Ukraine-Krieg

Einige Sektoren profitieren vom Krieg

Der Krieg in der Ukraine bremst das Wirtschaftswachstum in fast allen Industrieländern. Grund sind vor allem steigende Kosten für Energie und landwirtschaftliche Produkte. Doch es gibt Sektoren, die von den Folgen des Konflikts profitieren. In Deutschland betrifft dies vor allem Unternehmen unterhalb des Dax.

Einige Sektoren profitieren vom Krieg

Von Martin Dunzendorfer,

Frankfurt

Ein Unternehmen als „Kriegsprofiteur“ zu bezeichnen, weil es infolge eines militärischen Konflikts Umsatz- und Ergebniszuwächse zu erwarten hat, verbietet sich im Grunde, da dies suggeriert, dass sich Eigentümer, Management oder Belegschaft über Tod und Zerstörung freuen würden. Natürlich ist das Gegenteil der Fall, wie die betroffenen Konzerne betonen. Dennoch wäre es eine Leugnung der Realität, würde man bereits verifizierbare oder absehbare positive Entwicklungen für Unternehmen z.B. aus den Sektoren Rüstung, Agrar, erneuerbare Energien oder Seetransport bestreiten.

100 Mrd. Euro „Soforthilfe“

So gilt als ausgemacht, dass ein wesentlicher Teil des von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Investitionspaketes von 100 Mrd. Euro für die Bundeswehr dem Rüstungshersteller und Automobilzulieferer Rheinmetall zugutekommt – auch wenn über die Verteilung des Geldes noch einige Zeit diskutiert werden dürfte.

Rheinmetall hat der Bundesregierung bereits ein Paket im Volumen von 42 Mrd. Euro angeboten. Darin enthalten seien u.a. Munition, Hubschrauber sowie Ketten- und Radpanzer, sagte Vorstandschef Armin Papperger in einem Interview. Rheinmetall stellt mit Krauss-Maffei Wegmann u.a. den Kampfpanzer Leopard 2 und den Schützenpanzer Puma her. An der Modernisierung der Truppe mitwirken könnten auch Airbus, Thyssenkrupp Marine Systems und Hensoldt, ein Spezialist für Radarsysteme. Wie jüngst bekannt wurde, will die Bundeswehr als erstes großes Beschaffungsprojekt nach dem russischen Angriff auf die Ukraine F-35-Tarnkappenjets kaufen. Bis zu 35 Maschinen des US-Herstellers Lockheed Martin seien vorgesehen. Sie sollen einen Teil der alten Tornados der Luftwaffe ersetzen.

Neben dem Sondervermögen von 100 Mrd. Euro werden die Rüstungshersteller davon profitieren, dass gemäß Bundeskanzler Olaf Scholz künftig jedes Jahr mehr als 2% des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben werden sollen. Damit würde auch das Ziel der Nato erfüllt. Derzeit investiert Deutschland etwa 1,5% in die Streitkräfte.

Von heute auf morgen lassen sich jedoch keine Flugzeuge oder Panzer bauen und liefern. Allein das Hochfahren der Munitionsproduktion dauert laut dem Rheinmetall-Chef sechs bis zwölf Monate. Radpanzer könnte der Konzern in 15 bis 18 Monaten und Kettenfahrzeuge in 24 bis 28 Monaten liefern. So erklärt sich, warum Analysten in ihren Umsatz- und Gewinnschätzungen für die nächsten Jahre kontinuierliche Zuwächse für die Gruppe voraussagen (siehe Tabelle).

