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Europa benötigt eigene Batterieproduzenten

Das schwedische Start-up Northvolt steckt in der Krise. Doch an der Notwendigkeit für den Aufbau europäischer Batteriezellproduzenten hat sich aus Sicht von Branchenexperten nichts geändert.

Europa benötigt eigene Batterieproduzenten

Europa benötigt eigene Batterieproduzenten

Der Hochlauf der E-Mobilität stockt - Die Abhängigkeit von asiatischen Zellherstellern bleibt groß

Von Carsten Steevens, Hamburg

Hat Northvolt eine Zukunft als eigenständiger Batteriezellhersteller? Geht es nach Peter Carlsson, dem im November zurückgetretenen CEO und Mitgründer des 2016 entstandenen Start-ups, steht das außer Frage. Doch ob der „Reinigungsprozess“ für die Schweden nach dem Antrag auf Gläubigerschutz bei einem US-Gericht wie avisiert im ersten Quartal 2025 abgeschlossen und das finanziell schwer angeschlagene Unternehmen tatsächlich mit den notwendigen Mitteln für das kapitalintensive Geschäft ausgestattet sein wird? Nach Fehlentwicklungen bei Northvolt und einem Jahr mit geschwundener Nachfrage nach Elektroautos in Europa dominiert Skepsis.

Wie konnte ein Hoffnungsträger der europäischen Autohersteller, der es mit den Batterieherstellern aus Asien aufnehmen sollte und der mit Eigen- und Fremdkapital sowie Förderungen von 15 Mrd. Dollar versorgt wurde, in die Existenzkrise rutschen? In der Kritik steht auch Schwedens Mitte-Rechts-Regierung, die ausgerechnet in der Phase schwieriger Gespräche über dringend benötigte Finanzmittel öffentlich eine staatliche Rettung des Unternehmens ausschloss.

Spekulationen

Dass nun auch über eine Unterstützung von Northvolt durch chinesische Batteriehersteller spekuliert wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Für die deutsche Autobranche ist indes unverändert klar, dass es Zellproduzenten in Europa bedarf. „Die Ansiedlung von Batterieproduktion in Deutschland und Europa ist mit Blick auf die Wertschöpfungskette von zentraler Bedeutung“, heißt es beim Verband der Automobilindustrie. So könnten die für E-Mobilität und Transformation zwingend benötigten Batterien mindestens in Teilen lokal produziert und Abhängigkeiten reduziert werden.

Branchenexperten halten Batteriehersteller mit Hauptsitz in Europa für erforderlich. Martin Linder, Senior Partner im Münchner Büro von McKinsey, verweist darauf, dass rund ein Drittel der Wertschöpfung eines E-Autos in der Batterie stecke. „Das Ziel eines Automobilstandortes wie Europa sollte es sein, diesen wichtigen Wertschöpfungsschritt zu kontrollieren.“ Dies würde vor allem dabei helfen, die Kosten und Performance für Elektroautos besser managen zu können.

Abhängigkeiten

Zugleich trage dies dazu dabei, die geopolitischen Risiken abzusichern und Abhängigkeiten in der Lieferkette zu reduzieren, so Linder. Neben der geopolitischen Abhängigkeit hebt Jörn Neuhausen, Leiter Elektromobilität beim PwC-Berater Strategy& in Deutschland, die Batterie als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal in der E-Mobilität sowie die volkswirtschaftliche Bedeutung angesichts eines 2030 erwarteten Jahresumsatzes im höheren zweistelligen Mrd.-Euro-Bereich hervor.

Um den Erfahrungs- und Technologievorsprung der Batterieproduzenten in Asien aufzuholen, seien hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie eine lokale Industrialisierung inklusive Wertschöpfungskette zu Kathoden, Anoden und anderen Materialien notwendig, sagt McKinsey-Experte Linder. Den Rückstand macht er mit einem Vergleich deutlich: „Einer der größten asiatischen Hersteller hat so viele Mitarbeitende in der Forschung und Entwicklung wie alle deutschen Batterieunternehmen und Forschungsinstitute zusammen.“

Zwei bis drei aus Europa

Um im globalen Batteriemarkt wettbewerbsfähig zu sein, hält Strategy&-Experte Neuhausen einen Marktanteil zwischen 5 und 10% für erforderlich, unter anderem um an Skaleneffekten in der Lieferkette zu partizipieren. Bei einer erwarteten weltweiten Nachfrage von etwa 4 Terrawattstunden pro Jahr bzw. einer Nachfrage von rund 800 Gigawattstunden (GWh) in Europa seien zwei bis drei europäische Zellhersteller notwendig.

