Ingo Wiedemeier, Frankfurter Sparkasse

Die Risiko­vorsorge sieht noch sehr gut aus“

Der Vorstandsvorsitzende der Frankfurter Sparkasse, Ingo Wiedemeier, sorgt sich um die konjunkturelle Entwicklung. Angesichts einer drohenden Rezession und der hohen Inflation übten sich viele Kunden in Zurückhaltung.

Die Risiko­vorsorge sieht noch sehr gut aus“

Von Detlef Fechtner und Tobias Fischer, Frankfurt

Im 200. Jahr ihres Bestehens bereitet sich die Frankfurter Sparkasse auf konjunkturell herausfordernde Zeiten vor. Die aus der Gemengelage aus Wirtschaftsabschwung, Rohstoffengpässen, hoher Inflation und Zinswende erwachsende Unsicherheit spürt das zu den zehn größten deutschen Sparkassen zählende Institut bereits, doch habe es die Risiken im Griff, berichtet Vorstandsvorsitzender Ingo Wiedemeier.

Größeren Korrekturbedarf im Kreditportfolio sieht er derzeit nicht, doch werden sich seines Erachtens eine geringere Investitionsbereitschaft der Unternehmen und eine abwartende Haltung der Privatkunden, von denen manche um die Sicherheit ihrer Jobs bangen, auf die Kreditnachfrage auswirken. „Wir haben natürlich unsere Portfolien schon mehrfach analysiert. Bei der Risikovorsorge sieht es noch sehr gut aus“, sagt Wiedemeier, der seit bald zwei Jahren an der Spitze der Frankfurter Sparkasse steht.

Die drohende Rezession gibt ihm aber zu denken: „Die aktuellen Produktionsabläufe und Auftragslagen tragen dazu bei, dass wir bei Wertberichtigungen noch vorsichtiger planen werden als in der Pandemie. Da hatten wir vorsorglich Planungsbeträge berücksichtigt, die sich glücklicherweise nicht realisiert haben. Jetzt erleben wir eine ganz andere Dimension.“ In den nächsten Wochen und Monaten werde sich zeigen, wie sich z. B. möglicherweise ausbleibende Gaslieferungen aus Russland auf Firmen und die Ausfallrisiken im Kreditgeschäft auswirken.

Noch sei in Sachen Mittelstandsfinanzierung die Welt bei der Frankfurter Sparkasse in Ordnung, sagt Wiedemeier. Die wachsende Unsicherheit schlage sich aber schon ebenso in steigenden Risikoprämien für extern geratete Unternehmen nieder wie in Aufschlägen für Unternehmenskunden, die intern geratet werden. „Die Unsicherheit in den Märkten ist geprägt von der Frage, wie lange Unternehmen Rohstoffengpässe durchhalten können. Was nützt es, wenn sie sich zwar hohe Preise leisten können, aber die Lieferungen stocken?“ Mögliche Bewertungseffekte infolge der sich ab­schwächenden Konjunktur und des Zinsanstiegs auf von der Frankfurter Sparkasse gehaltene Wertpapiere wären laut Wiedemeier verkraftbar: „Das können wir aushalten.“

Im Boom der vergangenen Jahre hatten die Frankfurter und der Sparkassensektor im Allgemeinen immer wieder darauf hingewiesen, dass es für die Europäische Zentralbank (EZB) an der Zeit wäre, gemächlich an den Zinsen zu drehen. Das Tempo, mit dem die Zinswende dann eintrat und Bauzinsen im ersten Halbjahr auf über 3% emporschnellten, überraschte aber. „Dass die Zinswende in dieser Vehemenz kommt, war nicht vorauszusehen“, sagt Wiedemeier. „Wir hätten uns das etwas homöopathischer vorstellen können.“ Die Zinsen für Baufinanzierungen hätten in einer Schnelligkeit angezogen, „wie wir das wahrscheinlich alle noch nicht erlebt haben“.

Von ihren Kunden erwartet die Frankfurter Sparkasse üblicherweise, bei der Annuität, also Zins plus Tilgung, um die 5% erbringen zu können. Bei steigenden Bauzinsen werde sich das Verhältnis der beiden Komponenten etwas verschieben. „Künftig fällt der Tilgungsanteil etwas geringer aus als der Zinsanteil“, sagt Wiedemeier.

