Stephan Winkelmann, Lamborghini

Audi-Tochter Lamborghini will Porsche nicht nacheifern

Die italienische Audi-Tochter Lamborghini ist so gut ausgelastet, dass die Fertigung über zwei Jahre sichergestellt ist und keine neuen Bestellungen angenommen werden. CEO Stephan Winkelmann ist auch für die Zukunft optimistisch. Ein Börsengang wie bei Porsche sei aber nicht geplant.

Audi-Tochter Lamborghini will Porsche nicht nacheifern

Herr Winkelmann, Lamborghini hat in einem schwierigen Umfeld 2022 den Umsatz um 10% auf 2,4 Mrd. Euro und den operativen Gewinn um 56% auf 614 Mill. Euro gesteigert. Ihre Marge lag bei 25,9%. Was waren die Gründe für die überdurchschnittliche Ergebnisentwicklung?

Wir haben mehr Autos mit höheren Margen verkauft, also einen besseren Verkaufsmix gehabt. Und wir haben von der Wechselkursentwicklung zwischen Euro und Dollar profitiert.

Geht die positive Entwicklung 2023 ungebremst weiter?

Es ist zu früh für Prognosen. Aber die ersten zwei Monate waren sehr gut. Unsere Auftragsbücher sind so voll, dass wir keine neuen Bestellungen mehr annehmen, denn sowohl beim Huracan als auch bei unserem SUV Urus sind wir bereits in der Endphase der aktuellen Modellreihen. Für den neuen Aventador aber haben wir ein Orderbuch, das eine Auslastung der Fertigung über zwei Jahre sicherstellt und das, obwohl die Kunden weder das neue Modell noch dessen Preis kennen. Das gibt uns ein gutes Gefühl.

Drücken Anlaufkosten nicht den Gewinn?

Nein, die strecken sich über einen längeren Zeitraum, und sie sind schon berücksichtigt. Überraschungen könnte es eher von anderen Seiten geben: von der Inflation, hohen Zinsen und Energiepreisen und dem Krieg in der Ukraine. Das alles trifft den europäischen Markt stärker als andere Märkte.

Und die Knappheit von Rohstoffen und Materialien bereitet Ihnen keine Sorgen?

Nein, da haben wir keine größeren Sorgen, mit Ausnahme des Carbons, das in immer mehr Branchen eingesetzt wird, weshalb die Nachfrage danach stark gewachsen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass ein wichtiges Produktionswerk für Carbon in den USA abgebrannt ist. Wir haben dadurch keine Produktionsausfälle, aber bei einigen Sonderausstattungen gibt es Probleme.

Lamborghini steht für leistungsstarke Motoren. Die italienische Regierung kämpft dafür, die Frist für das Ende der Verbrennermotoren zu verlängern. Was halten Sie davon?

Die Konsequenzen einer möglichen Verlängerung dieser Frist sind unklar. Der Einsatz etwa von synthetischem Kraftstoff könnte für uns interessant sein, aber nur im Motorsport oder in historischen Fahrzeugen. Das ändert außerdem nichts an dem anhaltenden Trend zu immer strengeren Emissionsvorschriften durch den Gesetzgeber. Und das betrifft mit der Zeit auch immer mehr Länder, in denen es solche Beschränkungen heute noch nicht gibt.

An Ihren Plänen zur Umstellung auf Hybrid- und dann vollelektrische Fahrzeuge ändert sich also nichts?

Nein. Wir fangen mit der Hybridisierung unserer gesamten Produktpalette an und wollen sie 2023 und 2024 voll umsetzen. In den Jahren 2028 und 2029 bringen wir eine vierte Modellreihe auf den Markt, die vollelektrisch sein wird und 2029 kommt auch der Urus in einer vollelektrischen Version.

Wann verschwinden Verbrennermotoren, die ja das Herz Ihres Unternehmens sind, ganz bei Lamborghini?

Bei unseren Supersportwagen wollen wir daran so lang wie möglich festhalten, zumindest bis Anfang der 30er Jahre. Aus derzeitiger Sicht können danach nur Elektroantriebe kommen. Darauf stellen wir uns ein.

Aber ist Lamborghini dann noch Lamborghini?

Das ist die Herausforderung. Wir wollen auch dann noch Traumautos anbieten – aber mit neuen Technologien. Erst die Hybridisierung, dann die vollelektrischen Autos. In zehn Jahren ist das Thema durch. Das ist ja auch eine Generationenfrage und wird von den Jüngeren längst akzeptiert. 2025 werden mehr als 50% unserer Kunden unter 40 sein, vor allem in Asien.

Was macht dann einen Lamborghini noch besonders?

Der Fokus auf das Design wird sich nicht ändern. Dazu kommt die Performance. Das sind erstmal nackte Zahlen wie Beschleunigung oder Höchstgeschwindigkeit. Und dann natürlich die emotionale Seite. Das Zusammenspiel muss klappen. Wir haben Zeit und wir wissen, wie wir das machen. Wir müssen nicht unbedingt die Ersten sein, dafür aber die Besten.

Welchen Vorteil hat es für Sie, im Konzernverbund des Volkswagen-Konzerns zu sein?

Nur ein Beispiel: Unser Super-SUV Urus entstand auf einer Konzernplattform, ist aber zu 100% ein Lamborghini. Es gibt verschiedene Vorteile. Im Einkauf entscheiden wir, was wir im Konzernverbund einkaufen und was nicht. Und der Konzern hat Experten etwa in den Bereichen Digitalisierung, Elektrifizierung und Leichtbau. Da gewinnen wir im Vergleich zu Konkurrenten, die keinen Konzernverbund haben, Zeit und können Einsparungen erzielen.

