Handelsriese Otto wandelt sich zur KGaA
Im Gespräch: Michael Otto
„Ein Familienunternehmen sollte enkelfähig sein“
Handelsriese Otto Group strafft Konzernstruktur – Familienunternehmen will sich als KGaA auch Option für Börsengang offenhalten
Der Handels- und Dienstleistungskonzern Otto strafft seine Unternehmensstruktur und wandelt sich zur Kommanditgesellschaft auf Aktien. Mehrheitseigner Michael Otto will vor der Übergabe der Kontrolle an seinen Sohn den wesentlichen Familieneinfluss sichern und Finanzierungsoptionen am Kapitalmarkt schaffen.
Von Carsten Steevens, Hamburg
Im März kündigte die Otto Group einen Generationswechsel in der Kontrolle des Handels- und Dienstleistungskonzerns an. Benjamin Otto (49) soll im März 2026 als Vorsitzender des Stiftungs- und des Gesellschafterrats Nachfolger seines Vaters Michael Otto werden. Vorher noch – mit Ablauf des Ende Februar abschließenden Geschäftsjahres 2024/25 – will der 81-Jährige den Aufsichtsratsvorsitz an den seit 2017 amtierenden Konzernvorstandschef Alexander Birken abgeben. Zu diesem Zeitpunkt soll nun auch die Unternehmensstruktur gestrafft werden.
„Ich möchte die Kontrolle über die Unternehmensgruppe 2026 an meinen Sohn Benjamin übergeben und bis dahin dafür sorgen, dass wir eine überschaubare, einfache gesellschaftsrechtliche Struktur haben, die zukunftsfähig ist“, erklärt Michael Otto im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. 2015 hatte der Mehrheitsgesellschafter seine Anteile an der Otto GmbH & Co KG (Otto Group) in eine Stiftung – die gemeinnützige Michael-Otto-Stiftung – eingebracht, um den Konzern als Familienunternehmen zu erhalten.
Letzter Schritt
In den vergangenen Jahren, berichtet Otto, habe man bereits verschiedene Zwischengesellschaften wegen der komplexen Beteiligungsstruktur mit den einzelnen Gesellschaftern und der Stiftung abgeschafft und mit dem Umbau alle Gesellschafter direkt an der Otto Aktiengesellschaft für Beteiligungen beteiligt. Nach der Umwandlung der Otto AG für Beteiligungen in eine GmbH & Co. KGaA sehe der letzte Schritt zur Vereinfachung der gesellschaftsrechtlichen Struktur nun vor, die Otto GmbH & Co KG auf diese KG auf Aktien „anwachsen“ zu lassen.
„Die Unternehmensgruppe soll künftig als Otto GmbH und Co. KGaA auftreten, an der die Gesellschafter unmittelbar beteiligt sind“, erläutert der milliardenschwere Unternehmer und Stifter. Zwischengesellschaften werde es künftig nicht mehr geben. „Die Mehrheitsbeteiligung an der KGaA liegt bei der Michael Otto Stiftung." Weitere Kommanditaktionäre an dem operativen Unternehmen sind neben der Stiftung Mitglieder der Familie Otto.
Kontrolle durch Familie
Warum diese Rechtsform? Die KGaA sei eine gesellschaftsrechtliche Form, die gerade Familiengesellschaften zugutekommt, sagt Otto. Die Familiengesellschafter könnten einerseits über einen Gesellschafterrat wesentlichen Einfluss nehmen, was bei einer AG nicht gegeben sei. „Andererseits können wir mit dieser Rechtsform auch den Kapitalmarkt nutzen.“
Zwar gebe es „im Augenblick und in absehbarer Zukunft“ keine Absichten, Eigenkapital am Kapitalmarkt zu stärken. Aber man müsse auch an mögliche Entwicklungen in zehn oder 20 Jahren oder an die folgende Generation denken, betont der Sohn aus der ersten Ehe des 2011 verstorbenen Versandhaus-Gründers Werner Otto. "Wir sollten deshalb eine Gesellschaftsform haben, die zukunftsfähig ist, die uns Flexibilität und alle Möglichkeiten zur Finanzierung gibt.“
Wurzeln als Versandhaus
Die Otto Group geht zurück auf eine 1949 gegründete Personengesellschaft („Otto Versand“). 1960 wurde daraus die Otto Versand GmbH & Co KG, die 2002 in Otto GmbH & Co KG umbenannt wurde. Werner Otto verkaufte zum Ausbau des Geschäfts schrittweise Anteile am damaligen Otto Versand an drei verschiedene Gesellschaftergruppen und reduzierte seinen Anteil bis auf 50%. In späteren Jahren erwarb Michael Otto die Anteile schrittweise wieder zurück. Seit Ende 2007 gehört der Otto-Konzern wieder ganz der Gründerfamilie.
