„Teillösung“ für Gasengpass nimmt Gestalt an
cru Frankfurt
Deutschland hat keine kurzfristige Alternative zu russischem Gas in ausreichender Menge, macht aber Fortschritte in Richtung einer teilweisen Übergangslösung. „Diese beruht auf einer beträchtlichen, aber begrenzten staatlichen Unterstützung für die Industrie und überlässt den Märkten die Arbeit“, schreibt Analyst Sebastian Zank von der Ratingagentur Scope. „Während die politischen Entscheidungsträger in Berlin und die Führungskräfte der energieintensiven Unternehmen in Deutschland darauf warten, dass der russische Energieriese Gazprom die Gaslieferungen durch die Nord-Stream-1-Pipeline nach dem Wartungsstillstand am 21. Juli 2022 wieder aufnimmt, nimmt der Plan Gestalt an – zur Eindämmung der Energieinflation, zur Aufrechterhaltung funktionierender Energiemärkte und zur Aufrechterhaltung der Industrieproduktion, ohne die Staatsfinanzen zu sehr zu belasten.“
Im Mittelpunkt des Plans stehe, dass die rekordhohen Gaspreise ihre Wirkung entfalten und die Nachfrage dämpfen sollen. Jüngsten Daten zufolge sei dies bereits der Fall, wenngleich ein selbst auferlegter Boykott russischer Energieprodukte durch einige Verbraucher und andere Anreize eine Rolle gespielt hätten. Im Mai 2022 wurden in Deutschland 35 % weniger Gas verbraucht als im gleichen Monat des Vorjahres.
Zudem ändert die Bundesregierung weiter ihren Notfallplan für Gas. Die jüngsten Änderungen des deutschen Energiesicherheitsgesetzes sehen zwei Möglichkeiten vor, die gestiegenen Gasbeschaffungskosten weiterzugeben, sobald die Bundesnetzagentur festgestellt hat, dass das Land von einer Gasknappheit betroffen ist. Zum einen über eine Preisanpassungsklausel für Direktkunden und zum anderen über eine Umlage, um die Last der gestiegenen Preise auf alle Kunden zu verteilen. Auch die Rationierung von Gas bleibt eine Option. Die Bundesregierung bereitet auch eine schnellere finanzielle Unterstützung für Unternehmen des Sektors vor, wie etwa für den Energieversorger Uniper – dessen größter Einzelaktionär die finnische Fortum ist –, der durch sein Gasversorgungsgeschäft unter finanziellem Druck steht. Uniper erklärte, man verliere täglich einen „mittleren zweistelligen Millionenbetrag“. Andere deutsche Versorgungsunternehmen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, sind die Gasimportabteilung VNG der EnBW und die Wingas GmbH. Dass Russland die Gaslieferungen einstellt, sei das größte Risiko für die deutsche Wirtschaft.