Wall Street wettet mit X-Krediten auf Musk
Wall Street wettet mit X-Krediten auf Musk
xaw New York
Elon Musks wachsender Einfluss in Washington treibt das Interesse der Wall Street an seinen Unternehmen an. Das kommt auch Dealmakern und Underwritern zugute: So haben Geldhäuser um Morgan Stanley, Bank of America und die britische Barclays Kredite, die sie 2022 zur Finanzierung von Musks Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter aufgelegt hatten, endlich erfolgreich am Markt abgeladen. So platzierten sie am Mittwoch durch das heute als X bekannte Unternehmen besicherte Darlehen im Volumen von 5,5 Mrd. Dollar bei Investoren wie der Allianz-Bondtochter Pimco und dem Hedgefonds Citadel. Diese schlugen bei den variabel verzinslichen Krediten, die derzeit rund 11% abwerfen, zu 97 Cent auf den Dollar zu, wie das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf Insider berichtet.
Volumen nach hoher Nachfrage ausgeweitet
Insgesamt hatten die beteiligten Häuser für die 44 Mrd. Dollar schwere Akquisition 13 Mrd. Dollar bereitgestellt. Dass sie die Darlehen mehr als zwei Jahre lang nicht loswurden und damit den schlechtesten Deal seit der Finanzkrise eingingen, lastete auf der Stimmung am gesamten M&A-Markt. Zu Jahresbeginn hatten sie sich in einer Privattransaktion schon 1 Mrd. Dollar von den Bilanzen geschafft – zuletzt waren in New Yorker Investmentkreisen Pläne durchgesickert, für die laufende Woche 3 Mrd. Dollar an Krediten zu 90 bis 95 Cent auf den Dollar abzustoßen. Nachdem die Nachfrage an der Wall Street zuletzt jedoch deutlich stieg, weiteten die beteiligten Institute das Transaktionsvolumen aus.
Denn Musks Machtgewinn seit Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump verändert die Lage grundlegend. Statt wie ein finanziell gebeuteltes Unternehmen, dem infolge skandalträchtiger Auftritte und Äußerungen seines Eigentümers die Werbekunden davonlaufen, nimmt sich X plötzlich als zukunftsfähige Social-Media-Plattform aus. Als Leiter der neuen Arbeitsgruppe Department of Government Efficiency (DOGE) besitzt Musk umfangreiche Kompetenzen, wie gerade zahlreiche Beamte und Mitarbeiter von US-Regierungsbehörden erfahren.
Unbekümmerte „Säuberungsaktionen“
So drangen DOGE-Mitarbeiter vor dem vergangenen Wochenende in die Zentrale der Entwicklungshilfeorganisation USAID ein und verschafften sich Zugang zu klassifizierten Informationen. Trump hatte angekündigt, die Behörde, die weltweit über 10.000 Mitarbeiter verfügt und im Haushaltsjahr 2024 auf ein Budget von 44,2 Mrd. Dollar kam ins Außenministerium eingliedern zu wollen. Damit will er seinem Wahlversprechen nachkommen, weniger Steuermittel für Zuwendungen an andere Länder ausgeben zu wollen. Musk, der USAID als „kriminelle Organisation“ bezeichnet, ohne dafür Beweise zu liefern, will die Entwicklungshilfe ganz dicht machen – die dafür nötige Autorität besitzt laut Verfassungsrechtlern aber nur der US-Kongress.
Davon unbekümmert führt der X-Eigentümer seine „Säuberungsaktionen“ innerhalb der US-Regierung fort. So untersuchen DOGE-Vertreter in der laufenden Woche laut Insidern Zahlungs- und Auftragsvergabe-Systeme der Centers for Medicare and Medicaid Services und prüfen dabei Zahlungsströme innerhalb der Healthcare-Behörde auf vermeintlichen Betrug oder Verschwendung. Damit haben sie Zugriff auf hoch sensible Daten an einem zentralen Nervenknotenpunkt des US-Gesundheitssystems – auch wenn sie an diesen bisher angeblich keine Änderungen vornehmen können und ihnen noch keine persönlichen Gesundheitsinformationen vorliegen.
Treasury sucht Kritiker zu beruhigen
Auch Musks Zugang zu Zahlungssystemen der Treasury sorgt für Nervosität. Der streitbare Milliardär kündigte am Wochenende an, Bundeszuschüsse im Umfang von mehreren 100 Mill. Dollar streichen zu wollen. Er mache „in rapidem Tempo Schluss mit illegalen Zahlungen“, tönte Musk, nachdem eine Liste mit staatlichen Zuwendungen an Lutheraner-Organisationen im Internet zirkulierte. Das Finanzministerium bemühte sich schnell um Klarstellung: „Die fortlaufende Überprüfung der Systeme der Treasury führt nicht zu einer Aussetzung oder Rücknahme von Zahlungsanweisungen von anderen Bundesbehörden“, betonte Jonathan Blum, ein stellvertretender Staatssekretär, in einem Schreiben an Mitglieder des Kongresses.
