KI-Wetten beginnen sich für Big Tech auszuzahlen
KI-Wetten beginnen sich für Big Tech auszuzahlen
Amazon, Alphabet und Microsoft kurbeln Investitionen noch kräftig an – Cloud-Erlöse steigen nach Flaute beträchtlich – Milliardenverlust bei Intel
xaw New York
Die milliardenschweren Investitionen der Technologieriesen in künstliche Intelligenz (KI) beginnen sich auszuzahlen. So sind die Erlöse von Amazon, Microsoft und Alphabet aus dem Cloud-Geschäft zwischen Juli und September um 22,2% auf kombinierte 62,9 Mrd. Dollar gestiegen und haben damit mindestens das vierte aufeinanderfolgende Quartal Wachstum hingelegt. Die Nachfrage nach bereitgestellten Computerressourcen sei „weiterhin höher als unsere verfügbare Kapazität“, sagte Microsoft-Finanzchefin Amy Hood in der laufenden Woche in einer Analystenschalte.
Kampf um Hoheit bei Rechenzentren
Die Konzerne setzen darauf, dass der Boom um große Sprachmodelle, deren Training gewaltige Mengen an Daten und Strom beansprucht, für einen anhaltend hohen Bedarf an ihren Cloud-Dienstleistungen sorgt. Anfang 2022 war der jahrzehntelange Aufschwung im Geschäft mit der Bereitstellung von Computing-Ressourcen noch abgeebbt. Eine starke Position bei KI-Rechenzentren gilt im Zuge des neuen Aufschwungs als umso entscheidender für das Wachstum der Tech-Riesen. Das treibt das Investitionsaufkommen: Gemeinsam haben Alphabet, Amazon und Microsoft im abgelaufenen Quartal 50,6 Mrd. Dollar für Grundstücke und Ausstattung für Rechenzentren aufgewendet, im Vorjahr waren es 30,5 Mrd. Dollar.
Der Anteil der drei Cloud-Riesen sowie von Apple, Meta Platforms, Nvidia und Tesla – den sogenannten „Glorreichen Sieben“ – an den Investitionsausgaben im S&P 500 belief sich bereits im vergangenen Jahr auf 18%. Vor zehn Jahren lag die Quote bei 5%. Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung sprang sie in der gleichen Zeitspanne von 15% auf 40%. Analysten betonen, dass die Anteile im laufenden Jahr noch deutlich höher ausfallen dürften als 2022.
Auch Meta legt nach
So haben Alphabet, Amazon und Microsoft die Wall Street im Rahmen ihrer Zahlenvorlagen ebenso vor einem weiteren Anstieg der Aufwendungen gewarnt wie Meta Platforms. Die Facebook-Mutter will den weltweit meistgenutzten KI-Assistenten aufbauen und hat dafür im abgelaufenen Quartal 8,5 Mrd. Dollar in neue Eigentumsrechte und Ausrüstung gesteckt, das waren 1,8 Mrd. Dollar mehr als im Vorjahreszeitraum. CEO Mark Zuckerberg betonte den „ernsthaften Bedarf an Infrastruktur“ für die Zukunftstechnologie.
Doch fürchten Anleger, dass der Fokus zu einseitig ausfällt. Am Donnerstag setzten die Aktien von Microsoft und Meta infolge der um sich greifenden Kostenbedenken zurück, auch Amazon rutschten ab. Allerdings befestigte sich das Papier des E-Commerce-Riesen im Anschluss wieder kräftig. Der Konzern hatte nicht nur absolut die höchsten Aufwendungen für Rechenzentren vorzuweisen, sondern mit einem Plus von 81% auch den größten relativen Zuwachs, allerdings profitiert er auch von einer starken Entwicklung im Onlinehandel.
So machte Amazon die robuste Nachfrage nach „Basisgütern des täglichen Bedarfs“ dafür verantwortlich, dass die Gesamterlöse im dritten Jahresviertel um 11% auf 158,9 Mrd. Dollar wuchsen – eine Beschleunigung gegenüber dem vorangegangenen Quartal und ein höherer Wert als an der Wall Street prophezeit. Der operative Gewinn von 17,4 Mrd. Dollar übertraf die Erwartungen der Analysten um nahezu ein Fünftel, die für den Zeitraum zwischen Oktober und Dezember vorausgesagte Spanne von 16 Mrd. bis 20 Mrd. Dollar fiel optimistischer aus als erhofft.
