Didi Global fährt in den Börsenkeller
Von Norbert Hellmann, Schanghai
Die jüngste Attacke der chinesischen Markt- und Internetregulatoren gegen führende heimische Tech-Unternehmen hat am Dienstag ein kleines Blutbad bei frisch in New York notierten chinesischen Firmen aus dem Sektor angerichtet. Besonders hart erwischt wurde Chinas Pendant zum Uber-Fahrdienst, Didi Global, nachdem die Gesellschaft von Chinas Cybersicherheitsbehörde wegen Datenschutzproblemen mit einer App-Store-Sperre belegt wurde und bis auf weiteres keine neuen Kunden aufnehmen kann.
Böse Schlappe
Am Dienstag, dem ersten Tag, an dem die Wall Street nach einer Feiertagspause auf die Entwicklungen bei Didi reagieren konnte, stürzte die Notierung der Anteilscheine um bis zu 25% auf 11,58 Dollar ab und erholte sich danach nur geringfügig. Damit ist der Didi-Kurs an der New York Stock Exchange (Nyse) nun deutlich unter den Emissionspreis bei 14 Dollar gefallen; das bei einer Kapitalaufnahme von 4,4 Mrd. Dollar bislang zweitgrößte chinesische Initial Public Offering (IPO) an Wall Street ist nun mit einem schweren Makel behaftet. Mit dem gestrigen Kursrückschlag hat die Gesellschaft rund 22 Mrd. Dollar an Marktwert eingebüßt.
Auch Full Truck und Kanzhun
Neben Didi sind zwei weitere chinesische Internetplattformen, die im Juni mit einem IPO an New Yorker Börsen gekommen waren, von einem vergleichbaren Datenschutzverfahren mit umgehender App-Sperre betroffen. Es handelt es sich um den Frachtvermittlungsdienst für Lkw-Fahrer, Full Truck Alliance, und Kanzhun, den Betreiber der führenden chinesischen Jobbörse Boss Zhipin (siehe Grafik). Auch bei diesen beiden Werten kam es zu heftigen Kursreaktionen: Während Full Truck Alliance um 19% einbrachen, büßte die im Juni mit einer Kursverdoppelung am ersten Handelstag furios an der Nasdaq gestartete Kanzhun knapp 9% ein.
Marktteilnehmer haben keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Vorgehen der China Administration of Cybersecurity gegen die drei chinesischen Tech-Firmen um eine von politischer Willkür geleitete konzertierte Aktion handelt. Dafür spricht nicht zuletzt auch das Timing, das im unmittelbaren Nachgang zu einem besonders öffentlichkeitswirksamen chinesischen IPO an der Wall Street erfolgte und zudem auf den US-Nationalfeiertag am 4. Juli fiel. Allem Anschein nach hat die chinesische Regierung im laufenden Handels- und Technologiestreit mit den USA ein Zeichen setzen wollen, dass die an Wall Street so hochgeschätzten und allesamt privaten chinesischen Tech-Firmen voll und ganz unter der Kontrolle der Staatsführung stehen und ihre Börsenbewertung auf ausländischen Märkten von Peking jederzeit gezielt beeinflusst werden kann. Dies wiederum soll auch Eindruck auf die Wall-Street-Anleger machen und ihre Begeisterung für chinesische Börsenneulinge einer neuerlichen Probe aussetzen. Peking jedenfalls scheint es ein Dorn im Auge zu sein, dass chinesische Internetfirmen die heimischen Festlandbörsen meiden und bevorzugt New York oder den Offshore-Markt in Hongkong ansteuern.
Wusste Didi Bescheid?
Was den Emittenten Didi angeht, müssen sicherlich auch unangenehme Fragen zu dessen letztlich auffällig hastig absolviertem Börsengang gestellt werden. Dem Vernehmen nach wurde Didi nämlich vor drei Monaten von chinesischen Behörden gewarnt, dass ein Verfahren zu Didis Datennutzung anstehe. Die Gesellschaft sei gebeten worden, ihr IPO erst nach dessen Ablauf anzustrengen. Dies würde bedeuten, dass Didi gegen den Willen der Regierung an die New Yorker Börse „geflüchtet“ ist und dafür einen entsprechenden Denkzettel verpasst bekommen hat.
Gleichzeitig würde dies aber heißen, dass die Anleger im Emissionsprospekt nur äußerst vage über mögliche Regulierungsrisiken informiert wurden, obwohl Didi von konkreten Gefahren wusste. Deren Offenlegung hätte mit Sicherheit eine deutlich niedrigere Bewertung zum Börsenstart nach sich gezogen.