Die Furcht vor einer US-Bankenkrise kehrt zurück
Hohe Verluste des Tech-fokussierten Kreditinstituts Silicon Valley Bank (SVB Financial) aus Assetverkäufen verstärken die Furcht der Investoren vor Risiken im Bankensystem. Nachdem die Kalifornier mitteilten, über die Platzierung von Stamm- und wandelbaren Vorzugsaktien 2,25 Mrd. Dollar einsammeln zu wollen, brach der Kurs am Donnerstag um über 60% ein. SVB Financial zog dabei auch Aktien von Großbanken wie J.P. Morgan und US Bancorp deutlich ins Minus, der KBW Nasdaq Bank Index verzeichnete den stärksten Tagesverlust seit dem Corona-Crash im März 2020.
SVB Financial reagiert mit der Kapitalerhöhung gemäß Mitteilung auf anhaltend hohe Zinsniveaus, den starken Druck auf die Public und Private Markets sowie den hohen Cash Burn von Kunden. Der Lender wird eigenen Angaben zufolge einen Nachsteuerverlust von 1,8 Mrd. Dollar aus der Veräußerung von Treasuries und anderen US-Regierungsanleihen verbuchen müssen. Grund für die Verkäufe zu unvorteilhaften Konditionen sei ein stärker als erwartet ausgefallener Einlagenrückgang gewesen.
Am Mittwoch hatte bereits die kalifornische Bank Silvergate Capital für Verunsicherung gesorgt. Das Geldhaus stellt den Betrieb ein und strebt eine geordnete Abwicklung an. Silvergate hatte sich seit 2013 von einer regionalen, vor allem auf die Vergabe von Krediten für Gewerbeimmobilien spezialisierten Bank zum führenden Finanzinstitut für Digital-Assets-Plattformen gewandelt.
Der Zusammenbruch der Kryptobörse FTX setzte das Kreditinstitut aber unter erheblichen Druck. Angesichts der Krypto-Turbulenzen zogen Digital-Assets-Kunden von Silvergate zwischen Oktober und Dezember Einlagen im Volumen von 8,1 Mrd. Dollar ab. Die Abflüsse zwangen Silvergate im Januar und Februar, Schuldverschreibungen unter massiven Verlusten zu verkaufen.
Nachdem sich mit SVB Financial nun ein weiterer Lender steigendem Druck ausgesetzt sieht, befürchten Investoren eine weitreichendere Krise im Bankensektor. Laut dem staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC summierten sich die nicht realisierten Verluste der US-Geldhäuser mit Wertpapieren, die zum Verkauf zur Verfügung stehen oder bis zur Fälligkeit gehalten werden sollen, im Schlussquartal 2022 auf 620 Mrd. Dollar – im Vorjahreszeitraum waren es noch lediglich 8 Mrd. Dollar.
Die Wertverluste der Kreditportfolios sind für die Banken nicht notwendigerweise problematisch, sofern sie betroffene Bonds tatsächlich bis zru Fälligkeit halten können. Sind sie aber aufgrund eines plötzlich steigenden Liquiditätsbedarfs, etwa infolge eines Einlagenschwunds, zu Verkäufen gezwungen, müssen sie Einbußen daraus in ihren Finanzberichten ausweisen. Daraus kann sich laut Analysten schnell ein Teufelskreis entwickeln, da die Verluste Kunden alarmieren und so weitere Mittelabzüge zur Folge haben.
Tatsächlich haben einige Venture-Capital-Investoren laut Insidern zuletzt aufgrund von Liquiditätsbedenken dazu geraten, Einlagen bei SVB abzuziehen. Bankchef Greg Becker versuchte am Donnerstag unterdessen wohl, das Vertrauen in die finanzielle Stabilität seines Hauses zu stärken. Er soll Kunden nahegelegt haben, ihre Einlagen bei SVB nicht anzurühren und keine Panik zu verbreiten.
Zu Hochzeiten der Corona-Pandemie waren die Einlagen des Kreditinstituts noch stark gestiegen. Im Jahr 2021 verdoppelten sie sich fast, und SVB investierte die Mittel zu großen Teilen in Treasuries und andere Anleihen staatlicher Emittenten. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich im gesamten Sektor: Laut FDIC zogen die Einlagen bei US-Finanzinstituten zwischen Ende 2019 und Ende 2021 um 38%, zugleich wuchs der Bestand an Regierungsanleihen in ihren Portfolios gemäß Daten der Federal Reserve um 53%.
Einige Finanzinstitute hielten ihre Unternehmenskunden damals gar dazu an, Cash-Reserven auszugeben oder zu anderen Geldhäusern zu verschieben. Denn der Anstieg der Total Assets zog die Sorge nach sich, dass Banken ihr Eigenkapital in größerem Stil aufstocken müssten, um regulatorische Anforderungen zu bedienen, oder gezwungen sein würden, neue Einlagen abzulehnen.
Allerdings sind die US-Großbanken auch wesentlich breiter aufgestellt als SVB oder Silvergate Capital, die sich in hohem Maß auf Einlagen aus bestimmten Branchen fokussiert haben. Zudem gestaltet sich die Struktur ihrer Verbindlichkeiten unterschiedlich: Bei SVB waren Ende 2022 89% auf Einlagen zurückzuführen, bei Bank of America waren es besipielsweise lediglich 69%. Daher ist ein Schund von Kundenmitteln für die großen Anbieter laut Analysten leichter verkraftbar. SVB indes hat nach eigenen Angaben nun so gut wie alle zur Veräußerung verfügbaren Wertpapiere verkauft.