Stiftungslösung

Wenn der Staat die Kohle abwickelt

Eine staatliche Kohlestiftung, die Kraftwerke aufkauft, könnte u. a. dabei helfen, schneller auf russisches Gas zu verzichten. RWE und Steag sind zumindest offen dafür. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Geprüft wird die Errichtung einer Stiftung oder Gesellschaft, die den Rückbau der Kohleverstromung organisiert.“

Wenn der Staat die Kohle abwickelt

cru Frankfurt

Mit einer staatlichen Kohlestiftung könnte die Bundes­regierung Kraftwerke aufkaufen, zunächst verstärkt weiterlaufen lassen und später beschleunigt schließen. Das könnte auch dabei helfen, schneller auf russisches Gas zu verzichten. Deshalb spielt das Bundeswirtschaftsministerium die Vorteile und Nachteile durch. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung heißt es auf Seite 59: „Geprüft wird die Errichtung einer Stiftung oder Ge­sellschaft, die den Rückbau der Kohleverstromung und die Renaturierung organisiert.“

Auch der Stromkonzern RWE, der kürzlich auf der Hauptversammlung eine Abspaltung der Braunkohlesparte noch ablehnte, kann der Idee einer staatlichen Kohlestiftung einiges abgewinnen: „Eine solche rechtlich bindende Vorfestlegung der Hauptversammlung (auf eine Ab­spaltung der Braunkohle) würde dem Vorstand andere Handlungsspielräume juristisch verschließen. Das gilt insbesondere für aussichtsreichere Alternativen, die im Einvernehmen mit der Politik entwickelt werden könnten, wie etwa die Ausgliederung in eine Stiftung.“ So lehnten der Vorstand unter CEO Markus Krebber und der Aufsichtsrat unter Vorsitz von Werner Brandt in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Ergänzungsantrag des grünen aktivistischen Investors Enkraft Impactive die Abspaltung der Braunkohle ab.

Investor macht Druck

Enkraft-Geschäftsführer Benedikt Kormaier begrüßte es daraufhin, „dass der Vorstand sich die Strukturalternative einer Ausgliederung des Braunkohlegeschäfts auf eine Stiftung nunmehr zu eigen macht und als aussichtsreiche Alternative zur Ab­spaltung anerkennt“. Und weiter: „Diese Alternative wurde RWE von Enkraft bereits im September 2021 vorgestellt und bisher von RWE als nicht realisierbar abgelehnt.“

Hinter dem Begriff „Kohlestiftung“ steckt der Plan für ein Tauschgeschäft, in dem die Betreiber des Braunkohletagebaus, also Leag und RWE, und der Kraftwerke die Kon­trolle über ihre Assets zum Nullpreis verlieren, sich andererseits aber auch unkalkulierbarer Risiken entledigen können. Details sind bislang allerdings nicht ausgearbeitet worden – weder vom Bundeswirtschaftsministerium noch von den Unternehmen.

„Mit Bad Bank vergleichbar“

Doch auch der Steinkohleverstromer Steag aus Essen, der einem halben Dutzend Ruhrgebietskommunen gehört (u. a. Duisburg, Bochum, Essen und Oberhausen), macht sich für eine Kohle­stiftung stark – mit einem eigenen Konzept, das von einem Beratungsunternehmen entwickelt wurde. In einem Auszug daraus, der der Börsen-Zeitung vorliegt, heißt es: „Aufgabe der Kohlestiftung ist das zentrale Management der Kohleverstromungsbeendigung als professioneller Restrukturierungsgesellschafter, der mit einer Bad Bank der Energiewirtschaft vergleichbar ist. Vorbild ist das Kons­trukt der Treuhand: sozialmarktwirtschaftliche Schließung der circa 140 betroffenen Kraftwerke.“

Das noch vor Beginn des Ukraine-Kriegs erstellte Konzept hat seither nach Einschätzung von Beobachtern eher noch zusätzlich an Vorteilen gewonnen. Die Stiftung würde die verbliebenen Kraftwerke aufkaufen, zunächst verstärkt Kohle verstromen, um das russische Gas, das vielleicht bald fehlt, teilweise zu ersetzen, und die Kraftwerke dann später zugunsten des Klimaschutzes beschleunigt abwickeln.

Windfall Profits einsammeln

Ein Aufkauf der Kohlekraftwerke durch eine öffentlich-rechtliche Kohlestiftung würde es der Bundesregierung zudem ermöglichen, etwaige Windfall Profits zu vereinnahmen, die bei den Stromkonzernen durch den rasanten Anstieg der Gaspreise entstehen, weil Gaskraftwerke innerhalb der „Merit Order“ als letzte und teuerste Einheit zum Einsatz kommen und sich ihr Stromproduktionspreis somit auf den gesamten Strommarkt überträgt.

Durch die Konsolidierung der Kohleverstromungsbereiche verschiedener Unternehmen kann die Kohlestiftung laut dem von der Steag in Auftrag gegebenen Konzept erhebliche Synergieeffekte erzielen: „Gleichzeitig hat die Stiftung hierdurch eine bessere Verhandlungsposition ge­gen­über den verschiedenen Beteiligten, als es einzelne Kraftwerksbetreiber hätten.“ Volkswirtschaftlich be­stehe bei isolierten Stilllegungen die Gefahr eines „Flickenteppichs“ von Einzellösungen unterschiedlichster Gestaltung. „Ein derart ineffizienter Zu­stand ist nicht geeignet, eine schnelle Umsetzung des politisch initiierten Kohleausstiegs zu gewährleisten.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.