Beim Blick auf das immobilienlastige Kreditportfolio wird Wiedemeier nach eigenen Aussagen nicht bange: „Wir können ruhig schlafen – auch hinsichtlich der Preise. Wir sehen keinen Verfall der Beleihungswerte.“

Zinsen für Einlagen in Ferne

Auf der Einlagenseite werden sich Kunden noch etwas gedulden müssen, bis sie mit nennenswerten Nominalzinsen rechnen können. Hebt die EZB wie erwartet die Sätze in mehreren Schritten an, würden Zinsen auf der Einlagenseite auch irgendwann wieder Realität, sagt Wiedemeier. Aber im Falle eines Gaslieferstopps kämen auf die EZB neue Herausforderungen und gegebenenfalls eine Neubewertung ihrer Geldpolitik zu – womöglich also gar die Abkehr von der Zinswende. Die EZB hatte in der Vergangenheit signalisiert, am kommenden Donnerstag zum ersten Mal seit 2011 die Leitzinsen um voraussichtlich 0,25% zu erhöhen.

Der Einlagensatz, zu dem Banken überschüssiges Zentralbankguthaben bis zum nächsten Geschäftstag im Eurosystem anlegen – er beträgt seit September 2019 minus 0,50% –, bedeutet für die Institute also Kosten, welche die meisten an ihre Kundschaft in Form von Verwahrentgelt weitergeben. Auch die Frankfurter Sparkasse koppelt Verwahrentgelte, die bei Einlagen ab 100000 Euro fällig werden, an den Einlagensatz und würde Zinssatzänderungen un­mittelbar weitergeben, stellt Wiedemeier in Aussicht.

Weniger im Portemonnaie

Die hohe Inflation von aktuell mehr als 8% wirkt sich mittelbar wie unmittelbar auf die Sparkasse aus. Die Kosten, die im vergangenen Jahr bei gut 250 Mill. Euro stabilisiert werden konnten, könnten also wieder steigen. Für viele Kunden bedeutet die Preisexplosion, dass sie nicht mehr oder nur noch bedingt in der Lage sind zu sparen. „Die Frage ist, ob etwa Familien, die um 8% steigende Lebenshaltungskosten stemmen müssen, noch viel Luft haben, um in den Sparplan zu investieren.“ Sparer, deren Vermögen schrumpft, spekulierten jetzt wieder auf einen auskömmlichen Zinssatz, „aber an­gesichts von 8 % Inflation handelt es sich immer noch um einen realen Vermögensverlust“. Und wer in der Baufinanzierung steckt, muss steigende Baukosten stemmen. „Am Ende des Tages ist einfach weniger im Portemonnaie“, sagt Wiedemeier.

Deshalb rechnet er damit, dass Kunden unter dem Strich mehr Einlagen abheben, als das bisher der Fall gewesen ist. „Wir haben mehr als 18 Mrd. Euro an Einlagen. Dass da etwas abfließt, ist absehbar. Auf der anderen Seite verzeichnen wir aber auch Zuflüsse, weil einige Menschen aus Angst noch mehr Geld horten.“

Selbst wenn die Zinsen stiegen, sei das keine Alternative zum Wertpapiersparen: „Grundsätzlich bleibt es dabei: Wer noch eine vernünftige Rendite erzielen und die Inflation halbwegs abfedern will, dem reicht nicht irgendwann ein positiver Zinssatz von 0,25%. Deshalb behält das Wertpapiergeschäft eine hohe Be­deutung.“ Das wächst ihm zufolge weiterhin, wenn auch nicht mehr so stark wie früher.

