Kursrückgang bei Kandidaten für US-Delisting
Von Norbert Hellmann, Schanghai
An den Aktienbörsen in Hongkong und Schanghai macht sich Unbehagen über das Rückzugsmanöver einer Gruppe von chinesischen Staatsunternehmen in Sachen US-Kapitalmarktpräsenz breit. Am Freitagabend hatten fünf große chinesische Staatskonzerne in einer konzertierten Aktion angekündigt, dass sie ein „Delisting“ planen und damit ihre sekundäre Aktiennotierung an der New Yorker Börse in Kürze aufgeben wollen. Bei den Unternehmen handelt es sich um die beiden führenden Ölkonzerne des Landes, Petrochina und Sinopec, den größten chinesischen Aluminiumproduzenten Chalco, den Assekuranzriesen China Life Insurance sowie die zu Sinopec gehörende, aber separat gelistete Petrochemie-Firma Shanghai Sinopec.
Am Montag sah man insbesondere bei den Notierungen an der Hongkonger Börse durchweg negative Reaktionen auf die Aktion. Der Kurs von Petrochina, dem größten Ölförderer Asiens, ging um 3,4% zurück, auch Sinopec und Chalco verloren um mehr als 3%. Bezeichnenderweise stehen nicht nur die Kurse der bereits offiziell zum Weggang von der New Yorker Börse fest entschlossenen Firmen, sondern auch die anderer großer chinesischer Staatskonzerne unter Druck.
Marktteilnehmer gehen davon aus, dass nach und nach Unternehmen, die von der chinesischen Zentralregierung direkt kontrolliert werden und über eine Listing-Präsenz in den USA verfügen, in den kommenden Tagen oder Wochen vergleichbare Delisting-Ankündigungen vom Stapel lassen werden. Als nächste Kandidaten auf einen Rückzug gelten die staatlichen Carrier China Eastern Airlines und China Southern Airlines, die bereits vor 25 Jahren als eine der ersten chinesischen Unternehmen mit einem Zweitlisting nach New York gegangen waren, um ihre internationale Hinwendung auch über eine Aktienkapitalmaßnahme zu belegen. An der Hongkonger Börse gaben die Notierungen der beiden Fluggesellschaften sowie auch die Aktie von Air China um bis zu 3% nach.
Die Listings der chinesischen Staatskonzerne in den USA hatten seit jeher mehr einen Prestige-Charakter als eine Bedeutung für ihre Kapitalbeschaffungspläne. Da der Handel mit den Titeln in den USA im Vergleich zur Umsatzaktivität an den Börsen in Hongkong und Schanghai sehr gering ist, dürfte das Rückzugsmanöver dieser Unternehmensgruppe keine größeren Kapitalmarktauswirkungen zeitigen und eher eine politische Signalfunktion haben.
So scheinen die Delisting-Ankündigungen in einem direkten Zusammenhang mit verschärften Streitigkeiten zwischen China und den USA in der Taiwan-Frage und dem Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi auf der von China beanspruchten, aber unabhängig regierten Insel Taiwan zu stehen.
Allerdings könnte man vermuten, dass in einem etwas größeren zeitlichen Abstand auch chinesische Technologie-Unternehmen von der Pekinger Regierung dazu gezwungen werden könnten, den für sie wesentlich bedeutsameren Auftritt am US-amerikanischen Kapitalmarkt zu beenden.