Sie sind die Ertragsperle Ihrer Mutter Audi, der es momentan nicht so gut geht wie früher. Muss Lamborghini die Schwächen Audis ausgleichen?

Die Branche durchlebt eine Transformation, wir alle müssen uns darauf einstellen. Umdenken. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber Audi ist eine starke Marke mit einer tollen Mannschaft und wird die Transformation erfolgreich meistern. In der Zwischenzeit freut es uns, und im Übrigen auch Audi, dass Lamborghini als Bestandteil des Konzerns seinen betriebswirtschaftlichen Beitrag leistet.

Sie planen, wie zuvor Ferrari und Porsche, einen Börsengang. Wann soll der kommen?

Wir planen keinen Börsengang. Da bin ich missverständlich zitiert worden. Ich habe nur gesagt, dass wir so arbeiten müssen, als ob wir an der Börse wären.

Lamborghini ist Teil des Automobilclusters Motor Valley. In der Gegend um Bologna und Ferrari sind Unternehmen wie Lamborghini, Ferrari, Ducati, Maserati oder Pagani und viele Zulieferer. Wie kann die Umstellung der stark auf den Verbrennermotor ausgerichteten Zulieferer gelingen?

Wir müssen, im Verbund mit Hochschulen, Software- und Batterietechnik, Kompetenzen entwickeln. Es gibt keine Regie, die da etwas koordiniert. Am Ende ist jedes Unternehmen für sich selbst verantwortlich. Wir als Lamborghini haben den Vorteil, über den Konzernverbund Zugang zu bestimmten Technologien zu haben. Andere müssen sich da mehr anstrengen. Klar ist: Unsere Zulieferer müssen sich qualifizieren, um uns auch künftig beliefern zu können.

Wie wichtig ist das Made in Italy für Sie und die Autoindustrie im Land?

Das Made in Italy hilft uns als Marke in der Welt. Italien hat vier Cluster: Möbel, Mode, Lebensmittel und Auto. Das Made in Italy ist sehr positiv, und Lamborghini ist einer der Botschafter dieses Labels in der Welt.

Und wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen am Standort Italien? Wo besteht Handlungsbedarf für die neue Regierung?

Italien ist ein hoch kontroverses und diverses politisches Pflaster. Ich beneide die Politiker keineswegs, denn es ist eine hoch komplexe Aufgabe, ein ganzes Land zu regieren. Ich kann mir da nicht anmaßen, Ratschläge zu geben. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich an das große Potenzial von Italien glaube. Wir haben hier ein wundervolles Stück Erde, auf das wir in vielerlei Hinsicht stolz sein können.

Es hat den Anschein, als gäbe es für Luxusfahrzeuge, aber auch generell Luxusprodukte, und dazu gehört Lamborghini, unbegrenzte Preisgestaltungsmöglichkeiten. Wo liegen die Grenzen?

Wir investieren große Summen in innovative Technologien und neue Materialien. Aber wir können keine Fantasiepreise verlangen. Der Preis wird vom Markt limitiert, vom Wettbewerb. Je höher der Preis, desto dünner die Luft. Es gibt das Dreieck aus Rentabilität, Volumen, Investitionen. Wir haben eine Produktpyramide: Da sind zunächst die Basisinvestitionen für neue Autos. Aus diesen Fahrzeugen entstehen dann Derivate, zum Beispiel im Leichtbau und mit noch stärkeren Leistungen. Und drittens haben wir noch kleine, sehr exklusive und sehr limitierte Sonderauflagen. Generell gilt: Die Kunden wollen immer mehr Exklusivität.

Was bedeutet das für Sie in der Produktionsplanung?

Das bedeutet nicht Verknappung um der Verknappung willen. Es geht um die Wahrung eines Wiederverkaufswerts, es geht darum, Träume zu erfüllen. Immer mehr unserer Kunden haben schon in jungen Jahren das Geld, sich einen Lamborghini leisten zu können. Unsere Autos müssen attraktiv sein für unsere Kunden.

Aber müssen die Lieferzeiten wirklich so lang sein? Kann das nicht kontraproduktiv werden?

Das ist komplex. Denn wir müssen uns mit Zulieferern und Gewerkschaften abstimmen, so investieren, dass die Auslastung der Werke sich nicht nach Spitzenlasten richtet, sondern eine anhaltende Auslastung sichert. Die Exklusivität muss ausbalanciert sein. Wir haben die Produktion in den letzten Jahren langsam erhöht. Gesund wären Lieferfristen von ein bis eineinhalb Jahren. Das heißt aber nicht, dass zwei Jahre Wartezeit ungesund sind. Wir wollen nie Überkapazitäten haben. Unsere Kunden wollen Teil eines exklusiven Clubs sein.

Ihre wichtigsten Märkte sind die USA, China und Deutschland! Wo sehen Sie die größten Potenziale?

Die USA stehen für etwa 30% unserer Verkäufe. Danach kommen China mit einem Anteil von 11/12%, Deutschland, Großbritannien, Japan, Italien, der Mittlere Osten und Südkorea. Das größte Potenzial bieten die USA und China, aber in China gibt es sehr hohe Steuern von 100% auf Luxusprodukte. Insofern liegt das größte Potenzial in den USA. Der Preis spielt also schon eine Rolle.

Und welche Bedeutung hat Deutschland für Sie?

Deutschland ist ein Markt mit riesigem Potenzial. Dort gibt es nicht nur große Autoliebhaber, sondern auch viele Kunden mit den nötigen finanziellen Mitteln für den Kauf eines Lamborghini.

Das Interview führte Gerhard Bläske.

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