Ukraine-Krieg

Bei Gasmangel zurück zur Kohle

Die Bundesregierung bereitet sich auf einen Gasmangel aufgrund des russischen Kriegs in der Ukraine vor. Dafür will das grüne Bundeswirtschaftsministerium die Verstromung von Kohle und Öl per Noterlass verlängern.

Bei Gasmangel zurück zur Kohle

ast Frankfurt

Das Bundeswirtschaftsministerium plant für den Fall eines Gaslieferstopps Kohlekraftwerke zu reaktivieren. Bei einer drohenden Gasmangellage müsse Deutschland den Gasverbrauch in der Stromerzeugung deutlich reduzieren, heißt es aus dem Ministerium. Um darauf vorbereitet zu sein, schlägt das Ministerium einen Noterlass vor, der eine längere Verstromung von Kohle und Öl erlauben würde. „Damit wird die kurzfristige Nutzung von Kohlekraftwerken im Strombereich bei Bedarf ermöglicht“, heißt es in dem Vorschlag.

Durch die Maßnahmen könne das Stromerzeugungsangebot in einer kritischen Gasversorgungslage um bis zu 10 Gigawatt ausgeweitet werden, wodurch der Gasverbrauch zur Stromerzeugung substanziell reduziert wird. Im vergangenen Jahr trug Gas etwa 15% zur Stromerzeugung in Deutschland bei. Nach Angaben des Ministeriums dürfte sein Anteil in den ersten Monaten des laufenden Jahres allerdings bereits spürbar gesunken sein. Der Anteil der russischen Gaslieferungen lag in der Vergangenheit im Mittel bei 55%. Dieser ist dem Ministerium zufolge bis Mitte April 2022 auf etwa 35% gesunken.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine Ende Februar mühen sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, unabhängiger von russischen Rohstoffen wie Öl und Gas zu werden. Zudem drohte der russische Präsident Wladimir Putin bereits mit einem Gaslieferstopp in den Westen, sollte dieser seine Sanktionen nicht aufheben. Darauf will die Bundesregierung vorbereitet sein. Ein sogenanntes Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz befindet sich demnach in der Ressortabstimmung. Kraftwerke, die sich bislang in der Netzreserve oder in der Sicherheitsbereitschaft befinden, sollen rasch reaktiviert werden können, um einen akuten Mangel auszugleichen. Die so geschaffene Gasersatz-Reserve soll befristet bis Ende März 2024 eingerichtet werden. Aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums heißt es, Deutschland könne den Kohleausstieg dennoch bis 2030 schaffen.

In Beschlüssen der Ampel-Koalition von Ende März mit Blick auf die Energieversorgung in Deutschland heißt es bereits: „Wir wollen den Gasverbrauch in der Stromerzeugung kurzfristig reduzieren, indem wir möglichst die Kohlekraftwerke länger in der Sicherheitsbereitschaft halten.“ Der Gesetzentwurf sieht nun vor, diese Sicherheitsbereitschaft entsprechend anzupassen. Die Regierung kann Kraftwerke per Verordnung kurzfristig in Betrieb gehen lassen – ohne Zustimmung von Bundesrat und Bundestag.

Die Versorgung durch die Kraftwerke in der Sicherheitsbereitschaft gilt deshalb auch im Notfall als verlässlich, da es sich ausschließlich um Braunkohlekraftwerke handelt und Deutschland diesen Rohstoff nach wie vor selbst fördert. Gleichzeitig handelt es sich aber auch um die schmutzigsten Kraftwerke, denn Braunkohle setzt bei ihrer Verbrennung das meiste klimaschädliche Kohlenstoffdioxid frei.

Zudem sollen Steinkohlekraftwerke in die Netzreserve überführt werden. Dies sind Anlagen mit 2,6 Gigawatt Leistung, die eigentlich abgeschaltet werden sollten. Insgesamt wären dann knapp 10 Gigawatt in der Reserve (siehe Grafik). Parallel werden Regelungen auf den Weg gebracht, um Gas für den Einsatz in Kraftwerken für sechs Monate so zu verteuern, dass ein Einsatz unwirtschaftlich wäre. Das Gas soll dann hauptsächlich für Wärme und den Industrie-Einsatz reserviert werden.

Im Koalitionsvertrag hatten sich die Partner eigentlich darauf geeinigt, den Kohleausstieg mit Hilfe von modernen und umweltfreundlicheren Gaskraftwerken als Überbrückungstechnologie zu schaffen. Nun setzt die Regierung auf einen massiv beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, wie im Osterpaket beschlossen, und einen zügigeren Einsatz von Wasserstoff.

Für die Kraftwerksbetreiber bedeutet der Vorschlag aus dem Bundeswirtschaftsministerium, dass sie bis zu einem noch nicht festgelegten Stichtag technisch in einen Zustand versetzt werden müssen, der einen dauerhaften Betrieb am Strommarkt erlaubt. Die Kosten dafür will der Bund erstatten. Zudem werden die Betreiber verpflichtet, eine per Gesetz festgelegte Menge an Brennstoff vorrätig zu halten, um die Kraftwerke schnell hochfahren zu können.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.