Die Aktie des britischen Einzelhandelskonglomerats The Hut Group (THG) ist am Freitag erstmals unter den Ausgabepreis von 500 Pence gefallen. Binnen drei Wochen verlor sie ein Drittel ihres Werts. Pflichtveröffentlichungen zu­folge haben Großaktionäre ihre Anteile reduziert. Wie die „Mail on Sunday“ berichtet, warf Goldman Sachs für mindestens 180 Mill. Pfund Aktien auf den Markt. The Capital Group habe ihre Beteiligung auf weniger als die Hälfte geschrumpft. Auch Crédit Agricole und Deutsche Bank hätten Stücke verkauft.

Das IPO von THG im September vergangenen Jahres war der bis dahin größte Börsengang einer E-Commerce-Firma in Europa. Der Online-Haushaltsgerätehändler AO World holte sich vor sieben Jahren 487 Mill. Pfund. Zalando brachte der Sprung aufs Parkett im selben Jahr umgerechnet 411 Mill. Pfund. Bloomberg zufolge war es zudem das größte IPO in London seit der Rückkehr von Allied Irish Banks 2017. Im Mai dieses Jahres landete Gründer Matthew Moulding den Deal seines Lebens: Der japanische Finanzinvestor Softbank stieg überraschend ein (vgl. BZ vom 11. Mai). Kleinanleger wurden durch die kurzfristig angekündigte Platzierung im Volumen von 9,98 % des bisherigen THG-Aktienkapitals verwässert. Softbank interessierte sich vor allem für die E-Commerce-Plattform Ingenuity, deren Technologie THG auch anderen Firmen zur Verfügung stellt, und sicherte sich die Option, für rund 1,1 Mrd. Pfund 19,9% daran zu er­werben. Damit befand sich das Unternehmen plötzlich auf dem Weg zur Zerschlagung. Beim Börsengang war das noch keine Perspektive. Seitdem mehrten sich die Anzeichen für Teilverkäufe. Zuletzt kündigte THG an, die Beauty-Sparte im kommenden Jahr auszugliedern – noch vor Ingenuity also. In der Regel wird an der Börse positiv aufgenommen, wenn ein Konglomerat zerlegt wird, weil den Einzelteilen in Summe oft ein höherer Wert zugesprochen wird als dem Unternehmen in seiner bisherigen Form.

Doch kamen die Ankündigungen zur Unzeit. E-Commerce-Firmen erfreuen sich nicht mehr der Gunst der Anleger, seitdem sich Berichte über steigende Kosten häufen. Zuletzt senkte der Online-Modehändler Boohoo.com seine Zielspanne für die operative Marge im laufenden Jahr. Auch das mittelfristige Wachstumsziel dürfte 2021 verfehlt werden. Der Online-Haushaltsgerätehändler AO World machte Verwerfungen in der Beschaffungskette und den Lkw-Fahrer-Mangel in Großbritannien dafür verantwortlich, dass er in den sechs Monaten per Ende September beim Umsatz die Erwartungen verfehlte. Bislang hatte die FTSE-250-Gesellschaft als Gewinner der Pandemie gegolten.

THG ist am Ende nicht viel mehr als ein Akquisitionsvehikel für E-Commerce-Unternehmen. Fängt ihr Geschäftsmodell an zu bröckeln, gerät auch THG ins Trudeln.