Streaming-Riese übertrifft Markterwartungen

Netflix widersteht dem Abwärtstrend im Tech-Sektor

Netflix übertrifft mit ihrer Gewinnentwicklung im ersten Quartal die Erwartungen. Die Aktie sticht damit in einem sonst gebeutelten Tech-Sektor positiv hervor.

Netflix widersteht dem Abwärtstrend im Tech-Sektor

Netflix widersteht der Tech-Malaise

xaw New York

Netflix lehnt sich erfolgreich gegen die Misere im Tech-Segment auf. Der Streaming-Marktführer hat mit seiner Gewinnentwicklung im ersten Quartal die Erwartungen der Wall Street übertroffen und seiner für Sektorverhältnisse ungewöhnlich stabilen Aktie damit neuerliche Unterstützung geliefert. Unter dem Strich blieben zwischen Januar und März 2,89 Mrd. Dollar und damit 23,9% mehr als im Vorjahreszeitraum. Dies entsprach einem Überschuss von 6,61 Dollar pro Aktie, die vom Datendienst Factset ermittelte Konsensprognose hatte lediglich bei 5,71 Dollar gelegen.

Profitabilitätssprung erwartet

Der Umsatz zog um 12,5% auf 10,5 Mrd. Dollar an. Für das zweite Quartal rechnet das Unternehmen mit einem noch stärkeren Erlöswachstum um 15,4% auf 11,04 Mrd. Dollar, einem Gewinnsprung um 42% zum Vorjahr und einem Anstieg der operativen Marge um über 6 Prozentpunkte auf 33,3%. Dabei würden sich die jüngsten Preiserhöhungen, ein anhaltendes Nutzerwachstum und frische Werbeerlöse bemerkbar machen, schrieb Netflix im vierteljährlichen Brief an die Aktionäre. Das Unternehmen hält an der Gesamtjahres-Umsatzprognose von 43,5 bis 44,5 Mrd. Dollar fest und verweist dabei auch auf eine angepeilte Verdopplung der Anzeigeneinnahmen.

Vom Präsidenten unter Druck gesetzt: Tech-Riesen um die von Tim Cook (Hintergrund Mitte) geführte Apple leiden unter Donald Trumps Handelspolitik. Foto: picture alliance / abaca | Pool/ABACA.

Die Netflix-Anleger nehmen den „guten Start ins Jahr“, wie das Unternehmen schreibt, mit Freude auf. Die Aktie hat zwischen Anfang Januar und Handelsschluss in New York am Donnerstag um rund 10% zugelegt, der technologielastige Nasdaq Composite hat im gleichen Zeitraum um nahezu 16% nachgegeben. Denn der von US-Präsident Donald Trump losgetretene Handelskrieg jagt Schockwellen durch den Sektor. Washingtons Strafzölle treffen mit Apple einen Streaming-Rivalen von Netflix besonders hart, wird dessen Kernprodukt iPhone doch zu über 80% in China gefertigt – zudem ist die Volksrepublik als Endkundenmarkt enorm wichtig, auch wenn die inländische Konkurrenz um Huawei Apple bereits in den vergangenen Quartalen bedeutende Marktanteile abgenommen hat.

Tech-Konkurrenz unter Druck

Das iPhone kam im Schlussquartal 2024 laut der Research-Firma IDC zwar noch auf 17,4% der Smartphone-Verkäufe in China, gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet dies allerdings einen Verlust von 2,6 Prozentpunkten. Lokalmatadoren wie Xiaomi und Vivo erzielen inzwischen Anteile zwischen 16 und 17,2%, und gerade der Druck durch Huawei wächst bedeutend. Der seit 2019 mit US-Sanktionen belegte Konzern aus Shenzhen stellte im September 2023 das Mate 60 Pro vor, das zu ultraschneller Datenkonnektivität in der Lage ist. Zudem verhängte die Regierung in Peking einen Bann verhängt, gemäß dem Beamte keine iPhones mehr im Arbeitsumfeld nutzen dürfen.

Auch der Börsenliebling der vergangenen beiden Jahre, Nvidia, ist zum Spielball der Geopolitik geworden. Der Chipdesigner warnte am Dienstag vor einer Sonderbelastung im Volumen von 5,5 Mrd. Dollar, die im Ende April abzuschließenden Quartal auf die Bilanz durchschlagen werde. Grund für die Ankündigung sind verschärfte Exportkontrollen für Halbleiter. Für den Verkauf des für den chinesischen Markt hergestellten H20-Chips, der aufgrund bestehender Ausfuhrbeschränkungen deutlich weniger leistungsfähig ist als in den USA verwendete Prozessoren, benötigt Nvidia nun eine Sonderlizenz. Die Aktie brach auf die Offenlegung hin ein, im laufenden Jahr hat sie mehr als ein Viertel ihres Werts verloren.

