Infrastrukturgüterindustrie

Siemens lässt Handelsstreit links liegen

Die Handelskonflikte hindern Siemens nicht am Erreichen der Prognosen. Im zweiten Quartal scheint der Konzern seine Ziele erreicht zu haben, wie sich aus einer Präsentation von Finanzvorstand Ralf Thomas vor Investoren herauslesen lässt.

Siemens lässt Handelsstreit links liegen

Siemens hält Kurs auf Quartals-Ziel

Finanzvorstand Thomas vor Investoren: Keine Gefährdung der Prognose – Erstaunt über Resonanz auf Stellenabbau

Die Handelskonflikte hindern Siemens nicht am Erreichen der Prognosen. Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres scheint der Konzern seine Ziele erreicht zu haben, wie sich aus einer Präsentation von Finanzvorstand Ralf Thomas herauslesen lässt. Der Manager zeigt sich erstaunt über die Aufregung rund um den Stellenabbau.

mic München

Siemens zeigt sich überrascht von der Resonanz auf den am Dienstag verkündeten Abbau von 6.050 Stellen. „Es gab erstaunlich viel Aufregung gestern, nachdem wir die Zahlen veröffentlicht haben“, sagte Finanzvorstand Ralf Thomas auf einer Investorenkonferenz der Bank of America in London. Schließlich habe Siemens die gleiche Dimension schon im vergangenen November genannt. Damals war von einer niedrigen bis mittleren vierstelligen Zahl die Rede gewesen.

Bei den Vertretern der Arbeitnehmer war der Plan auf harsche Kritik gestoßen. Siemens-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Birgit Steinborn erklärte, man sei angesichts des massiven geplanten Abbaus überrascht und verärgert. Die IG Metall und ihre Vertreter stießen in das gleiche Horn.

Deutschland ohne Wachstum

Weniger als die Hälfte der angekündigten Stellenstreichungen betreffe Deutschland, betonte dagegen Thomas: „Wir haben immer wieder gesagt, dass wir Wachstumschancen folgen müssen, nicht der Geografie.“ Zumindest für jemandem mit deutschem Pass sei es enttäuschend zu sehen, dass Deutschland seit drei Jahren nicht wachse. Thomas betonte, Siemens habe im Moment rund 2.000 offene Stellen in Deutschland: „Wir sind bereit, in Umschulung und Weiterbildung zu investieren.“

Der Finanzvorstand zeigte sich angetan von dem geplanten Infrastrukturprogramm, das der Bundestag am Dienstag beschlossen hat: „Europa ist offensichtlich auf dem Weg, neuen Schwung zu finden – insbesondere Deutschland.“ Siemens allerdings sei global ziemlich gut aufgestellt, dies sei in diesen Zeiten sehr hilfreich.

Handelsstreit hemmt

Thomas räumte ein, dass Handelsauseinandersetzungen nicht hilfreich seien: „Politische Unsicherheit führt meist zu einer Art Lähmung bei Entscheidern.“ Aktuell betreffe dies nicht nur die USA, sondern auch andere Regionen: „Wir sehen in manchen Bereichen Zurückhaltung, vor allem bei Kunden, die ihre Geschäftsmodelle bislang sehr ambitioniert vorangetrieben haben.“ Sie fragten sich jetzt, welche Rolle ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) in der Zukunft noch spiele. Aber er habe noch niemanden sagen gehört, dass er sich von seinen CO2-Zielen zurückziehe.

Automatisierung normalisiert sich

Siemens betreibe zudem ein reines B2B-Geschäft mit sehr rationalen Entscheidern, betonte Thomas. Würde die Unsicherheit länger anhalten, wäre das natürlich ein anderes Spiel: „Aber ehrlich gesagt sehe ich das momentan nicht.“ Es sei vielmehr ein temporäres Phänomen, das natürlich negativ für die Entwicklung des globalen Bruttoinlandsprodukts sei.

Siemens habe im – Ende März endenden – zweiten Quartal des Geschäftsjahres wie erwartet abgeschlossen, erklärte Thomas. Die Unsicherheiten hätten keine Auswirkungen auf die Siemens-Prognose, und zwar weder für das zweite Quartal noch für den Ausblick auf das Gesamtjahr, ließ Thomas erkennen. Dies gelte für die beiden Kernsparten Digital Industries und Smart Infrastructure und für Mobility.

Schwung in China

Unverändert rechne er damit, dass sich der Automatisierungsmarkt bis zum Ende des zweiten Quartals normalisiert, sagte Thomas. In China laufe die Automobilindustrie deutlich besser als in Europa oder den USA: „Da ist Schwung drin.“ In dem Land sei Siemens mit Blick auf Volumen bzw. Lagerbestand vielleicht sogar einen Tick besser unterwegs als ursprünglich gedacht.

Auftragsbestand beinahe normal

Die Aufträge vor Ort normalisierten sich merklich. Der Auftragsbestand sei sehr nah an dem Volumen, das er als „normal“ bezeichnen würde. Die Lagerbestände bei den Distributoren liegen noch bei etwa neun bis zehn Wochen. Schwieriger einzuschätzen sei, was die Siemens-Kunden und OEMs noch auf Lager hätten.

Die chinesischen Wettbewerber hätten sich in den vergangenen drei bis fünf Jahren erheblich verbessert, sagte Thomas. Sie gewännen Marktanteile in den unteren Segmenten. Sie seien ziemlich wettbewerbsfähig, nicht nur bezogen auf die Kosten, sondern auch auf die Qualität: „Das müssen wir anerkennen.“ Aber in den Top-Marktsegmenten – also dort, wo höchste Qualität gefordert ist – sei Siemens nach wie vor sehr stark.

Neuerungen auf Hannover Messe

Um im mittleren Segment besser zu bestehen, habe Siemens ein Programm gestartet, das sich bald materialisiere, erläuterte der Vorstand. Produkte seien von lokalen Ingenieuren in China für den dortigen Markt entwickelt worden. Eine Handvoll Produkte seien im Vertrieb, inklusive kompletter lokaler Lieferketten. Insgesamt seien 18 Produkte geplant. Der Konzern will die Neuerungen auf der Hannover Messe vom 31. März an vorstellen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.