Einen solchen Batteriezellproduzenten will Volkswagen, mit 21% größter Gesellschafter bei Northvolt, mit der 2022 gegründeten Konzerntochter Powerco aufziehen. 2025 soll die Produktion in der ersten Zellfabrik Salzgitter beginnen, später im spanischen Valencia und im kanadischen St. Thomas. In der maximalen Ausbaustufe will Powerco bis zu 200 GWh pro Jahr produzieren.

„Make and buy“

Unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gelte es jedoch, „die Powerco in Summe wettbewerbsfähig aufzustellen und dabei auf eine optimale Werksbelegung zu achten“, betont die VW-Konzerntochter. Europas größter Autobauer ringt mit den Folgen einer gesunkenen E-Fahrzeugnachfrage und vergleichsweise hohen Fabrikkosten in Deutschland. Batteriezellen will VW neben der Eigenfertigung auch weiterhin extern zukaufen. „Make and buy“, lautet die Devise.

Die drei Zellfabriken würden „nicht auf einen Schlag aufgebaut, sondern Zug um Zug in modularen Blöcken zu jeweils 20 Gigawattstunden“, so Powerco. Der weitere Ausbau der Produktionskapazitäten werde dann flexibel und bedarfsabhängig vorangetrieben. Mit einem Volumen von 40 GWh können abhängig von der Batteriekapazität rund 500.000 E-Fahrzeuge ausgestattet werden.

Bedarf bleibt groß

Bei VW ist man vom bald steigenden Batteriebedarf überzeugt. „Wir sehen beim Hochlauf der E-Mobilität in Europa und Nordamerika aktuell zwar eine Verschnaufpause, aber keine Trendwende." Der langfristige Bedarf an Batteriezellen bleibe groß – nicht nur für die E-Mobilität.

Beherrscht wird der Batteriemarkt von chinesischen, koreanischen und japanischen Herstellern, die unter anderem auch an Fertigungsstandorten in Europa produzieren. Europäische Hersteller deckten aktuell weniger als 5% des europäischen Bedarfs, merkt McKinsey-Partner Linder an. „Wenn man noch einen Schritt vorher in die Wertschöpfungskette schaut, zeichnet sich ein sehr ähnliches Bild ab wie bei der Zellherstellung.“

Finanzierungsoptionen

Was zu tun ist, um europäische Batterieproduzenten zu etablieren, die es mit den asiatischen Herstellern langfristig aufnehmen kann? Vergleichbare Anreize, schnellere Genehmigungsprozesse und den klaren Willen, eine lokale Industrie aufzubauen, würden die regionale Wettbewerbsfähigkeit verbessern, sagt Linder. Um den Aufbau zu finanzieren, bestünden unterschiedliche Optionen.

„Grundsätzlich stellt eine Kombination aus strategischen Investoren unter Beteiligung von Finanzinvestoren eine effektive Option dar“, konstatiert der McKinsey-Berater. Finanzinvestoren würden dabei helfen, das notwendige Kapital zusammenzubekommen, strategische Investoren wie Autohersteller brächten sowohl finanzielle Sicherheit als auch große Erfahrung in der Industrialisierung mit und als Endabnehmer des finalen Produkts. „Dieses klare Kerninteresse für das gemeinsame Vorhaben ist wichtig.“ Linder zufolge muss aber auch über staatliche Unterstützung gesprochen werden. „Aktuell ist es nicht so, dass es weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen gäbe.“

Neue Maßstäbe

Bei VW kalkuliert man für die aktuellen Fabrikprojekte der Batterietochter mit einem Investitionsvolumen von bis zu 15 Mrd. Euro, inklusive Entwicklungskosten. Als Option steht der Einstieg eines externen Investors im Raum. Der genaue Zeitpunkt für ein solches Engagement hänge vor allem auch vom Marktumfeld ab, heißt es bei Powerco. Für die Batterietochter könnte „in einem zweiten Schritt“ auch ein Börsengang in Betracht kommen. „Das wird aber erst dann ein Thema, wenn die Fabriken laufen und die Einheitszelle im Einsatz ist.“ Die Einheitszelle soll künftig alle Zellchemien ermöglichen und damit neue Maßstäbe bei Performance, Flexibilität und Kosteneffizienz setzen.


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