Uneinholbarer Vorsprung

Für Netflix ist die Investorenstimmung indes ausgesprochen positiv. Laut dem Datendienst Refinitiv empfehlen 38 von 50 Analysten, die den Titel regelmäßig beobachten, die Aktie des Streaminganbieters zum Kauf, davon 13 mit besonderem Nachdruck. Zwölf Investmenthäuser raten zum Halten, Verkaufsempfehlungen finden sich in der Datenbank nicht. Wedbush Securities hält den Vorsprung von Netflix gegenüber der Video-on-Demand-Konkurrenz schon lange für uneinholbar, Bank of America erklärte die „Streaming Wars“ bereits Anfang des vergangenen Jahres für beendet.

Die Zeiten, in denen das Unternehmen wie im ersten Halbjahr 2022 in großem Stil Abonnenten an neue Rivalen um Apple, Amazon und Disney verlor, sind lange vorbei. Allein im Schlussquartal 2024 gewann Netflix 18,91 Millionen Kunden hinzu und damit nicht nur fast doppelt so viele wie an der Wall Street erwartet, sondern auch mehr als während der Corona-Hochphase 2020.

Stark genug für Preiserhöhungen

Bei Aktionären wurde darauf allerdings die Befürchtung wach, dass der Abonnentenzuwachs nur auf der Nachfrage nach einer kleinen Zahl neuer Inhalte basierte und damit nicht nachhaltig sei. Co-CEO Greg Peters moderierte solche Bedenken unvermittelt ab und machte deutlich, dass sich der Streaming-Primus stark genug für neuerliche Preiserhöhungen fühlt. Im Januar hob das Unternehmen die Abonnementgebühren bereits einmal mehr an, in den USA kostet die Premium-Variante inzwischen 24,99 Dollar pro Monat.

Die Wrestler von „WWE Raw“ um Drew McIntyre sind montags live bei Netflix zu sehen. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Javier Rojas.

Aus dieser Position der Stärke heraus führen Peters und sein Co-CEO Ted Sarandos den Streaming-Markt gerade in eine neue Ära: Seit dem vergangenen Jahr treibt Netflix eine Expansion ins Live-Geschäft voran und überträgt unter anderem Spiele der American-Football-Liga NFL, Boxkämpfe und Veranstaltungen der Wrestling-Promotion WWE. Die Entwicklung ist auf grundlegendere Veränderungen in den Abonnementmodellen des Streaming-Vorreiters zurückzuführen.

Werbefinanzierte Variante zieht Kunden an

Denn Netflix führte im Herbst 2022 eine werbefinanzierte Variante ein. Im vierten Quartal 2024 zog diese in Märkten, in denen sie verfügbar war, mehr als 55% der Neukunden auf sich. Gegenüber dem Vorquartal wuchs die Nutzerzahl in dem Segment um 30%. Mit ihren 301,63 Millionen Abonnenten gilt Netflix bereits als äußerst attraktive Plattform. Über Live-Events sollen sich noch größere Chancen zur Produkt- und Anzeigeplatzierungen ergeben.

Doch die neue Fokussierung wird für Netflix zur riskanten Wette. Denn technische Pannen führen seit dem Start der Live-Strategie wiederholt zu Übertragungsausfällen bei Großereignissen. Der Analysedienst Agora warnt davor, dass selbst geringe Latenzen das Nutzererlebnis bei Livesport-Ereignissen erheblich einschränken. Es bestehe nun „dringender Bedarf, die Streaming-Technologie auf den neuesten Stand zu bringen, um Nutzern eine stärker synchronisierte Erfahrung zu bieten.“ Sonst drohen frustrierte Kunden in größeren Zahlen Abonnements zu kündigen. Die Aktionäre haben nach Ansicht vieler Analysten indes überraschend schnell verdaut, dass das Unternehmen mit der aktuellen Quartalsvorlage nicht mehr vierteljährlich über die Entwicklung seiner Nutzerzahlen berichtet. Mit dem Narrativ, Netflix kehre vom reinen Wachstumsfokus ab und konzentriere sich stärker auf die Profitabilität, hat das Management an der Börse bisher Erfolg.

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