Vor einem Jahr hatte Wiedemeier ein weiteres Sparprogramm angekündigt. Bis Ende 2024 verschwindet jede zehnte der damals 1400 Vollzeitstellen und 17 von damals 61 Zweigstellen, von denen sich 46 im Frankfurter Stadtgebiet und 15 im Umland befanden. An diesem Plan werde festgehalten, bekräftigt er. Das soll von 2025 an jährlich 10 Mill. Euro einsparen. Stabs- und Führungsstrukturen werden über alle Hierarchieebenen hinweg verschlankt, Aufgaben und Einheiten gebündelt sowie Prozesse digitalisiert. Schon Wiedemeiers Vorgänger Robert Restani hatte ein über mehrere Jahre laufendes Sparprogramm, Speed, beschlossen, das mit Stellenabbau und Einsparungen von 10 Mill. Euro pro Jahr einherging. „Im We­sentlichen schließen wir Filialen in der Innenstadt von Frankfurt, wo diese dicht beieinanderliegen, je­doch nicht im Umland“, sagt Wiedemeier. In Coronazeiten hätten viele Kunden auf Mobile Banking umgestellt. „Es kommen definitiv weniger Menschen in die Filialen.“

Die eigenen Mitarbeiter werden er­muntert, nach der Corona-Pandemie wieder mehr in die Büros zurückzukehren. „Das Thema Homeoffice wird sich meines Erachtens einspielen. Einen Mitarbeiter, der 100% zu Hause ist, wird es nicht geben. Ich bin mir sicher, dass Unternehmenskultur eine große Rolle spielt. Und die kann der Arbeitnehmer nur im Büro erleben.“

Gegen aktive Kryptoberatung

In der Diskussion um den Umgang der Sparkassen mit Kryptowährungen positioniert sich Wiedemeier wie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der jüngst empfohlen hat, des Kundenschutzes wegen den Handel mit Kryptowährungen nicht anzubieten, sich aber technologischen Lösungen wie der Einführung einer Verwahrlösung von tokenisierten Assets in der Finanzgruppe nicht zu verschließen. In der Sparkassen-Finanzgruppe gebe es noch keine abschließende Meinung, sagt Wiedemeier, jedes Institut müsse letztlich für sich selbst entscheiden.

Klar ist für ihn: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir eine aktive Beratung zum Anlegen von Geldern in Kryptowährungen anbieten.“ Allerdings müsse gewährleistet werden, dass interessierte Kunden zumindest technisch in die Lage versetzt würden, dies über Sparkassensysteme zu realisieren, um ein Abwandern zu anderen Instituten zu verhindern. „Die Kryptogeschäftsmodelle sind meines Erachtens viel zu intransparent“, findet Wiedemeier. „Die Gelder, die da teilweise eingenommen werden, werden wieder in andere Assets investiert. Ich bin mir nicht sicher, ob der Kunde bis zum letzten Cent weiß, wo das Geld dann wirklich angelegt wird.“

AGB-Urteil verliert Schrecken

Die möglichen finanziellen Folgen des AGB-Urteils des Bundesgerichtshofs schrecken Wiedemeier nicht mehr. „Mittlerweile haben wir Zu­stimmungsquoten, die knapp unter 90% liegen. Von daher gehen wir davon aus, dass da nicht mehr allzu viel an Rückerstattungsforderungen kommen wird.“ Bei den Kunden, die noch nicht geantwortet haben, werde nachgefasst, um möglichst eine 100-%-Quote zu erreichen. Auch was den Streit über Zinsnachzahlungen auf Prämiensparverträge an­geht, gibt sich Wiedemeier entspannt: „Bei den Vermögensplänen haben wir be­reits konservativ im Sinne der Kunden einen Langfristrefinanzierungssatz unterstellt. Diejenigen, die sich größere Rückzahlungen ausrechnen, muss ich eher enttäuschen: Es wird keine hohen Zusatzzahlungen geben.“

Der Kritik, welche die Sparkasse jüngst in Zusammenhang mit der Aufarbeitung ihrer eigenen Ge­schichte während des Nationalsozialismus geerntet hatte, be­gegnete sie mit der Beauftragung des renommierten Fritz Bauer Instituts. Forschungsprojekte hatten die Sparkasse und die Polytechnische Gesellschaft in Auftrag gegeben. „Das Fritz Bauer Institut rechnet mit einem ersten Ergebnis frühestens in drei Jahren“, sagt Wiedemeier.

Im 200. Jahr des Bestehens wird der Blick aber vor allem nach vorn gerichtet. Im Fokus steht die Beendigung des Transformationsprozesses. „Ziel ist, die Um­strukturierungen in der Aufbaustruktur in diesem Jahr abzuschließen, um uns schwerpunktmäßig dem Vertrieb widmen zu können. Das ist unser Einstieg in das dritte Unternehmensjahrhundert.“

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