Umzüge von US-Unternehmen verstimmen Aktionäre
Umzüge von US-Unternehmen verstimmen Aktionäre
Touristik-Plattform Tripadvisor setzt Verschiebung von Rechtssitz vor Gericht durch – Auch Großkonzerne streben in freundlichere Bundesstaaten
Auseinandersetzungen um Aktionärsrechte bescheren Delaware einen Abgang von Unternehmen, die bisher aufgrund günstiger Steuerregelungen im Ostküstenstaat als Kapitalgesellschaft eingetragen sind. Durch ihre Umzüge suchen Tripadvisor, Tesla und Konsorten den Einfluss von Minderheitseignern einzuschränken.
xaw New York
Delaware kämpft mit einer massiven Fluchtbewegung. Über Jahrzehnte war der Bundesstaat an der Ostküste Amerikas aufgrund günstiger Steuerregelungen eine Bastion für Unternehmen, zwei Drittel der Fortune 500 sind dort als Kapitalgesellschaften eingetragen. Doch nun sorgen Auseinandersetzungen um Aktionärsrechte dafür, dass zahlreiche Firmen ihre Inkorporierung verschieben wollen.
Zu Beginn der laufenden Woche urteilte das Oberste Gericht von Delaware, dass die Touristikplattform Tripadvisor ihren Rechtssitz ohne strikte Überprüfung oder Strafzahlungen nach Nevada umtragen lassen darf. Zuvor hatten Minderheitsaktionäre geklagt, die durch den Umzug zu ihren Lasten unmäßige Vorteile für Mitglieder des Verwaltungsrats fürchten – und damit 2024 vor einem Ermessensgericht Erfolg gehabt. Schließlich sind die Rechtsprechung und Governance-Regeln für Direktoren und Manager im Silver State weit lockerer ausgelegt als an der Ostküste. Diese Abweichungen räumte selbst Tripadvisor in Präsentationen und Stimmrechtsmaterialien ein.
Schadensersatz gefordert
Für die Eintragung als Kapitalgesellschaft in Nevada hatten lediglich 5% der Anteilseigner gestimmt. Verwaltungsratschef Greg Maffei und die Holding Liberty Media als Großaktionäre setzten diese mittels ihres Übergewichts an Stimmrechten aber durch. Die Kläger forderten vom Unternehmen deshalb Ersatzzahlungen für künftige Schäden durch Übervorteilung. Das Oberste Gericht von Delaware entschied jedoch, dass die Zugewinne für Direktoren zulasten anderer Anteilseigner rein hypothetisch und aktuell nicht direkt mit spezifischen Transaktionen des Unternehmens in Zusammenhang zu bringen seien. Der Verwaltungsrat soll also nicht gezwungen sein, aufwendig zu beweisen, dass die Verschiebung der Inkorporierung gegenüber Minderheitsaktionären fair ist. Wirtschaftskanzleien rechnen damit, dass die Klage nun abgewiesen wird.
Damit stoßen die Richter die Tür für weitere Abwanderungen aus Delaware auf. Die strikten Regeln des Ostküstenstaats für Unternehmen mit einem dominanten Aktionär oder einer kleinen Gruppe einflussreicher Shareholder und der vergleichsweise hohe Einfluss von Minderheitseignern sorgen bei Gründern sowie Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaften schon länger für Frust. Politik, Judikative und Wirtschaftsvertreter liefern sich deshalb erhitzte Diskussionen um die Abwägung zwischen den Rechten von Unternehmen und jenen ihrer Aktionäre. Für Delaware machen Gebühren aus der Inkorporierung einen bedeutenden Anteil der bundesstaatlichen Einnahmen aus, ein umfangreicher Abzug von Unternehmen droht zu erheblichen finanziellen Einbußen zu führen.
Musk schafft Präzedenzfall
Staaten wie Nevada und Texas wittern darin nun Chancen. Einen Präzedenzfall schuf Tesla-Chef Elon Musk, der Anfang des vergangenen Jahres gegen Delaware zu wüten begann. Eine dortige Richterin hatte ein Vergütungspaket für den Milliardär gekippt: Der Prozess bis zur Freigabe des bis zu 56 Mrd. Dollar schweren Kompensationsplans im Jahr 2018 sei „mit tiefen Mängeln behaftet“ gewesen. Aktionäre beschuldigten Direktoren, sie hätten bei der Zusammenstellung des Vergütungspakets rein in Musks Interesse gehandelt und Investoren getäuscht.
Doch auf der Hauptversammlung von Tesla im Juni lag den Aktionären der Kompensationsplan erneut zur Abstimmung vor – und die Anteilseigner gaben ihn wieder frei. Ebenso bekam Musk grünes Licht für den Umzug des Rechtssitzes von Delaware nach Texas, wo sich auch die Firmenzentrale befindet. Die in Kalifornien ansässige Meta Platforms erwägt wohl ebenfalls eine Verschiebung der Eintragung als Kapitalgesellschaft von Delaware in einen anderen Bundesstaat.
Sorge vor Trump-Annäherung
Zuletzt hatte sich die Facebook-Mutter dem Lager von US-Präsident Donald Trump, dessen wichtigster Unterstützer Musk ist, schon bedeutend angenähert. Zuletzt verlegte sie ihr Team für Vertrauen und Sicherheit bereits von Kalifornien nach Texas. Dies soll bei der Strategiewende des Konzerns hinsichtlich „freier Meinungsäußerung“ helfen. CEO Mark Zuckerberg verkündete im Januar, das Fact Checking auf seinen Plattformen nach Vorbild von Musks Kurznachrichtendienst X abschaffen zu wollen. Geschockte Aktionäre dürften bei einer Verschiebung des Rechtssitzes von Meta weitaus weniger Möglichkeiten besitzen, Zuckerbergs Trump-Annäherung entgegenzuwirken.