Nach Vereinfachung der komplexen gesellschaftsrechtlichen Struktur mit diversen Zwischengesellschaften erfolge der anstehende Rechtsformwechsel in Form einer Gesamtrechtsnachfolge, kündigt Otto weiter an. Für Geschäftspartner, Kunden und für die Beschäftigten werde sich nichts ändern. Gremien wie der Betriebsrat bestünden weiter, ebenso alle Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge. „Wir werden mit der neuen KG auf Aktien auch in den Arbeitgeberverband HDE eintreten, sodass wir tariflich weiterhin gebunden sind.“
Verbreitete Rechtsform
Als Beispiele für Familienunternehmen mit der Rechtsform der KG auf Aktien verweist Michael Otto auf Bertelsmann, Henkel und Merck. „Das zeigt, dass dies für Familiengesellschaften eine sehr gute Rechtsform ist.“ Wie Henkel und Merck an der Börse notiert zu sein, steht für den Otto-Konzern in absehbarer Zeit nicht an. Es gebe keine Überlegungen in diese Richtung. „Aber ich will einen Börsengang langfristig auch nicht ausschließen“, fügt Otto hinzu. "Ich möchte mir nicht später nachsagen lassen, ich hätte diese Option nicht ermöglicht.“
Otto unterstreicht, ein Verkauf des Konzerns komme nicht in Frage. Die Michael-Otto-Stiftung werde immer Mehrheitsgesellschafter bleiben. Zugleich solle die Rechtsform aber alle Möglichkeiten für eine Finanzierung offenhalten. „Als ein Unternehmer denkt man ja auch daran: Ein Familienunternehmen sollte enkelfähig sein.“
Eine Tochter an der Börse
Der Otto-Konzern hat den Kapitalmarkt bislang über die Emission von Anleihen genutzt. Im Juni 2021 ging zudem die Online-Modeplattform-Tochter About You an die Börse. Ein Börsengang sei auch bei anderen Tochtergesellschaften möglich, so Otto. Der Anteil der Otto Group und der Familiengesellschafter an About You liegt derzeit insgesamt bei 44,65%.
Die einzige börsennotierte Gesellschaft der Otto Group hält Michael Otto aktuell – wie andere E-Commerce-Fashion-Anbieter – für unterbewertet. Nach dem geschäftlichen Einbruch im Anschluss an den pandemiebedingten Boom in der Branche laufe es in diesem Jahr wieder besser für den Mode-Onlinehandel. „Ich bin überzeugt, dass für die Mode-E-Commerce-Unternehmen wieder bessere Zeiten kommen werden – auch was ihre Bewertung an der Börse angeht.“ About You – der Aktienkurs liegt aktuell mehr als 85% unter dem Emissionspreis – werde langfristig erfolgreich sein, weil es ein kreatives Unternehmen sei.
Rückkehr in Gewinnzone
Die Otto Group hatte im Geschäftsjahr 2023/24 wie im Turnus zuvor einen Verlust verbucht, zu dem auch eine außerplanmäßige Abschreibung von 175 Mill. Euro auf den About-You-Firmenwert beitrug. Im laufenden Geschäftsjahr sehe es „deutlich besser aus“, so Michael Otto. „Wir steuern nach Ergebnis und Liquidität und werden gute Gewinne zeigen, nicht nur operativ, sondern auch vor Steuern.“ Man werde auch bei der Liquidität „gut vorankommen, sodass wir in diesem Jahr ein sehr ordentliches Fundament haben“. Das, so fügt Otto hinzu, sei ihm persönlich auch wichtig, weil er den Aufsichtsratsvorsitz gerne nach einem guten Geschäftsjahr an seinen Nachfolger übergeben wolle.
Mit Blick auf strategische Investitionen im Konzern verweist Otto auf den Logistik- und den IT-Bereich. Im Oktober habe man ein neues Logistikzentrum im westpolnischen Ilowa eröffnet, für das ein mittlerer dreistelliger Millionen-Euro-Betrag in die Hand genommen worden sei. Im Sommer habe die Otto Group darüber hinaus ein Shuttle-Lager für About You im oberfränkischen Altenkunstadt eröffnet. Durch die technologische Modernisierung des Standorts, in die rund 150 Mill. Euro investiert wurde, sei Altenkunstadt einer der modernsten und größten Logistikstandorte in Europa, so Otto. „Wir unterstreichen damit unsere Ambitionen im Onlinehandel, wir wollen eine schnelle und gute Lieferung sicherstellen.“ Im IT-Bereich, vor allem im Bereich der Künstlichen Intelligenz, investiere man derzeit ebenfalls dreistellige Millionen-Euro-Beträge. „Wir müssen investieren, um auf dem neuesten Stand zu bleiben.“
Profitabilität vor Wachstum
Zu den Voraussetzungen für strategische Investitionen sagt Otto weiter, die Finanzausstattung der Otto Group werde zum Ende des laufenden Geschäftsjahres sehr gut sein. Die Eigenkapitalquote habe auch im vergangenen Jahr deutlich über dem Zielniveau von mindestens 25% gelegen. „Auch bei der Cash-Generierung sieht es gut aus, was wichtig ist für Investitionen.“ Im Jahr 2024/25 werde man einen guten Abschluss erreichen. "Derzeit sind wir nicht auf Wachstum und Umsatz fokussiert, sondern auf Profitabilität und Liquidität.“
Sorgen bereitet Otto die Verunsicherung, die von aktuellen Entwicklungen in der Politik ausgehe. „Das betrifft uns in Deutschland nach dem Bruch der Ampel-Koalition in besonderem Maße.“ Wenn sich die Bildung einer neuen Regierung noch über mehrere Monate bis weit ins nächste Jahr hinziehen sollte, habe das auch eine längere Phase der Unsicherheit zur Folge. „Das würde sich negativ auf die Konsumstimmung auswirken, gerade in Deutschland.“
Stabile Regierung notwendig
Der Anteil des Geschäfts in Deutschland am Konzernumsatz lag im Geschäftsjahr 2023/24 bei rund 56%, der Anteil Europas einschließlich Deutschland bei fast 81%. „Bislang sind wir für 2025 zuversichtlich gestimmt, was die Entwicklung der Konsumstimmung in Deutschland und was unsere Unternehmensentwicklung angeht“, so Otto.
Die politischen Rahmenbedingungen spielten aber für den Konsum eine große Rolle. „Es wäre dringend notwendig, dass der Bundeskanzler sehr schnell die Vertrauensfrage stellt", fügt der Unternehmer mit Blick auf baldige Wahlen hinzu. Deutschland benötige möglichst schnell wieder eine stabile Regierung. „Das wäre wichtig mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir in Deutschland und in Europa stehen.“