Die Prognose dämpft Sorgen davor, dass Aufwendungen nicht nur für KI, sondern auch für einen satellitenbasierten Internetdienst die Profitabilität drücken. Im Gesamtjahr will Amazon nun auf eine operative Marge von 10,3% kommen, im Vorjahr fiel sie mit 6,4% bereits so hoch aus wie nie in der vergangenen Dekade. Auch die Citigroup zeigt sich zuversichtlich, dass Amazon die Profitabilität trotz zunehmender Ausgaben steigern kann.
Regulatorische Risiken sorgen für Unruhe
Derweil drohen auf dem hoffnungsvollsten Wachstumsfeld der Tech-Riesen regulatorische Rückschläge. So untersucht die US-Wettbewerbsaufsicht FTC Partnerschaften zwischen den Konzernen und Start-ups wie OpenAI und Inflection AI, die den KI-Boom durch ihre großen Sprachmodelle entscheidend befeuert haben. Inwieweit Amerikas Behörden den KI-Partnerschaften dauerhaft im Weg stehen könnten, ist laut Analysten aktuell zwar noch schwierig einzuschätzen. Allerdings seien lang anhaltende Rechtsstreitigkeiten um die Kooperationen möglich – mit ungewissem Ausgang.
Dies habe Folgen für die Innovationsfähigkeit der Tech-Riesen. Neue Entwicklungen seien zuletzt vor allem durch junge Unternehmen wie OpenAI, Inflection AI oder Anthropic und nicht durch die „großen drei“ getrieben. „Haben Amazon, Alphabet und Microsoft keinen Zugang mehr zum intellektuellen Eigentum und den großen Sprachmodellen der Start-ups, würde dies einen klaren Rückschlag bedeuten“, unterstreicht Karen Kharmandarian, Investmentchef der Natixis-Tochter Thematics Asset Management.
Schwierige interne Innovation
Schließlich steckten sie nicht nur Milliarden in die Kooperationen, sondern setzten KI-Anwendungen der Start-ups in bestehenden Produkten ein. Zwar verfügten die Großkonzerne über ausreichend Finanzkraft, Daten und Rechenkapazitäten, um auch intern noch innovativ zu sein. Allerdings werde ihre Entwicklungsfähigkeit dadurch gehemmt, dass Schwächen und Fehlschläge sich stark negativ auf ihre Markenimages auswirken und damit schwer kontrollierbare finanzielle Risiken nach sich ziehen könnten.
Dass es indes riskanter ist, nicht rechtzeitig auf KI zu setzen, hat Intel gezeigt. CEO Pat Gelsinger hatte bereits im August eingeräumt, der Boom um die Technologie sei „weitaus stärker akut, als ich erwartet hatte“. Die Folge der von Analysten angeprangerten Verschlafenheit sind Milliardenverluste, eine Aussetzung der Dividende, Massenentlassungen und ein Baustopp bei Projekten wie einer Chipfabrik in Magdeburg.
Hoffnung auf die Wende
Im abgelaufenen Jahresviertel überraschte Intel die Wall Street mit ihrem schwersten Absturz in die roten Zahlen in der 56-jährigen Firmengeschichte, der Fehlbetrag belief sich auf 16,6 Mrd. Dollar. Hintergrund sind Abschreibungen und Restrukturierungskosten. CFO David Zinsner hob Fortschritte beim Sparprogramm des Chipriesen hervor, zugleich sackten die Erlöse weniger stark ab als befürchtet. Intel sieht nun die Grundlage für eine wieder anziehende Ertragskraft – bis aber ähnliche Investition möglich sind wie bei der Spitzenkonkurrenz aus dem Silicon Valley, dürfte laut Analysten noch viel Zeit vergehen.
Amerikas Technologieriesen wollen ihre Investitionen in künstliche Intelligenz noch einmal beschleunigen. Zwar zahlen sich die hohen Aufwendungen im Cloud-Geschäft langsam aus, doch regulatorische Risiken sorgen für Unruhe unter Anlegern, aus deren Sicht der Fokus auf die Technologie zu einseitig ausfällt.