Mehr Tempo für mehr Ladesäulen
Von Joachim Herr, München
In den Ausbau der Infrastruktur für das Laden von Elektrofahrzeugen kommt mehr Bewegung. Die Politik forciert ihre Anstrengungen, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, und die Industrie engagiert sich verstärkt selbst. Jüngstes Beispiel ist Mercedes-Benz. Der Stuttgarter Konzern kündigte jetzt auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas den Start für den Aufbau eines Netzes von Stationen an, das bis zum Ende dieses Jahrzehnts entstehen soll – mit „Schnelladehubs“ in wichtigen Städten und Ballungszentren.
Den Anfang macht Mercedes-Benz in den USA und Kanada, wo in diesem Jahr die ersten Ladeparks gebaut würden. Der Vorstandsvorsitzende Ola Källenius verlangt: „Um den Wandel zur Elektromobilität zu beschleunigen, müssen wir sicherstellen, dass auch das Ladeerlebnis Schritt hält.“ Die Kunden verdienten „ein überzeugendes Ladeerlebnis, das den Besitz eines Elektrofahrzeugs und Langstreckenfahren unkompliziert macht“. Der Konzernchef begründet das Engagement des Unternehmens für ein Netz mit Ladestationen zusammengefasst mit den Worten: „Wir wollen nicht zusehen und abwarten, bis es gebaut ist.“
Jon Yoder, der Vorstandsvorsitzende von MN8 Energy, erhofft sich von dem Projekt, dass eines der größten Hindernisse für E-Fahrzeuge verschwindet: „die Reichweitenangst“. MN8 Energy zählt sich zu den größten Betreibern von Solarenergie- und Batteriespeichern und ist wie Chargepoint, ein Anbieter von Ladenetzwerktechnik, Partner für die Ladeparks von Mercedes-Benz in Nordamerika. Später sollen solche Stationen des Unternehmens in Europa, China und anderen wichtigen Märkten hinzukommen.
Masterplan der Regierung
In Europa versucht die Politik, mehr Tempo zu machen. Im Oktober 2022 stimmte eine Mehrheit im Europaparlament für den Ausbau der Infrastruktur: An den Hauptverkehrsstraßen sollen bis zum Jahr 2026 im Abstand von 60 Kilometern Ladestationen gebaut werden. 2028 soll es ein Netz von Wasserstofftankstellen geben, die höchstens 100 Kilometer voneinander entfernt sind. Hierzulande hat die Bundesregierung im Herbst den Masterplan Infrastruktur II verabschiedet. Für Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lautet das Ziel, Laden müsse so einfach wie Tanken werden. Deshalb soll es jetzt schneller gehen, um hierzulande ein flächendeckendes Netz von Ladestationen aufzubauen.
Ziel für das Jahr 2030 sind 1 Million öffentliche Ladepunkte hierzulande. Nach den jüngsten Zahlen der Bundesnetzagentur waren es am 1. November 2022 etwas mehr als 72000, darunter knapp 12000 Schnellladestellen.
Für das Ausbauprogramm stellt der Bund 6,3 Mrd. Euro bis zum Jahr 2025 zur Verfügung. Gefördert werden auch private Ladestellen, die mit Solarenergie betrieben und als Stromspeicher genutzt werden. Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), zeigt sich zufrieden mit dem Masterplan. Aus ihrer Sicht enthält er „viele wichtige und sinnvolle Maßnahmen und schafft damit die Grundlage für eine spürbare Beschleunigung des Ladeinfrastrukturausbaus“.
Zuvor war Müller vor allem als Kritikerin der Autopolitik in Europa aufgefallen. Den Beschluss, von 2035 an nur noch klimaneutrale Neuwagen zuzulassen, beklagt sie als Entscheidung gegen Technologieoffenheit – vor allem mit Blick auf synthetische Kraftstoffe. Den immer noch mehr als mangelhaften Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur ignorierten die Umweltminister der EU, hatte die VDA-Präsidentin im Juni 2022 moniert. In Richtung der Bundesregierung mahnt sie nun, die im Masterplan vorgesehenen Schritte rasch und konsequent zu gehen.
Treffen mit dem Kanzler
Darum dürfte es auch in dem Treffen von Politik und Industrie gehen, zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für den kommenden Dienstag eingeladen hat. Klimaschutz und anderes sollen Themen der als Mobilitätsgipfel bezeichneten Veranstaltung sein. Von Mercedes-Benz heißt es, der wichtigste Aspekt sei mehr Tempo für den Wandel zur Elektromobilität.
Dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur global nur langsam vorankommt – gemessen am Wachstum des Anteils der E-Autos –, verdeutlicht eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger. Vor allem in Südostasien und im Nahen Osten verschlechterte sich das Verhältnis von Elektrofahrzeugen zu öffentlichen Ladepunkten von der zweiten Jahreshälfte 2021 zur ersten des vergangenen Jahres (siehe Grafik). In diesen Regionen habe die Entwicklung der Infrastruktur mit dem rasanten Wachstum der Elektrofahrzeuge nicht mithalten können.
In Europa verbesserte sich die Quote im ersten Halbjahr 2022 etwas. Doch die Studienautoren begründen dies in erster Linie mit sinkenden Verkäufen der E-Autos. Dass sich das Verhältnis auch in der Region Asien-Pazifik etwas günstiger entwickelte, liegt nach Erkenntnissen von Roland Berger hauptsächlich am schnellen Ausbau in China: Dort habe die Zahl der Ladepunkte vom einen zum anderen Halbjahr um ein Drittel zugenommen.
In Nordamerika verschlechterte sich die Quote. Mercedes-Benz will mit dem Aufbau eines eigenen Netzwerks nun einen Beitrag für eine bessere Versorgung mit Ladesäulen leisten. Etwas mehr als 1 Mrd. Euro sollen in insgesamt sechs bis sieben Jahren investiert werden, wie auf der CES in Las Vegas angekündigt wurde. Das Kapital dafür stellten je zur Hälfte das Unternehmen und der Partner MN8 Energy bereit, berichtet Mercedes-Benz. Die Ladesäulen stünden auch für die Autos der Konkurrenten bereit, Kunden von Mercedes-Benz könnten jedoch reservieren.
Andere Hersteller beteiligen sich ebenfalls am Ausbau der Infrastruktur. So gab Volkswagen im vergangenen Monat Einzelheiten zu einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem italienischen Energiekonzern Enel bekannt. Bis 2025 sollen so in dem südeuropäischen Land 3000 Schnellladepunkte hinzukommen, die mit Strom aus erneuerbaren Energien gespeist werden.
Elli verdoppelt Angebot
Mit dieser und anderen Kooperationen will VW weltweit rund 45000 solcher Ladepunkte schaffen. Ziel ist aus Sicht von Vorstandschef Oliver Blume, einen besseren Zugang zur Elektromobilität anzubieten – auch auf Langstrecken und trotz der stark gestiegenen Strompreise.
2018 gründete Volkswagen den Energiedienstleister Elli. In Europa gebe es in 27 Ländern mittlerweile rund 400000 Ladepunkte von mehr als 800 Betreibern, die Kunden von Elli nutzen könnten, berichtete VW vor einem Monat. In eineinhalb Jahren habe sich die Zahl der Ladepunkte verdoppelt.