Batteriezellhersteller in der Krise

Zukunft von Northvolt in der Schwebe

Northvolt benötigt dringend neues Geld. Die Zukunft des schwedischen Batteriezellherstellers steht in der Schwebe.

Zukunft von Northvolt in der Schwebe

Zukunft von Northvolt in der Schwebe

Kriselnder Batteriehersteller benötigt dringend neues Geld – Investoren wie VW gefragt – Staatliche Rettung ausgeschlossen

ste Hamburg

Die Zukunft des angeschlagenen schwedischen Batteriezellherstellers Northvolt steht auf Messers Schneide. Medienberichten zufolge waren zuletzt auch Erwägungen, Gläubigerschutz nach US-Recht zu beantragen, Teil der Gespräche über eine Rettung des 2016 gestarteten Start-up-Unternehmens. Die schwedische Wirtschaftszeitung „Dagens Industrie“ hatte vor dem vergangenen Wochenende unter Berufung auf Insider berichtet, dass zur Stabilisierung von Northvolt über einen Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts nachgedacht werde.

Defizitär

Das vom ehemaligen Tesla-Manager Peter Carlsson geführte defizitäre Unternehmen, das es als Hoffnungsträger der europäischen Autoindustrie mit den dominierenden Batterieproduzenten aus Asien aufnehmen soll, benötigt dringend frisches Geld und verhandelt seit Wochen mit seinen Investoren, Banken und potenziellen neuen Kreditgebern über eine kurzfristige Finanzierung.

Die Rede ist von einer Brückenfinanzierung über 150 Mill. Euro. Zudem soll es um längerfristig benötigte Mittel im niedrigen einstelligen Milliardenbereich gehen. Für den schwedischen Konzern, der in den vergangenen Jahren von Unternehmen wie Goldman Sachs und Volkswagen insgesamt mehr als 15 Mrd. Dollar sowie aus Ländern wie Deutschland und Kanada Zusagen für staatliche Fördermittel zum Aufbau von Zellfabriken erhalten hatte, steht auch eine Insolvenz im Raum.

Stellenabbau

„Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen“, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. "Wir befinden uns weiterhin in aktiven Gesprächen mit unseren Partnern und kommunizieren Ergebnisse, sobald diese vorliegen.“ Das Unternehmen hatte zu ehrgeizige Expansionspläne eingestanden. Probleme beim Hochlauf der Produktion und wegbrechende Kundenaufträge erhöhten den Druck. Im September gab Northvolt nach einer Strategieüberprüfung bekannt, insgesamt 1.600 Arbeitsplätze am nordschwedischen Fabrikstandort Skellefteå, am Forschungs- und Entwicklungsstandort Västerås sowie in Stockholm zu streichen. Betroffen ist rund ein Fünftel der Belegschaft.

Projekt in Heide wackelt

Die Finanzierungsprobleme stellen unter anderem das mit Investitionen von 4,5 Mrd. Euro verbundene Batteriefabrikprojekt im schleswig-holsteinischen Heide in Frage. Erst im März hatte Northvolt im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Startschuss für den von Bund und Land Schleswig-Holstein mit gut 900 Mill. Euro unterstützten Fabrikbau gegeben.

Fragezeichen hinter Heide

Die Batteriezellfabrik soll damaligen Ankündigungen zufolge nach dem geplanten Endausbau im Jahr 2029 rund 3.000 Menschen beschäftigen und pro Jahr Batteriezellen in einer Größenordnung von 60 Gigawattstunden produzieren – genug für die Fertigung von etwa 1 Million Elektroautos im Jahr.

Schwedens Regierung schließt eine staatliche Rettung von Northvolt aus. Auch private Investoren signalisieren bislang kein Interesse, Kapital nachzuschießen. Die Financial Times berichtete, einer der Hauptinvestoren von Northvolt halte eine Insolvenz von Northvolt für wahrscheinlich und habe den Wert seiner Investition vollständig abgeschrieben.

Produktionsziele verfehlt

Die Nachrichtenagtur Reuters meldete mit Bezugnahme auf unveröffentlichte Unterlagen, dass der Batteriezellhersteller seit Anfang September seine wöchentlichen Produktionsziele an auslieferbaren Zellen wiederholt verfehlt habe. Laut Unternehmenskreisen ruhe derzeit die Fertigung in einer der beiden Produktionshallen in Skellefteå. Das Ziel einer wöchentlichen Produktion von 100.000 Batteriezellen bis Ende des Jahres hat Northvolt Reuters zufolge zurückgezogen.

Der zur VW-Nutzfahrzeugholding Traton gehörende schwedische Lastwagenhersteller Scania prüft wegen der Probleme von Northvolt alternative Lieferanten, wie CEO Christian Levin der Agentur Reuters sagte. Zugleich stehe man weiterhin zu Northvolt. Volkswagen ist mit mehr als 21% größter Anteilseigner des schwedischen Batteriezellproduzenten – und zugleich größter Kunde. In der vergangenen Woche war das Ausscheiden von VW-Vertreter Sven Fuhrmann aus dem Aufsichtsgremium von Northvolt bekannt geworden. Die Entscheidung habe keine Auswirkung auf das Northvolt-Engagement, so VW.

Für den kriselnden schwedischen Batteriezellhersteller Northvolt geht es in diesen Wochen ums Ganze. Kommt eine dringend benötigte neue Finanzierung durch seine Investoren kurzfristig nicht zustande, könnte Gläubigerschutz nach US-Recht beantragt werden. Im Raum steht auch eine Insolvenz.

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