„Transaktionen dauern vergleichsweise lange“
hek Frankfurt – Am Anleihemarkt haben sich große Zweifel an der Zukunft des Agrarkonzerns Ekosem breitgemacht. Die beiden in Deutschland emittierten Bonds sind auf weniger als ein Viertel des Nennwerts abgestürzt. Der russische Einmarsch in die Ukraine kann für das Unternehmen gravierende Auswirkungen haben. Denn das operative Geschäft der in Walldorf ansässigen Ekosem-Agrar spielt sich in Russland ab. Westliche Sanktionen, russische Gegenmaßnahmen und mögliche künftige Beschränkungen sorgen für riesige Verunsicherung.
Nach Angaben von Finanzvorstand Wolfgang Bläsi funktioniert das operative Geschäft derzeit noch „vergleichsweise gut“. Hauptaufgabe sei, die Versorgung mit Kraftfutter im Bereich der Milchproduktion und mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln für den Pflanzenbau sicherzustellen. Das sei eine Herausforderung. Denn der Rubel-Kurs ist abgestürzt und die russische Notenbank hat die Zinsen stark erhöht. Hinzu komme, dass immer mehr ausländische Unternehmen die Zusammenarbeit mit Russland unterbrächen.
„Insbesondere das Management der Zahlungsströme mit Lieferanten und Abnehmern funktioniert nicht wie gewohnt“, sagt Bläsi. Von den Sanktionen seien im Agrarbereich nur wenige Hightech-Komponenten betroffen. Diese Auswirkungen seien nach heutiger Einschätzung verkraftbar. Aktuell seien noch Bestände an Maschinen und Ersatzteilen in Russland vorhanden. Weitere Nachlieferungen aus dem Ausland erwarte man im Moment nicht.
Die Swift-Abschaltung betreffe nur ausgewählte Banken in Russland, so dass die meisten Institute grundsätzlich noch transaktionsfähig seien. Zur Rubel-Stützung habe Russland die Ausfuhr in Fremdwährung stark eingeschränkt. Allerdings seien nach offizieller Lesart nach wie vor Zahlungen in Euro möglich, um Verbindlichkeiten im Ausland zu bedienen. Zahlungen in Rubel aus Russland ins Ausland seien grundsätzlich unbeschränkt möglich, aber die Annahme und der Umtausch in Deutschland kaum. Sowohl in Russland als auch in Europa gebe es aktuell große Unsicherheiten in der Auslegung der sich stetig verändernden Regelungen. Daher dauerten alle Transaktionen vergleichsweise lange.
Mit dem Jahresabschluss 2020, der noch immer aussteht, sei man jetzt „relativ weit“, doch sei durch die „aktuelle Entwicklung“ wieder hohe Unsicherheit entstanden, wann und wie die Abschlussprüfung fertiggestellt werden könne, sagt Bläsi. Die Tatsache, dass der Abschlussprüfer EY wie die übrigen der Big Four seinen russischen Partner abtrennen wolle, sei „vermutlich nicht hilfreich“. Laut einer am Montag verbreiteten Ad-hoc-Mitteilung hat EY „aufgrund der Entwicklungen der letzten Tage“ mitgeteilt, dass nicht absehbar ist, ob und wann die Prüfungsarbeiten für das Geschäftsjahr 2020 abgeschlossen werden können. Aufgrund des operativen Fokus des Ekosem-Geschäfts auf Russland erfordert die Prüfung von EY eigentlich eine enge Abstimmung mit der russischen Schwestergesellschaft. Diese wird aber jetzt aus dem globalen Netzwerk herausgelöst. Damit verzögert sich die Abschlussprüfung offenbar auf unbestimmte Zeit. Jedenfalls wird in der Mitteilung kein neuer Zeitrahmen genannt.
Hohe Kupons
Auf die Frage, ob mit der in wenigen Monaten anstehenden Zahlung von Bondzinsen und einer Tilgung der im Dezember 2022 auslaufenden Anleihe zu rechnen sei, sagt der CFO: „Die Kursentwicklung spiegelt verständlicherweise die aktuelle Unsicherheit der Investoren wider. Auch wir müssen mit dieser Unsicherheit umgehen und können die weitere Entwicklung dieses Jahres nicht vorhersagen. Insofern sind wir derzeit damit beschäftigt, das operative Geschäft zu sichern und die möglichen Auswirkungen zu analysieren.“
Der im Dezember fällige Bond hat ein Emissionsvolumen von 78 Mill. Euro und ist mit einem Zinssatz von 8,5% ausgestattet. Die zweite Anleihe, die ein platziertes Volumen von 100 Mill. Euro aufweist, läuft immerhin noch bis 2024. Doch die nächste Zinszahlung – der Kupon beträgt 7,5% – ist am 1. August 2022 fällig.
In den ersten neun Monaten 2021 kam Ekosem laut Zwischenbericht auf 502 Mill. Euro Betriebsleistung, verglichen mit 478 Mill. Euro im Vorjahreszeitraum. Der Umsatz legte um 14% auf 386 Mill. Euro zu. In Rubel habe die Erlösausweitung 27% betragen. Die Rohmilchproduktion sei der wichtigste Umsatztreiber geblieben. Ekosem ist die Obergesellschaft der Ekoniva-Gruppe, die sich zu den größten Agrarunternehmen in Russland zählt.
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