Telekom lässt Kritik an Appel abperlen
hei Bonn
Ulrich Lehner, der seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender nach Ablauf der Telekom-Hauptversammlung abgibt, war sich des Unmuts unter den Aktionären bereits bewusst, als er zu Beginn des Aktionärstreffens in Bonn nochmals eine Lanze für seinen designierten Nachfolger, Post-Chef Frank Appel, brach. „Kandidaten mit einem solchen Qualifikationsprofil sind rar“, erklärte der Manager. Er hob Appels Erfahrung mit der Steuerung eines international aufgestellten Konzerns und in regulierten Märkten hervor, um die „Ausnahme“ von den Empfehlungen des Corporate Governance zu begründen. Appel selbst erklärte vor rund 1500 versammelten T-Aktionären in Bonn, dass er „ab Juli“ seine Aufgaben als CEO der Deutschen Post reduzieren werde und „so einen halben bis einen Tag“ für seine Tätigkeit als Aufsichtsratschef der Telekom gewinne.
Indes konnte das insbesondere die deutschen Institutionellen nicht sonderlich beruhigen, zumal sie zuvor den Worten von Konzernlenker Tim Höttges zum Abschied von Lehner entnehmen mussten, dass dieser als Chefaufseher durchschnittlich „alle zwei Wochen eine Aufsichtsratssitzung geleitet hat“, insgesamt 352 Sitzungen des Plenums und seiner Ausschüsse. Ingo Speich, der Vertreter der Deka Stimmrechte von 51 Millionen T-Aktien, sagte, der Wahlvorschlag zu Appel habe ihn „sprachlos“ gemacht. Er wolle dessen Expertise nicht in Frage stellen, aber „bei Ihrer Terminplanung würde uns schon interessieren, wann Sie die Tätigkeit bei der Deutschen Telekom ausüben wollen?“, monierte er. Auch Hendrik Schmidt von der DWS kritisierte, die Wahl Appels widerspreche nicht nur dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), sondern „führt in unserer Betrachtung außerdem zu einem eindeutigen Overboarding“. Der Corporate-Governance-Experte Christian Strenger bemängelte eine zu laxe Auslegung der Vorschriften des DCGK, wenn diese nur als eine „Sollte-Anregung“, statt als „eine wichtige und bei Nichteinhaltung erklärungsbedürftige ‚Soll-Empfehlung‘“ betrachtet würden.
Zahlreiche Hauptversammlungsteilnehmer, die insgesamt 70,24 % des Grundkapitals repräsentierten, äußerten sich zudem verärgert über die Dividendenpolitik der Telekom. Darunter waren insbesondere auch die Vertreter der Kleinaktionäre, die sich über die Wahl von Appel zum Aufsichtsratschef ebenfalls nicht glücklich zeigten, diese aber unter Murren mittragen wollten. Frederik Beckendorff von der DSW befand die Höhe der Ausschüttung für ungenügend und zeigte sich insbesondere irritiert über das, was aus seiner Sicht „ein neuerlicher Schwenk in der Dividendenpolitik“ ist, nämlich die Ausschüttung von 40 % bis 60 % des bereinigten Gewinns je Aktie. Das würde die Anteilseigner nicht ausreichend an der angekündigten dynamischen Gewinnentwicklung der kommenden Jahre beteiligen.
Vernehmliches Murren angesichts einer als mager empfundenen Dividende kam auch von Speich, der bemängelte, dass „die Dividendenhöhe seit rund zehn Jahren mehr oder weniger auf der Stelle“ tritt. Unterstellt, dass sich „der freie Cashflow im US-Geschäft bis 2024 verdreifachen wird“, müsse sich auch die Deutsche Telekom den Aktionären gegenüber „spendabler zeigen“, forderte der Manager.
Während die Telekom Sorgen der Aktionäre über mögliche Auswirkungen des Ukraine-Krieges schnell entkräften konnte, trieb die Anleger die Weiterentwicklung des Portfolios um, insbesondere das Erreichen der Mehrheitsschwelle bei T-Mobile US sowie die Zukunft der Mobilfunktürme. Henrik Pontzen, Fondsmanager bei Union Investment, fragte auch nach einer Entscheidung über T-Systems, für die Telekom Optionen prüfen wollte. „Und wann ist hier jeweils mit einer finalen Entscheidung zu rechnen?“, fragte er.
Der Telekom-Vorstand wies darauf hin, dass noch bis Mitte 2024 Zeit sei, die Mehrheit bei T-Mobile US zu sichern. Dafür ziehe man verschiedene Instrumente in Betracht, wobei Finanzchef Christian Illek erkennen ließ, dass ein „Aktienrückkauf“ eigentlich im Hinblick auf die US-Tochter das „favorisierte“ Instrument sei, um am Unternehmenserfolg beteiligt zu werden. Für eine Aufstockung der Beteiligung würde die Telekom indes auf eine Teilnahme an dem angekündigten 60 Mrd. Dollar schweren Aktienrückkauf von T-Mobile US gegebenenfalls verzichten.
Bei der Verwertung ihrer Funktürme will sich die Telekom nicht hetzen lassen. Höttges unterstrich, die Telekom erwarte „ein Premium für ein Premium-Asset“. Illek ließ wissen, dass ein Preis von 16 Mrd. Euro, der sich analog zu den Bewertungsmultiples der börsennotierten Konkurrentin Vantage Towers ergebe, „natürlich nicht ausreichend sei“. Laut Höttges stehen Infrastrukturfonds und auch strategische Interessenten Schlange. Er beruhigte die Aktionäre indes, dass die Telekom, auch wenn sie sich von Teilen der „passiven Infrastruktur“ trenne, sich immer in sehr langfristigen Verträgen den Zugang dazu sichern werde. Bei der Verwendung der Erlöse werde die Telekom selbstverständlich auch auf eine Verbesserung ihrer schuldenstrapazierten Bilanz achten.