„Für Bondholder sind Restrukturierungen ein Albtraum"
Im Gespräch: Anke Johann und Marc Bohne
„Für Bondholder sind Restrukturierungen ein Albtraum“
Die Goodwin-Anwälte zur Entwicklung der Immobilienmärkte, den Verschiebungen in der Finanzierung des Sektors und dem Vordringen von Joint Ventures
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Die Immobilienkrise der zurückliegenden drei Jahre hat den Finanzierungsmarkt verändert. Versicherungen, Versorgungswerke und Pensionskassen hätten ihre Engagements stark zurückgefahren, berichten die Fachanwälte Anke Johann und Marc Bohne von der Sozietät Goodwin. Der Bondmarkt, ein wichtiges Finanzierungsinstrument für viele Immobilienfirmen, werde sich wieder beleben, doch die alten Zeiten kämen nicht zurück.
Alptraum Restrukturierung
Während der Niedrigzinsphase war es ein Leichtes, neue Schuldverschreibungen zu platzieren. Doch der scharfe Zinsanstieg ab 2022 führte zu einer Finanzierungskrise. Viele Schuldner sahen sich außerstande, ihren Verpflichtungen fristgerecht nachzukommen. Sie mussten mit Anleihegläubigern über Laufzeitverlängerungen, Zinsstundungen und sogar über die Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital verhandeln. Furore machten vor allem die Umschuldungen von Adler Group und Corestate Capital, aber auch bei Signa Development, Preos, Eyemaxx, Terragon, Accentro, Erwe und ESPG verloren Anleihegläubiger Geld – bis hin zum mutmaßlichen Totalausfall.
„Für Bondholder sind Restrukturierungen ein Albtraum“, sagt Bohne. Viele Investoren hätten sich mit Immobilienbonds die Finger verbrannt. Sie stünden neuen Engagements entsprechend reserviert gegenüber. Auch sei es für Schuldner im Krisenfalle einfacher, mit einer oder wenigen Banken über eine Restrukturierung zu verhandeln als mit einer Vielzahl von Anleihegläubigern. Das Fazit des Goodwin-Partners, der das Frankfurter Büro der Kanzlei leitet: „Anleihen haben im Moment einen schweren Stand.“
Die Lehre der Immobilienfinanzkrise sei, dass man eine gute Mischung brauche, sagt die auf Beratung von Darlehensnehmern spezialisierte Goodwin-Partnerin Johann. Für Emittenten seien Anleihen viel einfacher und schneller als besicherte Finanzierungen. Das spreche für eine Erholung des Bondmarkts. Börsennotierte Immobilienkonzerne wie Vonovia, TAG, Aroundtown und Grand City Properties haben inzwischen neue Unternehmensanleihen und LEG Immobilien eine Wandelschuldverschreibung emittiert.
Mezzanine-Markt in Bewegung
Banken seien vergleichsweise gut durch die Finanzierungskrise gekommen, konstatiert Johann, die im Münchener Büro der Kanzlei tätig ist und vorher als Legal Counsel der Deutschen Pfandbriefbank arbeitete. Sie hätten Beleihungsgrenzen und Term Sheets kaum verändert. Zu kämpfen hätten Mezzanine-Kapitalgeber. Dieser Markt sei stark in Bewegung. Viele Versorgungskassen hätten sich aus den hochverzinslichen Nachrangfinanzierungen zurückgezogen. Im Gegenzug kämen auf Spezialsituationen spezialisierte Debt Fonds in den Markt, hinter denen meist opportunistisch ausgerichtete Investoren stünden. Häufig handele es sich um ähnliche Geldgeber wie bei Equity Fonds.
Joint-Venture-Strukturen gefragt
Deutlich zugenommen hätten Joint Ventures, bei denen sich Investoren mit einem Partner zusammentun, der die operative Seite abdeckt. Dabei geht es beispielsweise um die Repositionierung von Immobilien wie die Umwandlung eines Bürogebäudes in Wohnungen oder um Spezialprojekte wie Micro Living (Appartements und Kleinwohnungen) und Selfstorage (Mietlager). „Investoren suchen solche Spezialsituationen. Wir beraten derzeit viele Joint-Venture-Strukturen“, sagt Bohne.
„Klare Erholung“
An den Immobilienmärkten sei eine „klare Erholung“ zu beobachten, konstatieren die Goodwin-Anwälte. Sofern es während der Krise überhaupt Transaktionen gegeben habe, seien diese meist mit Eigenkapital finanziert worden. Nun reagierten Banken wieder auf Kreditanfragen. Vor allem die Teilsektoren Logistik/Lager, Nahversorgungs-Einzelhandel, Datencenter und Selfstorage seien gefragt.
Der Büromarkt befindet sich laut Bohne nach wie vor in „starker Disruption“. Das hänge auch mit der schwierigen ökonomischen Gesamtlage zusammen. Angelsächsische Kapitalgeber seien kaum für Office-Investments zu gewinnen. Es sei eine klare Flucht aus C- in A-Standorte, also von Rand- in zentrale Lagen, und in Qualität zu beobachten. Bei Wohnimmobilien gebe es trotz kräftig steigender Mieten und des riesigen Nachfrageüberhangs erstaunlich wenig Transaktionen. Das gehe unter anderem auf starke Baukostensteigerungen und die „überzogene“ Regulierung im Bau- und vor allem im Wohnungssektor zurück, die insbesondere Auslandsinvestoren abhalte. „Wir sehen kaum neue ausländische Investments in den deutschen Wohnungsmarkt“, sagt Bohne.
Mit Immobilienanleihen haben sich viele Investoren die Finger verbrannt. Daher zweifeln die Goodwin-Partner Anke Johann und Marc Bohne am vollen Comeback dieses Finanzierungsinstruments. Am Immobilienmarkt beobachten sie eine Erholung. Verstärkt gefragt seien Beratungen zu Joint-Venture-Strukturen.
Zur Person:
Anke Johann und Marc Bohne sind Partner der US-Anwaltskanzlei Goodwin, die seit 2016 in Deutschland vertreten ist und hier mehr als 40 Anwälte beschäftigt. Bohne leitet das Büro Frankfurt, während Johann am Standort München arbeitet, der 2022 eröffnet wurde. Bohnes Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Erwerb und der Veräußerung von Immobilien und Immobilienholdinggesellschaften. Johann berät Finanzinstitute und Investoren zu Finanzierungen im Immobiliensektor und nachrangigen Verbindlichkeiten. Zuvor arbeitete die Pfandbrief-Expertin 21 Jahre als Legal Counsel für Deutsche Pfandbriefbank, Babcok & Braun und HypoVereinsbank.