Zwei Anbieter fallen weg

Anders sieht es nach Ansicht der Research-Häuser bei K+S aus. Der Dünger- und Salzproduzent profitierte schon vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine von einem Aufwärtstrend der Düngemittelpreise, die sich nach mehreren Jahren, in denen Hoffnungen auf eine Erholung immer wieder enttäuscht worden waren, etwa seit dem zweiten Quartal 2021 stramm aufwärts bewegten. Die Dynamik der Hausse hat nun zugenommen, da durch den Krieg gleich zwei der wenigen großen Anbieter auf dem Weltmarkt de facto weggefallen sind: die russische Uralkali und die weißrussische Belaruskali. Analysten prognostizieren jedoch, dass K+S ihre mittelfristige Umsatz- und Ergebnisspitze bereits dieses Jahr erreichen wird. Für 2023 und 2024 werden rückläufige Erlöse und Gewinne vorausgesagt. Auf Basis der Konsensgewinnschätzung für dieses Jahr ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis von K+S mit 5,2 jedoch sehr günstig. Auch das KGVe für 2023 ist mit 8,3 noch attraktiv. Demgegenüber sind die Werte von Rheinmetall (19,1 und 15,4) deutlich höher. Mit den niedrigen KGVs von K+S kann unter den Krisengewinnern bestenfalls die Reederei Hapag-Lloyd mithalten, die nach Berechnungen von Bloomberg auf 5,9 (2022) und 12,7 (2023) kommt. Doch für Umsatz und Ergebnisse des auf Containertransporte zur See spezialisierten Unternehmens sagen Analysten – ähnlich wie bei K+S – voraus, dass die Höchstwerte bereits dieses Jahr erreicht werden. Die weltweit hohe Nachfrage nach Konsumgütern verbunden mit coronabedingten Störungen in den weltweiten Lieferketten hatte Containerreedereien wie Hapag-Lloyd bereits 2021 Gewinnsprünge ermöglicht. Nach einer Verzehnfachung des Überschusses im Vorjahr halten die Hamburger 2022 erneut Rekordergebnisse für möglich. Die Erwartungen basieren vor allem auf der Annahme einer sich leicht erhöhenden Transportmenge sowie eines moderaten Anstiegs der durchschnittlichen Frachtrate. Hapag-Lloyd kommt nun zusätzlich zugute, dass durch die Sanktionen gegen Russland Transportkapazitäten wegfallen, was die Preise weiter treibt.

Von der Entscheidung der Bundesregierung, Erdgas und Öl aus Russland so schnell wie möglich vor allem durch erneuerbare Energien zu ersetzen, profitieren deutsche Erzeuger wie Encavis, Nordex oder PNE Wind.

Der Handels- und Agrarkonzern Baywa profitiert von steigenden Preisen für Mais und Sojaschrot. Grund ist die steigende Nachfrage auf dem Weltmarkt, vor allem aus China, bei einem zugleich knapper gewordenen Angebot. Nun hat der Krieg das Angebot stark verringert, denn Russland und die Ukraine exportierten zusammen rund 30 % des Getreides, das im Vorjahr auf dem Weltmarkt zur Verfügung stand. Ein großer Teil dieses Volumens fällt aller Voraussicht nach 2022 aus.

Einige Krisengewinner erreichen ihre Ergebnisspitzen bereits 2022, andere erst in den nächsten Jahren
52 Wochen-Δ in % seit Jahres-anfangMarkt-kapitalisierung (Mrd. Euro)Umsatz1 (Mrd. Euro)Ebitda1 (Mrd. Euro)KGVe 1Konsens­empfeh­-lung 2
Unternehmen (Sektor)KursHochTief20222023202420222023202420222023
Rheinmetall (Rüstung)201,00208,60 76,28142 8,8 6,73 8,19 9,42 1,011,211,4219,115,44,6
K+S (Düngemittel) 28,74 30,07  8,15 89 5,5 4,65 4,03 3,63 1,861,310,93 5,2 8,33,8
Hapag-Lloyd (Reederei)362,60363,00128,40 3163,725,4119,1317,9412,816,965,63 5,912,72,7
Encavis (erneuerbare Energien) 17,56 18,54 11,82 13 2,8 0,35 0,37 0,41 0,260,280,3138,034,74,5
Baywa (Agrarhandel) 44,80 47,10 32,35 16 1,619,6220,5021,88 0,550,570,5733,035,44,3
1) Konsensschätzungen laut Bloomberg; 2) 5,0 = „Sofort Kaufen“, …, 3,0 = „Neutral“/„Halten“, …, 1,0 = „Sofort Verkaufen“Börsen-Zeitung
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