Ron Wyden, der ranghöchste demokratische Vertreter im Finanzausschuss des Senats, hatte zuvor Informationen zu Musks Aktivitäten verlangt. Es erschließe sich nicht, warum „politische Spekulanten, die das Gesetz bisher offen missachtet hätten, Zugang zu empfindlichen, missionskritischen Systemen benötigen“. Blum betonte, Musk und sein Team könnten die enthaltenen Informationen nur lesen und nicht bearbeiten. Bei ihren Prüfungen kooperierten die DOGE-Vertreter mit langjährigen Treasury-Offiziellen. Wyden bezeichnete die Auskünfte als „nicht glaub- oder vertrauenswürdig“. Das Finanzministerium versuche die Risiken herunterzuspielen, „während Musk die Macht übernimmt“.
Auf die zunehmende öffentliche Kritik an dem weitreichenden politischen Einfluss des X-Eigentümers, der schließlich kein gewählter Offizieller sei, ging Trump zu Wochenbeginn ein. „Elon kann und wird nichts ohne unsere Zustimmung tun“, betonte der Präsident. Politbeobachter in Washington diskutieren bereits seit dem Wahlkampf, in dem Musk den Republikaner mit großvolumigen Mitteln unterstützte, wie lange die freundschaftliche Beziehung zwischen den beiden Alphatieren halten wird.
Erste Risse zwischen Musk und Trump sichtbar
Zuletzt wurden dabei erste Risse sichtbar. So stellte Musk öffentlich ein Projekt infrage, das Trump erst Stunden zuvor als „durchschlagenden Vertrauensbeweis für das Potenzial Amerikas unter einem neuen Präsidenten“ bezeichnet hatte: die Rechenzentren-Partnerschaft „Stargate“. Die Tech-Schmiede OpenAI, die japanische Softbank Group und der Datenbankriese Oracle hatten das Joint Venture im Weißen Haus angekündigt. Die Partner wollen über das Gemeinschaftsunternehmen zunächst 100 Mrd. Dollar in den Ausbau der amerikanischen KI-Infrastruktur stecken. Über die kommenden vier Jahre sollen die Investitionen auf bis zu 500 Mrd. Dollar steigen. Doch Musk zweifelte in X-Posts an, dass die Zusagen durch Kapital gedeckt sind, und lieferte sich darauf Wortgefechte mit OpenAI-Chef Sam Altman, den Trump ebenfalls als wichtigen Verbündeten ausgemacht hat.
Vorerst setzt die Wall Street jedoch darauf, dass Trump den X-Chef an der langen Leine lässt. Für die Geldhäuser um Morgan Stanley und Bank of America, deren Underwriting-Aktivitäten bei der Twitter-Übernahme Rivalen bereits als fatalen geschäftlichen Fehler abstempelten, könnte sich die Unterstützung für den Milliardär nun auszahlen. Sie hoffen, dass Musk sie bei Deals und Finanzierungen innerhalb seines Geschäftsimperiums mit Aufträgen belohnt und sie davon auch in der Beratung profitieren.
Enge Verbindungen in Musks Imperium
Bei einer Präsentation vor potenziellen Debt-Investoren in der vergangenen Woche machten Banker von Morgan Stanley gemeinsam mit X-CEO Linda Yaccarino laut Insidern deutlich, wie stark die Verbindungen zwischen den verschiedenen Gesellschaften in Musks Portfolio sind – insbesondere zwischen dem Kurznachrichtendienst und seinem KI-Startup xAI. Letzteres trainiert seine großen Sprachmodelle auf Basis von X-Inhalten und hat im Gegenzug angeblich mehrere 100 Mill. Dollar an das Social-Media-Unternehmen transferiert. Diese Mittel helfen dem Plattformbetreiber wohl dabei, den hohen Zinsdienst auf seine ausstehenden Kredite zu leisten.
X hält wohl 10% an xAI, der Anteil ist nach einer Finanzierungsrunde aus dem vergangenen Jahr 5 Mrd. Dollar wert. Musk hat Investoren des Kurznachrichtendienstes eine Beteiligung von 25% an der KI-Schmiede in Aussicht gestellt. Gemäß der Investorenpräsentation aus der vergangenen Woche kam X im vergangenen Jahr auf Erlöse von 2,7 Mrd. Dollar und bereinigte Gewinne vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von 1,25 Mrd. Dollar. An der Wall Street rufen die Zahlen positive Überraschung hervor. Im letzten vollen Geschäftsjahr vor der Musk-Übernahme, 2021, hatte die Social-Media-Plattform einen Umsatz von rund 5 Mrd. Dollar, aber lediglich ein adjustiertes Ebitda von 682 Mill. Dollar vorgelegt.
Riskante Kredite lasten noch auf Bilanzen
Inzwischen kehren auch einige Werbekunden auf X zurück. Mit anderen, darunter Nestlé und Shell, liegt Musk im Rechtsstreit. Der Milliardär wirft ihnen und dem Interessensverband World Federation for Advertisers einen illegalen Boykott der Plattform vor. Auch für die an der Twitter-Übernahme beteiligten Banken sind die Herausforderungen noch nicht vorbei. Sie halten noch immer mehr als 6 Mrd. Dollar an Krediten aus der Transaktion, von denen viele noch wesentlich riskanter sind als die bereits veräußerten. Der Zinsdienst darauf droht derweil die mageren Gewinne von X aufzufressen – Wetten auf Musk bleiben für die Wall Street damit ein gefährliches Spiel.