Commerzbank im Visier

Bundesregierung kritisiert Unicredit-Vorstoß scharf

Unicredit erhöht Anteil an Commerzbank auf 21% und plant Ausbau auf 29,9%. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnt vor einer Übernahme und spricht von einer „unfreundlichen Attacke“.

Bundesregierung kritisiert Unicredit-Vorstoß scharf

Bundesregierung kritisiert Unicredit-Vorstoß scharf

Mögliche Übernahme durch italienische Großbank rückt näher – Gewerkschaften sprechen von einem „Schlag ins Gesicht“

Unicredit hat ihren Anteil an der Commerzbank auf 21% erhöht und erwägt, diesen auf bis zu 29,9% auszuweiten. Dies führte zu Spekulationen über eine mögliche feindliche Übernahme. Die Bundesregierung und Arbeitnehmervertreter sehen den Schritt kritisch und befürchten Auswirkungen auf die Mittelstandsfinanzierung.

wf/cru/wbr Berlin/Frankfurt

Unicredit hat ihren Anteil an der Commerzbank auf 21% erhöht und erwägt, diesen auf bis zu 29,9% zu steigern. Dies erfolgte über Finanzderivate, die der italienischen Bank eine große Position bei der Commerzbank sichern. Der Schritt hat Spekulationen über eine mögliche Übernahme verstärkt. Der Bund plant aber, keine weiteren Anteile zu verkaufen, um die Eigenständigkeit der Commerzbank zu wahren. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat kritisieren die Aktion der Unicredit scharf und bezeichnen es als „unseriöses Vorgehen“.

Finanzexperten sehen darin Anzeichen für eine feindliche Übernahme. Sollte Unicredit die 30-Prozent-Schwelle überschreiten, wäre ein formelles Übernahmeangebot erforderlich. Beobachter befürchten dann negative Auswirkungen auf die Kreditvergabe an den Mittelstand, insbesondere durch eine mögliche Verlagerung von Entscheidungen nach Italien.

Die Aktie der Commerzbank fielen am Montag um 0,9% auf 14,80 Euro, nachdem Unicredit den Kauf öffentlich gemacht hatte. Der Kurs liegt aber immer noch 16% über dem Stand vom 10. September, als der Bund den Teilverkauf angestoßen hatte.

Parallel zum Vorstoß von Unicredit sucht die Commerzbank nach einem Nachfolger für den scheidenden CEO Manfred Knof. Bettina Orlopp, derzeitige Finanzchefin, gilt als Favoritin. Der Wechsel an der Führungsspitze ist entscheidend angesichts der möglichen Übernahme durch Unicredit. Umstritten ist auch die Rolle von Marcus Chromik, dem ehemaligen Risikovorstand der Commerzbank, der nun im Aufsichtsrat der Unicredit sitzt. Eine Non-Compete-Klausel gab es nach seinem Ausscheiden offenbar nicht.

Kritik von Kanzler Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Versuch von Unicredit, die Commerzbank zu übernehmen, zurückgewiesen und das Vorgehen scharf kritisiert. „Unfreundliche Attacken, feindliche Übernahmen sind nicht das, was für Banken eine gute Sache ist“, sagte Scholz vor der Presse in New York. Die Commerzbank sei wirtschaftlich erfolgreich. Sie kümmere sich um die wichtige Mittelstandsfinanzierung der deutschen Wirtschaft. „Das ist eine Bank, die das auch in ihrer Unabhängigkeit gut kann“, sagte der Kanzler.

Die Bundesregierung habe sich in dieser Richtung klar positioniert. Es sei in Europa und Deutschland nicht angemessen, dass „man gewissermaßen ohne jede Kooperation, ohne jede Rücksprache, ohne jede Rückkopplung versucht, mit unfreundlichen Methoden sich an Unternehmen aggressiv zu beteiligen“.

Auch aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums in Berlin hieß es, eine Übernahme werde nicht unterstützt. Dies habe das Ministerium Unicredit mitgeteilt. Die Bundesregierung unterstütze die auf Eigenständigkeit ausgerichtete Strategie der Commerzbank.

„Transaktion entglitten“

Oppositionsführer Friedrich Merz kritisierte die Bundesregierung im Fall Commerzbank. „Das ist handwerklich dilettantisch gemacht worden, und im Ergebnis ist es ein Desaster für den deutschen Bankenmarkt“, sagte der CDU-Politiker vor der Presse in Berlin.  Die Transaktion sei der Bundesregierung „offensichtlich völlig aus der Hand geglitten“, konstatierte er mit Blick auf den Verkauf der 4,49% an der Commerzbank aus Bundesbesitz. 

Merz kündigte eine kleine parlamentarische Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag an die Bundesregierung an. Es gebe eine Vielzahl von Aspekten, darunter, ob das Bundeskanzleramt eingeweiht gewesen sei in die Vorgänge und ob das Bundeskanzleramt es für gut gehalten habe, Interessenten zu finden.

Die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage ist innerhalb von vierzehn Tagen zu erwarten. Die Frist kann aber verlängert werden. Zudem will die Union möglicherweise auch in dieser Woche noch eine aktuelle Stunde zu diesem Thema anstrengen. Merz erinnerte daran, dass Deutschland fünf große, international wettbewerbsfähige und kapitalmarktorientierte Banken gehabt habe. Die von Unicredit übernommene HVB spiele heute praktisch kaum noch eine Rolle. „Ich halte das für hochgradig problematisch, was da gerade passiert“, sagte Merz. „Der deutsche Bankenmarkt wird massiv geschwächt.“

Merz erinnerte daran, dass die Commerzbank nicht nur wesentliche Teile der Mittelstandsfinanzierung in Deutschland bereitstelle, sondern auch wesentliche Teile der deutschen Außenhandelsfinanzierung. „Diese Bank ist für Deutschland wirklich eine enorm wichtige Bank für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“

„Geballter Widerstand“

Auch die Gewerkschaften reagierten kritisch auf den Vorstoß der Unicredit. Verdi-Gewerkschaftssekretär und Commerzbank-Aufsichtsrat Stefan Wittmann sagte der Börsen-Zeitung: „Wir halten das für einen Schlag ins Gesicht. Es ist unseriös, wie Orcel vorgeht. Noch am Freitag sprach er von einer freundlichen Übernahme. Jetzt folgt die Kehrtwende. Das ist für den Vorstandschef einer großen europäischen Bank unwürdig. Er wird damit scheitern, weil er den geballten Widerstand von allen Seiten bekommt.“

Am Mittwoch um 13 Uhr will der Betriebsrat sich zur Unicredit äußern. Dabei soll es auch darum gehen, dass an die Commerzbank-Spitze eine Person rückt, die die Eigenständigkeit der Bank überzeugend vertreten kann.

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