgt worden seien.

Kommunikationsdesaster

Ein Kommunikationsdesaster attestiert die SdK dem angeschlagenen Agrarhändler Baywa und dem Softwarekonzern Compugroup Medical.

Von der Baywa-Krise sei weder im Jahresbericht 2023 und in der Mitteilung zum ersten Quartal 2024 noch auf der Hauptversammlung im Juni 2024 etwas zu erkennen gewesen. Nur einen Monat nach dem Aktionärstreffen habe sich der Ton dramatisch verändert. Dabei sei die angespannte Finanzlage spätestens im Frühjahr bekannt gewesen, als eine Anleiheplatzierung zur Refinanzierung geplatzt sei, sagt Bauer. Schadenersatzklagen bereite die SdK nicht vor, „es gibt aber Anwälte, die das machen“. Auch Compugroup habe sich vor der Prognosekorrektur noch optimistisch geäußert. Solche Überraschungen würden mit massivem Kurs- und Vertrauensverlust bestraft.

Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.
Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Foto: SdK

In der Causa Wirecard versage der Staat bei der Aufarbeitung, moniert SdK-Vorstand Marc Liebscher. Denn das KapMuG-Verfahren (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz) gegen den Wirtschaftsprüfer EY komme nicht voran. Der Zivilprozess sei gemessen an Beteiligtenzahl und Schadensumfang der größte der deutschen Geschichte. Bisher habe das Bayerische Oberste Landesgericht nur Formalia abgehandelt. Ob das Verfahren zulässig sei, werde erst am 27. Februar 2025 entschieden. Die schleppende Verhandlungsführung sei „ganz, ganz misslich“.

Gesetzeslücke

Die Digitalisierung der Unterlagen bezeichnet Liebscher als anfängerhaft und die Koordinierung und Strukturierung des Prozessstoffs durch das Gericht als mangelhaft. Derweil verschiebe EY Deutschland Haftungsmasse, indem gut verdienende Unternehmensbereiche herausgezogen würden. Zwar gebe es eine Nachhaftung von fünf Jahren, aber das KapMuG werde länger dauern. Hier gebe es eine Gesetzeslücke, konstatiert Liebscher.