Gupta hofft auf Geduld der Gläubiger
hip London
Der drittgrößte britische Stahlkocher Liberty Steel hat angekündigt, Beschäftigte in Rotherham und Stocksbridge in den Zwangsurlaub zu schicken. Das vom Zusammenbruch des Lieferkettenfinanzierers Greensill Capital betroffene Unternehmen will dafür das Coronavirus Job Retention Scheme der britischen Regierung nutzen – ein Lohnsubventionierungsprogramm, das sicherstellen soll, dass möglichst viele Arbeitsplätze die Pandemie überdauern. Unterdessen verhandelt Sanjeev Gupta, der Chef der GFG Alliance (Gupta Family Group), zu der Liberty Steel gehört, mit den Gläubigern über eine Stillhaltevereinbarung, um nicht zu Teilverkäufen gezwungen zu sein. Für einzelne Assets wie das französische Schienenwerk Hayange gibt es dem Vernehmen nach durchaus Interessenten. Angeblich belaufen sich die Schulden der Gruppe auf 3,6 Mrd. Pfund. Gupta war schon früher für die komplizierte Struktur und die undurchsichtige Finanzierung kritisiert worden. Er war ein großer Fan von Supply Chain Finance. Dabei lässt ein Unternehmen seine Lieferanten und andere Gläubiger von einem Zwischenfinanzierer wie Greensill Capital bezahlen, der ihm den Betrag erst später zuzüglich Gebühren in Rechnung stellt. Auf diese Weise können findige Finanzchefs Risiken verschleiern und mehr Liquidität zeigen, als tatsächlich vorhanden ist.
Werke in Gefahr
„Die GFG Alliance ist insgesamt operativ stark“, verlautbarte die Gruppe. „Wir profitieren von einem 13-Jahres-Hoch bei den Stahlpreisen sowie von starken Märkten für Aluminium und Eisenerz.“ Allerdings gebe es Ausnahmen „und ich muss leider sagen, dass ein Teil unseres britischen Stahlgeschäfts dazugehört“, sagte Gupta. Die Nachfrage nach einigen Produkten sei wegen des schweren Einbruchs der Luftfahrtbranche in der Pandemie um bis zu 60 % eingebrochen.
Die Probleme von Greensill haben der Gruppe zufolge eine „schwierige Situation“ geschaffen, doch habe man eine „adäquate Finanzausstattung für unsere derzeitigen Bedürfnisse“. Die Verhandlungen zur Sicherung alternativer langfristiger Finanzierungen machten gute Fortschritte, allerdings werde die Organisation einige Zeit in Anspruch nehmen. Für die Dauer des Prozesses habe man alle Geschäfte angewiesen, „vorsichtig mit Cash umzugehen“.
Wie die „Financial Times“ berichtet, ist Liberty Steel mit Umsatzsteuerzahlungen in Verzug und führte auch die einbehaltene Einkommensteuer der Mitarbeiter nicht an die Steuerbehörde HMRC ab. Die Gewerkschaften forderten unterdessen die britische Regierung zu einem weiteren Bail-out auf. Als British Steel 2019 kollabierte, nachdem Gespräche zwischen der Regierung und Greybull Capital über eine Rettung gescheitert waren, sprang der Staat ein. Er hielt den Geschäftsbetrieb für rund 1 Mill. Pfund pro Tag so lange aufrecht, bis mit der chinesischen Jingye Group ein Käufer gefunden war (vgl. BZ vom 5.3.2020). Alles in allem gehören Liberty in Großbritannien 12 Werke. Es geht um 5 500 Arbeitsplätze.