Finanzierungen

Mehr inner­deutsche Deals denn je

Noch sind die Geldschleusen der Notenbanken geöffnet. Viele Unternehmen und Finanzinvestoren nutzen die guten Konditionen noch schnell für Übernahmen, Hochzinsanleihen und Börsengänge.

Mehr inner­deutsche Deals denn je

cru Frankfurt

Unternehmen mit schlechterer Bonität nutzen noch schnell das günstige Finanzierungsumfeld für Hochzinsanleihen, bevor die Notenbanken damit beginnen, ihre Anleihekäufe zurückzufahren. Laut Datenanalyseanbieter Refinitiv haben die deutschen High-Yield-Unternehmensanleihen in diesem Jahr bisher ein Volumen von mehr als 17 Mrd. Dollar erreicht. Dies entspricht einem Anstieg von 22% im Vergleich zur Vorjahreszeit und dem höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1980.

Oft geht es bei Hochzinsanleihen um die Finanzierung von Unternehmensübernahmen durch Finanzinvestoren, die in diesem Jahr schon für 15,5 Mrd. Euro in Deutschland eingekauft haben. Deren Kassen sind zwar übervoll mit Kapitalzusagen ihrer renditesuchenden Investoren, aber sie ergänzen das „Dry Powder“ mit Fremdkapital, um die Eigenkapitalverzinsung zu hebeln.

Der Deal-Wert von M&A-Transaktionen im Inland – also mit zwei in Deutschland ansässigen Transaktionspartnern – verdreifachte sich unter anderem deshalb 2021 bis dato auf knapp 58 Mrd. Dollar. Auch das ist der größte Betrag für diese Zeitspanne seit Beginn der Aufzeichnungen 1980.

Der Wert aller M&A-Transaktionen mit deutscher Beteiligung erreichte laut Refinitiv bisher im Jahr 2021 gut 169 Mrd. Dollar, ein Anstieg um 36% im Vergleich zur Vorjahreszeit und zugleich ein Drei-Jahres-Hoch. Das Volumen von Deals mit einem deutschen Zielunternehmen stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 62% auf 116 Mrd. Dollar und übertrifft schon jetzt das gesamte vergangene Jahr.

„Der größte Private-Equity-Deal in diesem Jahr entfällt mit rund 4 Mrd. Euro Unternehmenswert für Birkenstock auf die Consumer-Branche“, sagt Christian Wagner, Managing Director bei Morgan Stanley in Frankfurt und verantwortlich für die Private-Equity-Deals, der Börsen-Zeitung. „Exits aus Unternehmensbeteiligungen in den Sektoren Technologie und Healthcare erfolgten oft über Börsengänge.“ Die Preise seien hoch, die Bewertungen aber dennoch in Ordnung, da Europa strukturell unterbewertet sei – im Vergleich zu den USA, so Wagner. „Jeder Finanzinvestor prüft als Alternative zum Verkauf auch ein IPO.“ Aber die Investoren bei Börsengängen seien wegen der Fülle des Angebots deutlich wählerischer geworden.

Im vierten Quartal noch mehr

„Wir erleben aktuell eine sehr hohe Aktivität im Markt, von der wir erwarten, dass sie im vierten Quartal noch weiter zunehmen wird, weil zum einen Liquidität in hohem Maße verfügbar ist und zum anderen in vielen Branchen weiterhin hoher Konsolidierungsbedarf besteht. Auch die Notwendigkeit, sich durch Zu- oder Verkäufe neu auszurichten und auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren, ist stark gegeben“, sagt M&A-Anwalt Tobias Larisch von der Kanzlei Latham&Watkins.

Neben den Verkäufen aus Private-Equity-Portfolios stehen auch mindestens vier milliardenschwere Carve-outs großer Konzerne an – nämlich ABB Turbo, Bayer Environmental Science, Lufthansa Technik und die Siemens-Tochter Yunex. „Bei allen diesen Deals kommen auch Finanzinvestoren als Käufer in Frage“, sagt Morgan-Stanley-Banker Wagner. „Es wird zwar viel Leverage bei der Finanzierung eingesetzt. Aber da die Bewertungen insgesamt gestiegen sind, ist der Fremdkapitalanteil bei den Deals nur gleich geblieben oder teilweise sogar gesunken.“ Das Verhältnis habe sich in Richtung solider Kennzahlen verbessert. „Die hohen Bewertungen sind von hohen Wachstumserwartungen getrieben. Mittelfristig dürften sich die Bewertungen wieder verringern, weil sich die Wachstumshoffnungen wahrscheinlich nicht in vollem Umfang erfüllen werden“, erwartet Wagner.

Der Markt für mittelgroße Transaktionen hat mit bis dato 31 Mrd. Dollar den höchsten Stand seit 2007 erreicht, was unter anderem auf das starke Wachstum im Technologiesektor zurückgehe. Die Industrie war mit einem Deal-Wert von 3,7 Mrd. Dollar der zweitstärkste Sektor bei den mittelgroßen Transaktionen, dicht gefolgt von der Immobilienbranche mit 3,6 Mrd. Dollar.

Der größte Deal mit deutscher Beteiligung in diesem Jahr war Vonovias Ankündigung, für knapp 35 Mrd. Dollar die Deutsche Wohnen zu übernehmen. Es handelt sich um die viertgrößte Transaktion mit einem deutschen Zielunternehmen aller Zeiten sowie die neuntgrößte Transaktion mit deutscher Beteiligung.

Auch das Volumen der Kapitalerhöhungen und Börsengänge erreichte mit einem Plus von 14% auf 28 Mrd. Dollar den höchsten Wert seit 2011. Durch die bisher 16 Börsengänge in Frankfurt wurden bisher 11,5 Mrd. Dollar eingenommen, was den besten Jahresstart seit dem Jahr 2000 markiert. Damit erzielten Börsengänge 41% des Aktienemissionsvolumens in Deutschland.

Die größte Kapitalerhöhung des Jahres war die Folgeplatzierung durch Siemens Healthineers mit einem Volumen von 2,7 Mrd. Dollar. Das bisher größte IPO in diesem Jahr gelang Vantage Towers mit einem Volumen von 2,6 Mrd. Dollar.

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